Emmerich. Vier Leiharbeiter-Sammelunterkünfte in Emmerich sind unbewohnbar. Die Stadt berichtet, welche ekeligen und gefährlichen Dinge vorgefunden wurden.

Viele von ihnen hatten Angst. Denn plötzlich standen am Sonntagmorgen um 8 Uhr rund 50 Personen mit der Polizei vor ihren Häusern. Daher ging es bei der Großrazzia in vier Sammelunterkünften erstmal darum, den osteuropäischen Arbeitsmigranten zu vermitteln, dass sie nichts falsch gemacht hatten. Es galt Missstände in den Unterkünften aufzudecken. Den sogenannten Uitzendbureaus, den niederländischen Zeitarbeitsfirmen, geht es an den Kragen.

Was die Teams der grenzüberschreitenden Kontrolle vorfanden, war „erschreckend“, wie Bürgermeister Peter Hinze in einer Pressekonferenz am Montag sagte. Die baulichen und hygienischen Mängel, die man vorfand, seien derart gravierend, dass die Nutzung aller vier Unterkünfte untersagt wird, so Nicole Bartsch, bei der Stadt zuständig für die Bauordnung. 21 Personen wurden sofort in andere Unterkünfte gebracht. Denn ein Objekt wurde sofort geräumt, ein weiteres zum Teil. In einem dritten wurden Räume zum Teil versiegelt. Bis Ende der Woche werden alle vier Unterkünfte geräumt sein.

Schimmel, Ungeziefer, teils keine Heizung

Dieses Zimmer einer Leiharbeiter-Unterkunft in Emmerich hat keine Heizung. Stattdessen wir mit einem Raclette-Grill geheizt.
Dieses Zimmer einer Leiharbeiter-Unterkunft in Emmerich hat keine Heizung. Stattdessen wir mit einem Raclette-Grill geheizt. © Unbekannt | Stadt Emmerich

Überall schwarzer Schimmel, Kakerlaken und anderes Ungeziefer, tot und lebendig. Eine Heizung gibt es zum Teil nicht, alternativ wurde etwa mit einem Raclette-Grill für Wärme gesorgt. Ein völlig versauter Herd wird immer noch zum Kochen genutzt. „Wir haben ein frisch gerupftes Huhn offen herumliegend gefunden, und daneben stand ein Eintopf“, berichtet Bartsch. Häufig fand das ganze Leben in einem Zimmer statt, sämtliche elektrischen Geräte wurden über eine Mehrfachsteckdose mit Strom versorgt.

Sammelunterkünfte: So leben die Emmericher Arbeitsmigranten

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Dieser Wintergarten ist mit schwarzem Schimmel befallen.
Dieser Wintergarten ist mit schwarzem Schimmel befallen. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
In der Decke und in der Wand gibt es hier Risse.
In der Decke und in der Wand gibt es hier Risse. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Die Feuerwehr hat provisorisch eine Holztreppe gestützt, die nicht mehr stabil ist.
Die Feuerwehr hat provisorisch eine Holztreppe gestützt, die nicht mehr stabil ist. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Auf engstem Raum richten sich Leiharbeiter in ihren Zimmern ein. Dieses Dachgeschosszimmer ist nicht genehmigt. Die Feuerwehr könnte im Brandfall den Bewohner nicht bergen.
Auf engstem Raum richten sich Leiharbeiter in ihren Zimmern ein. Dieses Dachgeschosszimmer ist nicht genehmigt. Die Feuerwehr könnte im Brandfall den Bewohner nicht bergen. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Die Razzia in Emmerich fand am Sonntag statt.
Die Razzia in Emmerich fand am Sonntag statt. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Der völlig versaute Herd wird noch zum Kochen benutzt.
Der völlig versaute Herd wird noch zum Kochen benutzt. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Totes Ungeziefer wurde hier in den Türrahmen gefegt.
Totes Ungeziefer wurde hier in den Türrahmen gefegt. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Die Außenanlagen sind zum Teil zugemüllt. Die Außenfassade aus Holz nicht gut verarbeitet. Wenn es hier brennt, dann richtig.
Die Außenanlagen sind zum Teil zugemüllt. Die Außenfassade aus Holz nicht gut verarbeitet. Wenn es hier brennt, dann richtig. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
An dem Klebestreifen kleben Schaben.
An dem Klebestreifen kleben Schaben. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Es handelte sich um eine grenzüberschreitende Razzia in Emmerich, an der auch niederländische Behörden beteiligt waren.
Es handelte sich um eine grenzüberschreitende Razzia in Emmerich, an der auch niederländische Behörden beteiligt waren. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Auf engstem Raum leben die Leiharbeiter in Emmerich.
Auf engstem Raum leben die Leiharbeiter in Emmerich. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Bürgermeister Peter Hinze (2.v.r.) war in Emmerich mit dabei, als die Razzia durchgeführt wurde.
Bürgermeister Peter Hinze (2.v.r.) war in Emmerich mit dabei, als die Razzia durchgeführt wurde. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Schimmel an der Decke.
Schimmel an der Decke. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Dieser Küchenboden ist von Schimmel befallen.
Dieser Küchenboden ist von Schimmel befallen. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Manche Räume haben keine Heizung. Hier wird mit einem Raclette-Grill geheizt.
Manche Räume haben keine Heizung. Hier wird mit einem Raclette-Grill geheizt. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Die Zusammenarbeit mit der Polizei lief hervorragend, so die Stadt Emmerich.
Die Zusammenarbeit mit der Polizei lief hervorragend, so die Stadt Emmerich. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Oftmals werden mehrere Geräte mit Mehrfachsteckdosen über eine Stromleitung versorgt.
Oftmals werden mehrere Geräte mit Mehrfachsteckdosen über eine Stromleitung versorgt. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Statt Tapete klebt Geschenkpapier an der Wand. Dahinter verbirgt sich Schimmel.
Statt Tapete klebt Geschenkpapier an der Wand. Dahinter verbirgt sich Schimmel. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Oftmals findet das ganze Leben in einem Raum statt.
Oftmals findet das ganze Leben in einem Raum statt. © Stadt Emmerich | Stadt Emmerich
Neben Geldern fand die Razzia in Leiharbeiter-Unterkünften am Wochenende in Emmerich statt.
Neben Geldern fand die Razzia in Leiharbeiter-Unterkünften am Wochenende in Emmerich statt. © dpa | dpa
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In einem Zimmer hatte sich ein Pärchen mangels Tapete Geschenkpapier an die Wand geklebt. Wer das Geschenk auspackt, fand den Schimmel: „Der Geruch in dem Zimmer war eine Mischung aus nicht gelüftet, Duftspray und Schimmel“, umschreibt es Bartsch.

