Essen. Ruhr Museum feiert Lebenswerk der Essener WAZ-Fotografin Marga Kingler. „Modelle“ von einst sehen sich nach Jahrzehnten in der Ausstellung wieder

Es ist ein schwülwarmer Sommertag im August 1961, als pünktlich zum Feierabend ein heftiger Regenguss drei jungen Frauen beim Warten auf die Straßenbahn überrascht. Gerda Schulz und ihre beiden Kollegen haben nicht mal einen Regenschirm dabei, aber eine von ihnen zaubert ein Regencape aus der Tasche, unter dem die drei jungen Frauen geduckt Schutz suchen. Ein Motiv, wie gemacht für Marga Kingler, die Grande Dame der Essener Lokaljournalismus, die in dem Moment Ausschau hält nach einem Wetterbild-Motiv für die nächste Ausgabe der WAZ-Lokalredaktion.

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Am nächsten Tag sind Gerda Schulz und ihre Kolleginnen die „Cover-Girls“ der Essener WAZ-Lokalausgabe. Mehr als 60 Jahre später erlebt das Bild nun seine zweite Karriere im Rahmen der großen Fotoausstellung „Unterwegs mit Marga Kingler. Pressefotografin im Ruhrgebiet“. Bei der mittlerweile 84-jährigen Gerda Schulz hat das unverhoffte Wiedersehen mit einem bildschönen Motiv ihrer Jugend noch einmal Erinnerungen wachgerufen.

Zu Besuch in der Ausstellung „Unterwegs mit Marga Kingler. Pressefotografin im Ruhrgebiet“: Gerda Schulz war vor 60 Jahren „Fotomodell“ der Essener Fotografin. Das Originalbildkann man nun im Ruhr Museum sehen.
Zu Besuch in der Ausstellung „Unterwegs mit Marga Kingler. Pressefotografin im Ruhrgebiet“: Gerda Schulz war vor 60 Jahren „Fotomodell“ der Essener Fotografin. Das Originalbildkann man nun im Ruhr Museum sehen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Das bin ja ich!“ Als die Zeitungsleserin vor einigen Wochen die WAZ-Kulturseite aufschlägt, will sie ihren Augen zunächst nicht trauen. Diese strahlenden, jungen Frauen auf dem Foto, das sind doch ihre damaligen Kolleginnen Margot und Ilse. Und die Dritte im Bunde? Gerda Schulz, die damals noch Valerius heißt, ist sich im ersten Moment fast ein wenig unsicher. „Ich war eigentlich gar keine Gürtelträgerin!“ Zur Sicherheit besucht die gebürtige Essenerin, die mit ihrem Mann Hans-Günter mittlerweile in Mülheim lebt, zunächst die Ausstellung und besichtigt das Foto im Großformat, bevor sie sich im Ruhr Museum mit ihrer „Wiederentdeckung“ meldet.

Marga Kingler hinter und vor der Kamera, hier bei einem Spiel von Rot-Weiss-Essen 1965.
Marga Kingler hinter und vor der Kamera, hier bei einem Spiel von Rot-Weiss-Essen 1965.

Gerda Schulz dürfte bei weitem nicht die einzige sein, für die die Ausstellung im Ruhr Museum einen besonderen Wiedererkennungswert hat. Zigtausende Essenerinnen und Essener hat Marga Kingler (1931- 2016) während ihrer 40-jährigen Dienstzeit als „rasende Reporterin“ der WAZ ins Bild gesetzt. Mal eher zufällig in Aufnahmen von großen Festen, Kundgebungen oder Messen. Mal ganz bewusst arrangiert wie im Fall von Gerda Schulz und ihren Kolleginnen.

Ausstellung würdigt das bedeutende fotografische Lebenswerk

Wie die Fotografin damals auf sie zugekommen sei, die jungen Frauen noch ein wenig dirigiert und arrangiert habe, bis das Bild nach ihren Vorstellungen perfekt war, daran erinnert sich Gerda Schulz genau, die damals in der EDV-Abteilung im RWE-Hochhaus arbeitet. Kinglers ebenso kommunikative wie beherzte Art und Weise, Menschen und Situationen in Szene zu setzen, war schließlich ein Markenzeichen der legendären Fotoreporterin, die von 1951 bis 1991 ein immenses Konvolut von Pressefotografien schuf, das auch die visuelle Wahrnehmung der Großstadt Essen entscheidend mitgeprägt hat.

Mehr als 150.000 Negative standen zur Auwahl

Annähernd 150.000 Negative hat die 2016 verstorbene Grande Dame des Essener Lokaljournalismus dem Ruhr Museum noch zu Lebzeiten übergeben. Die Galerie-Ausstellung ist nun die verdiente Würdigung dieses bedeutenden fotografischen Lebenswerk.

Exklusive Führung im Ruhr Museum

Die Ausstellung „Unterwegs mit Marga Kingler. Pressefotografin im Ruhrgebiet“ ist noch bis zum 12. Januar 2025 im Ruhr Museum, Zeche Zollverein, Gelsenkirchener Str. 181, zu sehen. Öffnungszeiten: Mo bis So, 10 bis 18 Uhr. Eintritt 5/erm. 4 Euro.

Für unsere Leser veranstaltet das Ruhr Museum am Freitag, 30. August, ab 18 Uhr, eine exklusive Kuratoren-Führung. Die Gäste erhalten einen tiefen Einblick in das Lebenswerk und in die Arbeitswelt der unvergessenen Essener Fotojournalistin. Die bilderstarke Zeitreise reicht von der Nachkriegszeit über die Wirtschaftswunderjahre bis hin zum Mauerfall und der Wiedervereinigung.

Die zehn mal zwei Tickets sind unter folgendem Link zu gewinnen. www.waz.de/marga_kingler

Die Gewinner werden zeitnah benachrichtigt.

Für die Ausstellungsmacher war es dabei keine Frage, das charmante Regen-Trio zum plakativen Hauptmotiv für die Ausstellung zu machen. „Das Bild war sofort in der engeren Auswahl“, sagt Kurator Thomas Dupke. Es sei zwar gestellt, „aber es wirkt nicht so“. Ein perfektes Beispiel für Marga Kinglers besondere Art von Großstadt-Fotografie

Damals hat sich Gerda Schulz natürlich sofort einen Abzug besorgt, irgendwann wanderte das Bild in eine Kiste und geriet in Vergessenheit. Mit der Ausstellung hat sich das geändert. In den Ferien hat Gerda Schulz mit Kindern und Enkelkindern sogar noch einmal einen Familienausflug nach Zollverein - und in die eigene Vergangenheit - gemacht.

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