Rees-Haldern. Die NRZ präsentiert das Haldern Pop Festival. Erste Musiker-Vorstellungen mit jenen, die 2024 Tonträger herausgebracht haben.
Die Vorfreude auf das 41. Haldern Pop Festival vom 8. bis zum 10. August steigt. Die NRZ als Medienpartner des beliebten Events am Niederrhein startet die Reihe der Bandvorstellungen. Bei der Wahl der ersten Bands haben wir vor allem jene in den Fokus genommen, die im ersten Quartal 2024 schon neue Tonträger veröffentlicht haben – sie haben also neue Musik zu bieten.
Wie jedes Jahr eine Erklärung: Für jede Band haben wir ein Erlebnispotenzial bewertet. Über Geschmack lässt sich streiten, deshalb versuchen wir nicht eine absolute Wertung abzugeben. Das soll jeder Zuhörer für sich selbst tun. Wir versuchen hier einzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass dieses Konzert für Sie zum Erlebnis werden kann. Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Ist die Musik leicht zugänglich? Gibt’s Ohrwürmer? Ist es eher eine Nischenband? Könnte der Spielort eine Rolle spielen? Wir haben es uns nicht leicht gemacht und trotzdem werden wir sicher nicht immer recht haben. Es ist eine bescheidene Entscheidungshilfe. Wir starten mit einer Band, die sicherlich zu den Hauptattraktionen 2024 zählt:
Fontaines D.C. haben sich etabliert
Fontaines D.C. waren 2019 als aufstrebende Band beim Haldern Pop, jetzt kehren die Iren als eine der Hauptattraktionen zurück. Ihr eingängiger Indie-Rock wird geprägt durch den Gesang, oft auch ein repetitiver Sprechgesang, mit starkem irischem Akzent von Grian Chatten; man hängt an seinen Lippen, weil die Worte so einen coolen Klang haben. Das vierte Album „Skinty Fia“ aus 2022 schaffte es auf Platz 1 der britischen Albumcharts. Das renomierte englische Musikmagazin NME sah sieh in dem Jahr bei ihren eigenen Awards als „Beste Band der Welt“. Musik für: den Moment, über den man spricht. Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.
Hörproben: „I Love You“, „In àr gCroíthe go deo“, „Boys in the Better Land“
Das Wiener Trio Sharktank aus Österreich schafft eine im deutschsprachigen Raum eher seltene Kombination aus Gute-Laune-Pop, Conscious-Rap, Elektro und tanzbaren Beats. Der gerne mal von der Technik modern aufgepimmte Gesang von Katrin Paucz wird herausgefordert von Rapper Mile. Die Musik schafft den Spagat, Radiohörer und jene, die dem Mainstream entfliehen, gleichermaßen anzusprechen. In ihrem Stil ist diese Bandbreite gegeben. 2024 ist nach zwei Alben die kompositorisch spannende EP „Blindsided“ erschienen. Musik für: jene, die den Mainstream schon immer mal in den Keller ziehen wollten. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Hörproben: „Blindsided“, „Mud“, „Busy“.
Yard Act werden immer beliebter
Mit ihrem 2022er Album „The Overload“ erregeten Yard Act aus England schon reichlich Aufmerksamkeit, landeten auf Platz 2 der britischen Albumcharts. 2024 ist der Zweitling unter derm Titel „Where‘s My Utopia?“ erschienen. Es ist eine Entwicklung erkennbar. Klang es vorher noch mehr nach verspieltem Indie-Rock, so erinnert die Musik nun an eine modern aufgepimpte Version von Beck; bedient sich handwerklich mehr aus Hip-Hop und Funk. Bärenstarkes Songwriting, ein Bassspiel, das ins Mark geht, einen Groove, der den Zuhörer geschmeidig in den Tanz lockt. Musik für: die hippen Indie-Fans. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Hörproben: „Dream Job“, „Petroleum“, „Payday“.
