Essen. Durchschnittlich einmal pro Woche wird ein Brief- oder Paketbote in Essen von einem Hund attackiert. Was die DHL ihren Mitarbeitern rät.

Etwa einmal pro Woche wird ein Briefträger in Essen von einem Hund gebissen. Deshalb schulen Post und DHL ihre Azubis, die Brief- und Paketzusteller werden, seit Jahren im sicheren Umgang mit den Tieren. Wichtigster Tipp: den Hund ignorieren! Aber wie soll das bitte gehen, wenn ein 30 Kilo schwerer Schäferhund einen anspringt, weil er glaubt, das Päckchen ist ein Spielzeug für ihn höchstpersönlich?

Das Problem ist keines, das man belächeln sollte: 1750 Hundebisse gab es im letzten Kalenderjahr in Deutschland, sagt Britta Töllner, die Sprecherin der Post und DHL. 1000 davon waren so schwerwiegend, dass der oder die Verletzte einen oder mehrere Tage ausfiel.

Hundetrainer in Essen simulieren die Paket-Übergabe, dann müssen die Azubis ran

Wir sind auf dem Gelände des Post-Briefzentrums in Vogelheim; 29 Azubis, die soeben ihre Ausbildung zur „Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen“ (so heißen Briefträger heute) angefangen haben, stehen vor Clip (9), einem belgischen Schäferhund. Der bellt sich die Seele aus dem Leib, weil er dringend in den Karton beißen will, den Hundetrainer Uwe Graute in der Hand hält, 20 Meter vom Hund entfernt.

Wie man im Fall einer Attacke richtig steht und nicht umfällt, lernen die Azubis an diesem Tag auch. Links Hundetrainer Michael Pfaff.
Wie man im Fall einer Attacke richtig steht und nicht umfällt, lernen die Azubis an diesem Tag auch. Links Hundetrainer Michael Pfaff. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Grautes Kollege Michael Pfaff, ebenfalls Hundetrainer, hält Clip an der ganz kurzen Leine fest und spielt jetzt den Post-Kunden, der den Karton, das Päckchen, empfangen will, und Graute spielt den Paketzusteller. „Nun kommen Sie doch schon, ich hab‘ den Hund im Griff, ich brauch‘ das Päckchen jetzt!“, ruft Pfaff, der Kunde, und Graute, der Zusteller, lässt sich drauf ein: „Ok, ich komme zu Ihnen an die Tür“, ruft er, geht die ersten Meter auf Pfaff zu, und Pfaff lässt die Leine los: Wie der Blitz schießt Clip los, bestümrt mit voller Wucht den Zusteller, reißt ihm den Karton vom Arm und zerfetzt ihn in wenigein Sekunden. Also, den Karton jetzt, nicht den Zusteller. Egal. Die Szene ist eindrucksvoll. Den Azubis stockt der Atem.

Hunde und Paketboten: Manche Tierbesitzer überschätzen ihre Fähigkeiten

Das Problem vor allem bei Übergaben von Päckchen und Paketen: Hundebesitzer meinen, ihr Tier auf jeden Fall im Griff zu haben und überschätzen ihre Fähigkeiten. „Die meisten Hundebesitzer kennen ihr Tier gut und beherrschen es, aber eben nicht alle“, sagt Hundetrainer Michael Pfaff. Deshalb rät er allen angehenden Brief- und Paketzustellern: Bekommt ein Herrchen oder Frauchen, das Post empfangen will, sein Tier erkennbar nicht in den Griff, sofort gegen alle Dienstleistungs-Regeln den Service-Gedanken knallhart fallen lassen. Und das Paket nicht zustellen, zum eigenen Schutz.

Hundetrainer Graute wiederholt die Szene, spielt den Kunden mit kläffendem Tier, und jetzt müssen die Azubis ran: die erste Auszubildende macht es direkt richtig, geht nicht aufs wilde Tier ein, sondern ruft klipp und klar über den Gartenzaun: „Ich vermerke jetzt in unserem System, dass die Zustellung nicht erfolgen konnte!“ Graute, der Kunde, fängt an zu protestieren: „Ich brauche das Paket aber! Kommen Sie näher, der tut nichts!“ Doch die angehende Auszubildende setzt sich durch, so wie man es ihr vorher erklärt hat: „Nein, auf keinen Fall, Sie müssen erst den Hund wegsperren!“

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Grundstückseigentümer und Hundehalter sind dazu verpflichtet, den Zustellern einen gefahrlosen Zutritt zum Grundstück zu verschaffen. Das Einfachste ist deshalb, rät Britta Töllner, ein Briefkasten an der Grundstücksgrenze. Und bei der Pakaetübergabe, die Kontakt erfordert? Einerseits, rät Hundetrainer Michael Pfaff den Azubis, solle man genau die Körpersprache des Hundes studieren; dafür gibt es an diesen Vormittag eine ausgedehnte Theorie-Einheit. Andererseits solle man sich strikt an den Tierhalter richten und nicht auf den Hund eingehen, vor allem nicht ihn zu besänftigen versuchen: „Leckerlis sind ganz falsch.“ Das wecke nämlich eine Erwartungshaltung des Hundes. Pfaff erinnert die Azubis daran, dass kaum ein Berufsstand so viel mit unterschiedlichen Hunden zu tun hat wie die Postzusteller: „Studieren Sie die Körpersprache des Tiers!“ Am Ende, sagt Pfaff gegenüber unser Redaktion, sind viele Zusteller echte Experten, was Hunde angeht. „Manchmal verstehen sie die Tiere besser als ihre eigenen Besitzer.“

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