Rees. Der Reeser Kämmerer malt ein düsteres Bild der städtischen Finanzen. Anspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen kann zum Kollaps führen.
Andreas Mai kann auch äußerst schlechte Nachrichten nonchalant präsentieren. Gleichwohl nutzt der Reeser Kämmerer trotz seiner verbindlichen Art eine eindeutige Sprache. „Wir saufen ab 2022 ab. Ihr müsst etwas tun“, richtete der Kämmerer auf der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses einen Appell an die Reeser Politiker. Aus Sicht von Mai war die Konsequenz klar: „Wir müssen über massive Steuererhöhungen sprechen.“
Zahlen aus dem zweiten Quartal
Zunächst hatte Mai die Zahlen zum zweiten Quartal bekannt gegeben. „Es liegt soweit alles im Plan, teilweise konnten wir ja auch gar nicht so viel machen, wir haben immer noch Coronazeit.“
Wider Erwarten habe sich etwa die Einkommenssteuer ganz gut entwickelt. Auch die Gewerbesteuer habe sich positiv gestaltet. „Damit bin ich sehr zufrieden, da wir 1,1 Millionen Euro über Plan sind und das tut uns sehr gut“, so Mai.
Warten auf ein Zeichen aus Düsseldorf
Beim so genannten Corona-Isolierungsgesetz wartet die Reeser Kämmerei noch auf ein Zeichen aus Düsseldorf, was aber bei einer möglichen Fortführung wohl den Haushalt 2022 retten sollte. Denn die Stadt Rees kratzt gerade so an der Marke, dass noch eben die Haushaltssicherung vermieden werden kann.
Dunkle Wolken ziehen in den Ausführungen des Kämmerers auf, wenn er in die weitere Zukunft blickt. „Doch warum stürzen wir auf einmal so ab“, fragte Mai in die Runde, ehe er seine Frage selbst beantwortete. „Wir merken gerade, dass gerne im Bund oder im Land Gesetze beschlossen werden, die wir hier vor Ort bezahlen müssen.“
Anspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen
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Ein wichtiger Punkt sei der neue Anspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen. Hier legte Mai den Finger schonungslos in die Wunde. Bei solchen Sachen würde es wie immer zwar eine Anschubfinanzierung geben, aber allein die baulichen Maßnahmen seien überhaupt nicht machbar. Wobei Mai hier nicht explizit die finanzielle Belastung meinte, sondern den aktuell herrschenden Notstand auf dem Bausektor. Seiner Meinung nach sei es „unmöglich“ an allen Grundschulen in der gesamten Bundesrepublik innerhalb von fünf Jahren die baulichen Voraussetzungen zu schaffen, um einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung zu gewährleisten. Daher müsse vermutlich auf temporär begrenzte Notlösungen wie Container-Räumlichkeiten zurückgegriffen werden.
Erhöhung der Kreisumlage muss von Reeser Bürgern finanziert werden
Doch vor allem im finanziellen Bereich seien die Auswirkungen katastrophal für den städtischen Haushalt. „Wir haben vom Kreis Kleve die Mitteilung für die Kreisumlage bekommen, wobei diese allein bei der Jugendamtsumlage mittelfristig um 1,5 Millionen Euro höher sein wird, die wir als Reeser Bürger finanzieren müssen“, legte Mai konkrete Zahlen vor. „Wir tun alles, um einen ordentlichen Haushaltsvorschlag hinzubekommen, aber das sind schon mal die Aussichten und die sind nicht rosig.“
Bürgermeister ist etwas optimistischer als der Kämmerer
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Bürgermeister Christoph Gerwers meinte, dass es wohl in der Natur des Amtes liege, dass Kämmerer eher etwas pessimistisch in die Zukunft blicken würden. Er und andere Kollegen in der Verwaltung „sind etwas optimistischer“. So geht das Reeser Stadtoberhaupt davon aus, dass der Jahresabschluss für 2020 besser sein wird, als ursprünglich geplant. Auch seien die Signale aus dem Landtag so, dass das Corona-Isolierungsgesetz auf jeden Fall für 2022 verlängert werde. Gleichwohl habe die Landesregierung auch klar gemacht, dass Doppel-Haushalte nicht weiter gefahren werden dürfen, da das Corona-Isolierungsgesetz auch nur noch für 2022 verlängert werde und nicht darüber hinaus.
„Wir müssen mal gucken, wo wir schließlich landen werden und welche Maßnahmen wir noch streichen können, obwohl wir da eigentlich schon am Ende der Fahnenstange angekommen sind“, sagte Gerwers. „Wir sind eigentlich recht sicher, dass wir ein Haushaltssicherungskonzept für 2022 vermeiden können. Aber wir sind kurz davor“.
>>>Bürgermeister appelliert an Fraktion
Das Damoklesschwert der Haushaltssicherung schwebt dann auch über den Köpfen der Ratsmitglieder, wenn über den Haushalt 2022 beraten wird. „Ich kann nur darum bitten, dass die Fraktionen dann auch sehr maßvoll und vorsichtig agieren“, so Bürgermeister Christoph Gerwers. „Sondernummern und Späße können wir uns nicht mehr erlauben.“
Die Einbringung des Haushalts ist dann vermutlich für die letzte Sitzung des Rates in diesem Jahr geplant. Eventuell könnte die Einbringung auch schon in der November-Sitzung erfolgen, wobei das von der Entwicklung in den kommenden Wochen abhängen wird.