Das Londoner Duo The Silhouettes Projekt hat in 2024 mit „The Silhouettes Project, Vol. 2“ ihr zweites Album veröffentlicht. Ihr Alternativ-Rap wird von etlichen Künstlern unterstützt. Das passt zum Konzept. Sie wollen den Künstlern in ihrem Subgenre eine Plattform geben. Ihr Sprechgesang lässt den Londoner Akzent durchklingen. Der Sound ist insgesamt ein zurückgelehnter, man gibt sich dem Vibe entspannt hin, lässt die Gedanken fließen. Durch die Haldern Pop-Brille sicherlich eine Nischen-Musik. Musik für: echte Hip Hop-Fans. Erlebnispotnzial: 2/5 Sterne.
Hörproben: „Shade“, „Cheap Cigars“, „Knocked Down“.
Der US-Latino Devandra Banhart hat seit 2002 viele Tonträger veröffentlicht. Öfter wurde seine Musik für Filmproduktionen genutzt. Als Psychedelic Folk wird seine Musik bezeichnet, aber da ist doch eine größere Bandbreite entstanden. Von Latino-Folk über sanfte Singer-Songwriter-Stücke bis zu stilleren Pop-Stücken. Gute Stimme, keine Frage, aber der Musik fehlt etwas der Kick. Es plätschert so vor sich hin. Musik um: Popkorn nachzukaufen. Erlebnispotenzial: 1/5 Sterne.
Hörproben: „Twin“, „Baby“, „Quedate Luna“.
Porcelain ID alias Hubert Tuyishime ist ein in Ruanda geborener Künstler aus Belgien. Zuvor als Leadsänger der Band Aedell Wolff unterwegs, verfolgt er seit 2020 sein Solo-Projekt und gewann 2022 den Musikwettbewerb „Sound Track“. Nach zwei EPs ist 2024 das Debütalbum „Bibi:1“ heraus gekommen. Hier gibt es nur starke Stimmen zu hören. Porcelain ID pflegt einen modernen Singer-Songwriter-Stil, der über die Gitarre hinaus garniert wird. Ein Hauch von Afrika strahlt durch. Die Stücke sind geprägt von Melancholie, Wut und Zerbrechlichkeit. Musik für: emotionale Reisen im Vertrauen auf den Fremdenführer. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.
Hörproben: „Habibi (r u alone?)“, „Adam Coming Home“, „Rhythm Machine“.
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Endless Wellness: wie Tocotronic, aber später
Das österreichische Quartett Endless Wellness spielt einen Indie-Rock, der mal an die 90er erinnert, mal an die 80er. „Tocotronic, aber später“, sagen sie selbst. Handwerklich einfach gehalten, aber pfiffig geschrieben. Die Texte werden das Publikum gleich packen, herrlicher Humor und eine gewisse Nimm-nicht-alles-so-ernst-Attitüde. Ein Hauch von Melancholie schwebt zwar mit, aber hoffnungsvoll. In diesem Jahr ist ihr Debütalbum „Was für ein Glück“ auf den Markt genommen. Österreich darf Hoffnung haben, dass diese Platte zündet. Musik für: die Party im Zelt. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Hörprobe: „Schöne Dinge“, „Hand im Gesicht“, „Danke für alles“ (Achtung, Passagen aus bekannten Liedern).
Chalk: ein dreckiger Untergrund-Sound
Kann man Noise-Rock tanzbar machen? Ja, die Nordiren Chalk schaffen das. Ihre beiden EPs „Conditions“ nummeriert mit I und II bieten einen dreckigen Untergrund-Sound, Post-Punk, der aber eben auch Strukturen zulässt und nicht zu zerstörerisch wirkt. Düster, pulsierend, beklemmend? Befreiend! Da möchte man im Nebel des Spiegelzeltes und bei flackernden Scheinwerfern voll abgehen und seine Manieren vergessen. Musik für: jene, die Konformisten den Mittelfinger zeigen wollen. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.
Hörproben: „Claw“, „Bliss“, „Asking“.