Feuerwehr musste eine Treppe provisorisch stützen

Dieser Küchenboden einer Leiharbeiter-Unterkunft in Emmerich ist vom Schimmel befallen.
Dieser Küchenboden einer Leiharbeiter-Unterkunft in Emmerich ist vom Schimmel befallen. © (...) | Stadt Emmerich

Risse in den Wänden, eine einsturzgefährdete Treppe, die die Feuerwehr provisorisch gestützt hat, nicht genehmigte Dachgeschoss-Unterbringungen ohne eine Chance im Brandfall die Person zu bergen. Zugemüllte Außenbereiche grenzen direkt an schlecht verbaute Holzfassaden – wenn es hier mal brennt, dann richtig...

100 Euro pro Woche pro Person zahlen die Leiharbeiter häufig an Miete, um dann auf engstem Raum zusammengepfercht zu leben. Verstehen die oftmals aus ärmlichsten Verhältnissen stammenden Sinti und Roma, die hier wohnen, in welchen Bedingungen sie leben? Hinze: „Aus unserem westlichen Blickwinkel ist das oft gar nicht denkbar“, warb er um Verständnis. Die meisten der Leiharbeiter waren sehr kooperativ und zeigten sich froh, dass ihnen nun geholfen wird, so Hinze. Ihre Gehaltszettel zeigten viele bereitwillig vor.

Horizon-Gruppe für alle vier Unterkünfte zuständig

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„Wir hoffen, dass es sich bei den Uitzendbureaus herum spricht, dass man nicht machen kann, was man will“, sagte Hinze: „Wir haben heute einem Vertreter der Leiharbeitsfirma erklärt, dass es keine Kompromisse geben wird.“ Tatsächlich sind alle vier Unterkünfte durch Leiharbeitern der Horizon Groep bewohnt. Derzeit werden noch alle Befunde gesichtet. Dann werden sicherlich auf beiden Seiten der Grenze rechtliche Schritte eingeleitet.

Ministerin Ina Scharrenbach hatte weitere Aktionen dieser Art schon angekündigt. Es sei zwar ein enormer Aufwand, den federführend Nicole Bartsch mit ihrer Kollegin Lucie Palm koordiniert hatte, aber die Aktion sei ein voller Erfolg gewesen, so Hinze. „Ganz wichtig ist der Datenaustausch mit den Niederlanden“, nennt der Bürgermeister eine Schlussfolgerung aus der Aktion.

Erstmals so eine konzertierte, grenzüberschreitende Razzia

Dieser Herd wird von Leiharbeitern in Emmerich immer noch zum kochen genutzt.
Dieser Herd wird von Leiharbeitern in Emmerich immer noch zum kochen genutzt. © (...) | Stadt Emmerich

Im November, berichtet Bartsch, habe das Ministerium die Stadt Emmerich angesprochen, ob sie die Aktion koordinieren könne. Mitte Januar fiel die Entscheidung für die konzertierte Aktion. Das Arbeitsministerium war mit im Boot, die Bezirksregierung, die Steuerfahndung, der Kreis Kleve, die Gesundheitsbehörde, Feuerwehr, Polizei und eben die niederländischen Behörden.

Dr. Stefan Wachs, Erster Beigeordneter, hob nochmal die Bedeutung dieser Razzia hervor. Die Stadt sei kontinuierlich ordnungs- und baurechtlich damit beschäftigt, die Unterkünfte im Blick zu halten: „Wir als Stadt können ordnungsrechtlich einiges regeln, aber nicht alles. Deshalb ist diese behörden- und grenzüberschreitende Aktion so wichtig. Es ist zum ersten Mal in dieser Form gelungen.“

Aktuell 600 gemeldete Leiharbeiter

Totes Ungeziefer ist hier in einer Emmericher Sammelunterkunft für Leiharbeiter in den Türrahmen gefegt worden.
Totes Ungeziefer ist hier in einer Emmericher Sammelunterkunft für Leiharbeiter in den Türrahmen gefegt worden. © (...) | Stadt Emmerich

In der Spitze gab es in Emmerich bis zu 55 solcher Sammelunterkünfte, jetzt sind es noch 30. Es waren mal 670 gemeldete Leiharbeiter, aktuell sind es rund 600 – plus jeweils eine satte Dunkelziffer.

Bei der Razzia wurden 70 Leiharbeiter angetroffen: „Es hätte nach unseren Unterlagen auch 100 sein können“, so Bartsch. Womöglich kam manch ein Leiharbeiter von der Schicht zurück und fand ein amtlich versiegeltes Haus vor...