Emmerich. Verkehrswacht Kreis Kleve sieht für Radfahrer auf der Straße größere Gefahr als auf dem Radweg. Kritik aus der Politik und von etlichen Lesern.
Ein breites Echo hat es auf die Ankündigung der Stadt Emmerich gegeben, einige stark frequentierte Straßen in Emmerich von der Radwegnutzungspflicht zu befreien. Wie wir berichteten, dürfen Radfahrer in der Innenstadt an der Van-Gülpen-, Gerhard-Storm-, Hansa-, Speelberger- und der ‘s-Heerenberger-Straße sowie an der Ingenkampstraße in Hüthum nun wählen, ob sie auf dem Radweg oder auf der Straße fahren wollen.
Vielleicht sind Schulwege neu zu bewerten
Aus Sicht der Verkehrswacht im Kreis Kleve sollte man diese Maßnahme „kritisch hinterfragen“, sagt Norbert van de Sand. Er ist nicht zur 2. Vorsitzender sondern auch der Schulkoordinator der Verkehrswacht, der bei der Erstellung der sicheren Schulwege eingebunden wird. „Die Nutzung der Fahrbahn birgt eine größere Gefahr“, so seine erste Einschätzung. Die Situation müsse beobachtet werden, damit man Erfahrungen damit sammeln könne.
An den genannten Straßen liegen mehrere Schulen in Emmerich. Außerdem verlaufen die empfohlenen und eingeübten Schulwege an diesen Straßen. „Eventuell muss man die Lage neu bewerten“, meint van de Sand. Denn Schulwege sollten natürlich möglichst sicher sein.
Appell an die Eltern
Van de Sand erinnert auch an die aktuelle Pandemie: „Das Fahrrad ist das für Corona ungefährlichere Verkehrsmittel. Besser als Busfahrten! Man sollte alles daran setzen, die Radwege nicht gefährlicher zu machen.“
Kinder bis zu zehn Jahre sollten ohnehin den Radweg nutzen. Oder an anderen Stellen auch Gehwege, wo es keine Radwege gibt. Die Verkehrswacht richtet einen Appell an die Eltern: Sie sollen darauf achten, dass ihre Kinder mit Leuchtwesten unterwegs sind. Und die Beleuchtung am Fahrrad sollte regelmäßig überprüft werden. Darüber hinaus sollten Schüler besser auf dem Radweg fahren als auf der Straße, so van de Sand.
Erste Kritik aus der Politik
Auch die FDP in Emmerich kritisiert die Maßnahme zur Fahrradfreundlichkeit. „Bei aller Notwendigkeit zur Fahrradfreundlichkeit, hat das nun wirklich nichts mit Fahrradfreundlichkeit zu tun, sondern spielt mit der Sicherheit aller Beteiligten im Straßenverkehr“, meint der FDP-Vorsitzende Luca Kersjes. Gerade diese Straßen seien Hauptverkehrsstraßen in unmittelbarer Schulnähe und somit würde gerade mit der Sicherheit von Schülern gespielt werden nur um vielleicht in Zukunft als fahrradfreundliche Stadt zu gelten.
Kersjes fordert die Verwaltung und den Verwaltungschef Hinze dazu auf, diese Maßnahme zu überdenken: „Man muss nun wirklich kein Verkehrssicherheitsexperte sein, um zu sehen, dass wir uns hier auf einem Holzweg befinden.“ Die Stadt solle stattdessen den Fahrradfahrern eine gute Infrastruktur bieten. Dies bedeute auch sichere Radwege zu schaffen und eine Infrastruktur für Ladung von E-Bikes.
Überholverbot? Frank Jöris regt neues Schild an
Auch Frank Jöris, Vorsitzender der SPD in Elten, kann sich mit der neuen Handhabung nicht anfreunden. Als er davon las, „gruselte“ es ihm. Auch er könne hier keinen Schritt hin zu einer größeren Fahrradfreundlichkeit erkennen. Zudem merkt er an, dass an etlichen Straßen in Emmerich der nötige Abstand beim Überholen von Radfahrern (1,50 m) nicht eingehalten werden könne. Er bringt sogar ein Überholverbotsschild ins Gespräch, wo Autofahrer Radfahrer nicht überholen dürfen.
>> Stimmen zur Aufhebung der Radwegenutzung
Besonders auf der Facebook-Seite wird die Aufhebung der Radwegnutzungspflicht durchweg kritisiert. „Das kann man mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehen“, sagt zum Beispiel Edgar Kersten. „Das kann und muss man nicht verstehen. Wozu ist das gut?“, fragte Belinda Straetmans.
Ein Kommentator, der per Mail auf den NRZ-Kommentar am Samstag reagiert, begrüßt die Maßnahme der Stadt: „Viele dieser Straßen sind vom motorisierten Verkehr stark frequentiert. Na und? Wenn sich alle Verkehrsteilnehmer an die Regeln halten, passiert nichts. Nur Sie schreiben ja direkt selber, dass der Berufsverkehr eher ungeduldig ist. Heißt: er hält sich eben nicht an die StVo. Und dadurch kann es dann gefährlich werden. Und wenn es die Fahrbahnbreite eben nicht erlaubt mit 1,5 m Abstand zu überholen, dann hat der Verkehrsteilnehmer halt hinter dem Radfahrer zu bleiben“, findet Andreas Anschütz. Zudem lauerten auch Gefahren auf Radwegen, wenn diese zugeparkt oder im schlechten Zustand seien.
Er plädiert für ein Umdenken: Die Straße gehöre nicht allein dem motorisierten Verkehr. Für eine Verkehrswende brauche das Radfahren mehr Platz.
[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Emmerich, Rees und Isselburg. Den E-Mail-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]