Essen. Die Wasserpflanze Elodea wuchert stärker denn je. Am Baldeneysee kostete der Kampf 120.000 Euro. Warum der Ruhrverband von „Ohnmacht“ spricht.
Die „Wasserpest“ ist ein Zeichen für sauberes Trinkwasser. Das klingt zwar paradox, lässt sich aber einfach erklären. „Die Elodea ist gekommen, um zu bleiben“, sagt Norbert Jardin, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbandes über die Pflanze, die auch „Wasserpest“ genannt wird und „mehr als je zuvor wuchert.“ Das massive Wachstum im Kemnader See und Baldeneysee habe selbst Expertinnen und Experten überrascht. Mittlerweile sei die Wasserpflanze aufgrund der fallenden Temperaturen zwar abgestorben, doch der Ruhrverband ist sich sicher: Die Pflanze wird zurückkommen. Besonders für Wassersportlerinnen sei das ein Problem. Im Ruhrgütebericht zieht der Ruhrverband Bilanz und spricht gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) über die Trinkwasserqualität in der Region.
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Die Elodea, eine invasive Pflanzenart, wächst unter Wasser und zeigt sich als grüner Pflanzenteppich an der Oberfläche. In den Ruhrstauseen tauchte die „Wasserpest“ erstmals in den frühen 2000er Jahren auf, kehrte seitdem immer wieder zurück. Zuletzt sei die Ausbreitung der Pflanze weniger gewesen. Das Jahrhunderthochwasser im Juli 2021 habe viele Pflanzen ausgerissen. 2023 sei der Wasserstand in den Stauseen aufgrund des regenreichen Jahres häufig stark erhöht gewesen und schränkte das Wachstum ein.
Nach der Verschnaufpause: Wasserpest schlägt zurück
Doch die Verschnaufpause endete in diesem Jahr, die Elodea schlug massiv zurück. Die Gründe: „Wir erleben seit Jahren eine Abnahme des Planktongehalts.“ Dadurch werde das Wasser klarer, und das Sonnenlicht kann weiter eindringen. „Das liebt die Elodea.“ Hinzu kamen ein warmer Winter und die Ausbreitung der „Körbchenmuschel“, die das Plankton filtere.
An sich sei die Pflanze zwar harmlos, für den Wassersport bereite sie allerdings extreme Probleme. Denn Ruderer, Kanuten, Segel-, Tretboote oder Stand-Up-Paddles könnten im Pflanzenteppich stecken bleiben. Wettbewerbe wie die Deutsche Meisterschaft im Rudern konnten nur durch den intensiven Einsatz von Mähbooten des Ruhrverbandes stattfinden: Fünf Mäher als einzige Waffe gegen den Wildwuchs. Mit einem Boot werden die Flächen abgefahren, die Pflanzen 80 Zentimeter unterhalb der Wasseroberfläche abgeschnitten, aufgenommen und anschließend verbrannt. 856 Tonnen waren das auf dem Baldeney- und dem Kemnader See zwischen Juni und September.
Ein Einsatz, der Personal, Zeit sowie Geld kostet: allein 120.000 Euro für 52 Mähtage auf dem Baldeneysee. Denn die Pflanze wächst schnell, bis zu 20 Zentimeter am Tag, und muss daher nach vier Tagen wieder gemäht werden. „Das war ein Kampf gegen Windmühlen“, sagt der Vorsitzende des Ruhrverbandes. Auf der Suche nach Alternativen zum Mähen testete der Verband verschiedene Methoden. „Wir haben alles ausprobiert.“ Doch der erhoffte Erfolg blieb aus. Norbert Jardin spricht von einer Ohnmacht im Umgang mit der Pflanze. Der Mäher wird auch in Zukunft das einzige Mittel im Kampf gegen die Pflanze bleiben.
Pest in der Ruhr: Steht für sauberes Trinkwasser
Das Paradoxe: Aus ökologischer Sicht markiere die „Wasserpest“ für eine hohe Wasserqualität, die Norbert Jardin auf die verbesserten Kläranlagen an der Ruhr zurückführt. Das Wasser sei klarer und nährstoffarmer als in früheren Jahren, wodurch sich weniger Algen bilden. Zwischen 2018 und 2023 ist in 97 Prozent aller betrachteten Gewässerabschnitte „ein guter oder sehr guter Zustand hinsichtlich der abbaubaren organischen Stoffe festgestellt werden“, betonen Norbert Jardin und Bernd Heinz. „Das sind die historisch besten Werte in unsere Kläranlagen“, so der Ruhrverband.
Auch die Ewigkeitschemikalien Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) beschäftigen die AWWR, für die ab 2026 und 2028 neue EU-Grenzwerte für das Trinkwasser gelten. Das Problem: Der Abbau von PFAS dauere Jahrzehnte und sei ab einer gewissen Konzentration für den Menschen bedenklich. „Wenn wir heute nichts tun, haben wir in 20 bis 30 Jahren ein echtes Problem“, appelliert Heinz an die Industrie, weniger wasserschädliche Stoffe zu finden und PFAS zu vermeiden. In der Ruhr, betont er, werden die EU-Grenzwerte bereits eingehalten.
Für beide Vorsitzenden steht fest: Die Trinkwasserversorgung für die rund 4,6 Millionen Menschen ist trotz des Klimawandels in den nächsten Jahrzehnten gesichert. Und trotzdem: Die größten Herausforderungen sehen sie bei den Extremwetterereignissen im Zuge des Klimawandels.
Klimawandel und Wasserwirtschaft an der Ruhr
Was bedeutet der Klimawandel für die Wasserwirtschaft an der Ruhr?
2023 war seit Beginn der Messungen 1981 das wärmste – und gleichzeitig seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1927 das nasseste. „Damit endete eine außergewöhnliche Trockenperiode von 14 zu trockenen Abflussjahren in Folge“, teil der Ruhrverband mit. Auch die Extremwetterereignisse nehmen zu, zeigen sich in höheren Niederschlägen im Winter und längeren Trockenperioden im Sommer. Das Hochwasser von Weihnachten bis in die ersten Januartage 2024 sei ein Beleg dafür gewesen. „Gäbe es keine Talsperren an der Ruhr, wäre sie 2018 im Juni in weiten Teilen trocken gefallen“, sagt Jardin eindringlich.
Was tut der AWWR für den Hochwasserschutz?
„Der Umgang mit Hochwassergefahren bleibt ein Dauerthema“, sagt Bernd Heinz mit Verweis auf die jüngste Hochwassersituation in Polen und Tschechien. Das letzte Hochwasser an der Ruhr zum Jahreswechsel 2023/2024 sei zwar glimpflich ausgegangen, doch der Hochwasserschutz in NRW verbessere sich nur langsam: „Es bedarf zügigerer Genehmigungen, neuer Auflagen sowie klarer Entscheidungen bei der Umsetzung“, appelliert er an die Politik. „Ich möchte nicht hören, was habt ihr in den letzten Jahren gemacht?“
Was machen Ruhrverband und die AWWR für die Klimaneutralität?
Um klimaneutral zu werden, setzen Ruhrverband und AWWR auch auf regenerative Energien, insbesondere Wasserkraft und Photovoltaik. Das Ziel, über das gesamte Jahr mindestens so viel Energie zu erzeugen, wie der Ruhrverband benötigt, sei bereits 2023 erreicht und sogar zusätzliche Energie in das Netz eingespeist worden.