Die in Irland geborene und in England lebende Holly Macve hat einen prominenten Fan. Auf ihrer 2024er EP „Time Is Forever“ singt Lana Del Rey mit ihr den Song „Suburban House“. Kein Wunder, dass diese berührende Ballade fast zehn Millionen Streams in kurzer Zeit zählt. Ihr glasklare Stimme legt sich wie ein warmer Schleier auf die Seele. Da brauch sie sich vor keinen großen Namen verstecken. Neben den zerbrechlichen Balladen sind Country- und Pop-Einflüsse herauszuhören. Musik für: stille Winterabende. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.
Hörproben: „Beauty Queen“, „No One Has the Answer“.
Herrliche Selbstironie bei Gringo Mayer
Als Produzent hat Philipp Johann Thimm bei vielen prominenten Studioaufnahmen mitgewirkt (Caspar, Kraftklub, Thees Uhlmann), 2023 folgte dann sein Debüt-Soloalbum „Birds Singing Till the Worlds Ends“ nach seiner Zeit in den Formationen Abby und Apparat. Jetzt bringt der Multiinstrumentalist seinen eigenen elektronischen Sound auf die Bühne. Verspielt, kontemplativ, experimentell, der „Laptop-Trainer“ der Elektronica. Ein Stück Berlin steckt in allem, könnte man meinen. Musik für: etwas Metropole im Dorf. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.
Hörproben: „Land of Plenty“, „Dear Father“ (Live), „Fuck War“.
Mundart-Blues aus der Kurpfalz, so wurde es mal genannt, das ist wohl das Alleinstellungsmerkmal von Gringo Mayer & Die Kegelband. Gut, stilistisch ist das alles rund um die Gitarre, aber irgendwie auch Westernhagen in einer anderen Sprache. Entscheidend ist der Mannheimer Dialekt, der hier mit herrlicher Selbstironie und einem Augenzwinkern so charmant gefeiert wird, dass man als Niederrheiner trotzdem Heimatgefühle bekommen kann. Das ist gute Laune, das ist niederschwellig, das ist Party, ohne zweite Gedanken. Musik um: den Fremden da unterzuhaken und gemeinsam abzugehen. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Hörproben: „Oh Jesses“, „Jeddi“, „Monnemer Dreck“.
Die geniale Stimme des Blanco White
Der Neo-Folk von Blanco White lebt von dieser genialen Stimme. Der Londoner hat in Haldern schon öfter berührt. Sein Gitarren-Studium in Cadíz und das Charango-Spiel, das er in Bolivien erlernte, verleihen seiner Musik immer wieder eine Flamenco-Note. Die neueren Stücke, zuletzt 2023 auf dem Album „Tarifa“, emanzipieren sich etwas davon und klingen etwas poppiger. Es bleiben die Melancholie und die Sentimentalität, die hier die Hauptdarsteller bleiben. Musik für: tiefgehende Gefühle. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.
Hörproben: „Una Noche Más“, „Olalla“, „Giordano‘s Dream, Pt. I“.
Hinter BC Camplight steckt Brian Christinzio, ein US-Singer-Songrwriter, der seit 2012 in England lebt. Seine Musik ist experimentell, schmeckt mal nach abwechslungsreichen Häppchen, erinnert aber auch an manchen Stellen an Fleisch, an das man sich fest kaut. Gerne lässt er auch mal kakophonische Töne zu oder unterbricht eine scheinbare Harmonie mit Misstönen. Es bleibt eine gewisse Dunkelheit. Musik für: jene, die unter der Oberfläche bohren wollen. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.
Hörproben: „The Last Rotation of Earth“, „Back To Work“, „I‘m Ugly“.
The Pogues, The Dubliners, Trinken und Feiern. Mit wenigen Worten hat man schnell eine Ahnung, wie The Mary Wallopers für Stimmung sorgen. Ganz in ihrer irischen Tradition. Wer den Gesang mit starkem Akzent, den irischen Dudelsack, Akkordeon, Flöten und Gitarren hört, wähnt sich in einem Irish Pub. Die gute Laune wird fast durchgehend zelebriert. Lieder zum Anstoßen und Mitsingen. Musik für: den Rumkrug, der herum geht. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.
Hörproben: „Bould O‘Donoghue“, „The Holy Ground“, „Eileen Og“ (Live).