Essen-Katernberg. Ein Mann rast in die Auslage eines Essener Gemüseladens, stürmt mit einer Machete hinein. Die Betreiberfamilie kommt selbst aus Syrien.
Bei zwei Bränden in Mehrfamilienhäusern sind am Samstagabend (28.9.) in Essen 30 Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Zudem gab es einen Anschlag auf zwei Lebensmittelgeschäfte an der Katernberger Straße. Einer davon ist das „Arabische Haus“. Ein Mann parkte davor, ging mit einem Machete und einem Messer hinein. Kurze Zeit später wurde er festgenommen. Die Polizei geht aktuell davon aus, dass der 41-Jährige auch für die Brandstiftungen verantwortlich ist.
Die Familie, die das „Arabische Haus“ betreibt, haben wir während der Coronapandemie vor drei Jahren getroffen. Aus aktuellem Anlass hier noch einmal der Artikel, den wir am 29.4.2021 erstmals veröffentlicht haben.
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Eltern betreiben „Arabisches Haus“ in Essen-Katernberg
Seit Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr steht die Welt der achtköpfigen Familie Albattah Kopf: Normalerweise saßen immer alle zusammen am Frühstückstisch. Danach gingen die Eltern arbeiten - sie betreiben den Supermarkt „Arabisches Haus“ an der Katernberger Straße - der Jüngste wurde noch in den Kindergarten gebracht, die anderen gingen erst zur Schule, dann in die Ganztagsbetreuung. Doch jetzt verlassen nur noch die Eltern und das Kindergartenkind das Haus. Die anderen fünf packen direkt am heimischen Tisch ihre Schulsachen aus.
„Manchmal sitzen wir im Kreis und ich bin in der Mitte“, erklärt die 20-jährige Hanan. Sie ist die älteste und betreut ihre vier Geschwister im Homeschooling - parallel nimmt sie selbst am Online-Unterricht des Berufskollegs teil, die Abschlussprüfungen für ihre Ausbildung als Sozialassistentin stehen im Mai an. „Ich versuche allen überall zu helfen“, sagt Hanan, die weiß, dass es besonders für ihre 14-jährige Schwester schwierig ist, sich an die Arbeit mit dem IPad zu gewöhnen. „Sie hat das Gerät nach dem ersten Lockdown bekommen, aber keine Einführung dazu“, klagt Hanan, die sich erstmal selbst aneignen musste, wie die Videokonferenz-Programme funktionieren, wie man Aufgaben hochlädt und mit den Klassenkameraden und der Lehrerin chatten kann: „Onlineunterricht mit 30 Schülern ist gar nicht leicht.“
Oft ist es so, dass ihre Geschwister 45 Minuten - eine Schulstunde - Zeit haben, die Lösungen zu bestimmten Aufgaben in einem speziellen Programm hochzuladen. Sonst gibt es keine Noten. „Keiner darf sitzen bleiben“, ist das gemeinsame Ziel der Familie, die aus Syrien über die Türkei vor fünf Jahren nach Deutschland gekommen ist. „Mein Vater war zu Hause Polizist und hat auch hier sofort einen Job gefunden“, erzählt Hanan. Er zeige der Familie, dass es wichtig ist zu lernen und eine Ausbildung abzuschließen.
Kinder aus Katernberg: Überfordert mit der Corona-Situation
Ob sich Hanan mit der Situation überfordert fühlt: „Immer, es ist ein absolutes Chaos, alle haben ständig eine Frage und dann muss es mittags ja auch noch was zu essen geben.“ Montags habe sie selbst von 7.35 bis 16.20 Uhr Unterricht. Dann hält sie oft das Handy in der einen Hand, um dem Online-Unterricht an ihrem Berufskolleg zu folgen, und den Kochlöffel in der anderen Hand.
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Im Januar dann der Zusammenbruch. Die 20-Jährige wurde krank, die Stimme war weg, der Kopf schmerzte, sie konnte sich nicht mehr bewegen. „Es war einfach alles zu viel.“ Doch aufgeben kam nicht in Frage: „Wenn ich krank bleibe, verpasse ich zu viel, dann kann ich meine Ausbildung nicht beenden“, dachte sie sich und kämpfte sich wieder aus dem Bett. Sie sei die einzige Ausländerin in ihrer Klasse und wolle unter keinen Umständen Schwäche zeigen. Also sei sie duschen gegangen, habe sich die Haare hochgesteckt und sich im Online-Unterricht zurückgemeldet.
Eine Erleichterung spürte sie dann erst wenige Wochen vor Ostern, als ihre Grundschul-Geschwister wieder in die Notbetreuung gehen konnten. So wurde die Lern-Runde am Tisch etwas kleiner, die Konzentration etwas größer, der Stress etwas weniger.
Corona habe Familie aus Essen-Katernberg zusammengeschweißt
Die Corona-Krise habe die Familie zusammengeschweißt, findet die 20-Jährige, die ihrer Mutter keinen Vorwurf macht. „Die braucht unseren Hilfe“, schließlich habe sie immer noch sehr viel zu tun, gehe arbeiten und einkaufen, müsse waschen und auch oft genug kochen. Denn abends kommt die Familie wieder zusammen. Die Eltern haben Feierabend, die Kinder packen ihre Schulsachen ein und alle erzählen vom Tag.
Hanan steht am nächsten Morgen dann manchmal um 4.30 Uhr auf, um sich in Ruhe auf ihre Klausuren vorzubereiten. „Wenn ich Lehrerin wäre, würde ich allen Kindern gute Noten geben“, erklärt sie. Die Leistung, dass alle von zu Hause mitarbeiten, sollte anerkannt werden. Es sei superschwierig, sich ganz neue Themen zu erarbeiten und mit der Technik, den Geräten und dem ständigen Internetausfall klar zu kommen. Am Anfang habe ihr Drucker noch auf Hochtouren gearbeitet, doch der habe endgültig schlapp gemacht. „Der arme funktioniert nicht mehr, wir versuchen es jetzt ohne“, erklärt Hanan und wünscht sich ihr altes Leben zurück.
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