Duisburg. Im Brandmauer-Streit kritisieren Duisburger Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen die CDU scharf. Ein CDU-Kandidat nennt die Kritik teils „scheinheilig“.
Nach der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD im Bundestag stehen Union und CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz in der Kritik, Alt-Kanzlerin Merkel wirft Merz Wortbruch vor. Der Brandmauer-Streit prägt nun auch den Wahlkampf in Duisburg. So hat der Abgeordnete Mahmut Özdemir (SPD) die Duisburgerinnen und Duisburger nach der Abstimmung vom Mittwoch in einem Instagram-Video dazu aufgerufen, „Haltung zu zeigen, wenn es darum geht, dass wir in unserem Land nicht mit ausländerfeindlichen, nicht mit rechtsextremen Kräften gemeinsame Sache machen“.
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Die CDU/CSU-Fraktion habe den „Pfad der demokratischen Parteien“ verlassen – wider besseres Wissen, gegen der Rat der Kirchen, so Özdemir. Der Antrag, mit dem die Union die Mehrheit mit der AfD gesucht habe, müsse „nahezu als Rechtsbeugung“ und „verfassungswidriges Sammelsurium von Ideen zur Migrationspolitik“ bezeichnet werden. Noch am Mittwochabend riefen Duisburger Jusos mit Grüner Jugend und Fridays for Future zu einer Protestkundgebung vor der Geschäftsstelle des CDU-Kreisverbandes am Lifesaver-Brunnen auf: „Die CDU zerschmettert die Brandmauer – und wir gehen auf die Straße! Unsere Demokratie darf nicht mit Füßen getreten werden.“
Lamya Kaddor zum CDU-Votum mit der AfD: „Sollte uns alle aufwecken“
„Die Brandmauer fällt“, warnt auch die erneut im Süd-Wahlkreis kandidierende Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor (Grüne) in einem Video: „Heute ist es passiert, dass die Konservativen für eigene Vorschläge mit Stimmen von Nazis, Faschisten und Rechten eine Mehrheit erlangt haben. [...] Das ist historisch. Das sollte uns alle aufwecken. Das sollte uns allen Angst machen.“
Kaddor appelliert, nicht „Scheindebatten“ über eine europarechtswidrige Abschottung und besonders harte Migrationspolitik zu führen, sondern nach Aschaffenburg adäquate Antworten zu finden auf die Frage: „Wie kann es dazu kommen, dass psychisch auffällige Menschen in der Öffentlichkeit schlimmste Verbrechen verursachen, Menschen töten? Was können wir dagegen tun?“
Björn Pollmer, Özdemirs CDU-Konkurrent um das Direktmandat im Duisburger Nord-Wahlkreis, sieht in der Empörung von SPD und Grünen auch wahlkampftaktisches Kalkül. Das zeige, „wie ohnmächtig sie beim Thema Migration sind“. Das Video des SPD-Innenpolitikers Özdemir nennt Pollmer „scheinheilig“. Als Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesinnenministerin hätte Özdemir „doch in den letzten Jahren sagen und initiieren können, was es braucht, um mehr innere Sicherheit zu schaffen“. Stattdessen hätten sich die Ampel-Parteien der Debatte verweigert und „keine konstruktiven Beiträge zur Asylpolitik“ gemacht. Schließlich gebe es den Antrag der Union zur Begrenzung der Zuwanderung seit September.
CDU-Kandidaten verteidigen Antrag und dessen Inhalt
Pollmer sagt ähnlich wie Merz zwar, er „bedauere, dass die AfD zugestimmt hat“, betont aber: „Es macht die richtige Sache nicht falsch, wenn die Falschen zustimmen.“ Er stehe „inhaltlich voll hinter dem Antrag. Es ist gut, wenn die CDU sich mit den Problemen der Leute beschäftigt und pragmatische Lösungen anstrebt.“ Obwohl Merz nach der Bluttat von Aschaffenburg seine bisherigen Beteuerungen ignorierte, keine Zufallsmehrheiten mit der AfD einzugehen, meint Pollmer: „Die Brandmauer zur AfD steht, und wir werden auch nach der Wahl nicht mit diesen Leuten zusammenarbeiten.“
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Auch Dennis Schleß, der CDU-Bundestagskandidat im Süd-Wahlkreis, versichert: „Ich stehe hinter der Entscheidung, den Antrag zu stellen und am Freitag zur Abstimmung zu bringen.“ Es sei „de facto falsch, dass die Brandmauer fällt, weil es mit der AfD ja gar keine Zusammenarbeit gab und gibt“. Die Kritik der Grünen und Sozialdemokraten sei gewissermaßen paradox: „Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass wir als Opposition ja nur dann Anträge stellen können, wenn die Regierungsparteien diesen zustimmen.“
Die CDU habe eigentlich einen Wahlkampf zur Wirtschaftspolitik führen wollen, nicht zur Asylpolitik. Dann aber habe Kanzler Olaf Scholz (SPD) „Abschiebungen ins Spiel gebracht und keine Taten folgen lassen“, kritisiert Schleß. „Aber die Menschen verlangen Antworten und Lösungen.“ Inhaltlich seien die Unionspläne nicht neu, sondern dem Wahlprogramm zu entnehmen. Im Kreisverband oder auf der Straße, im Wahlkampf, habe er zum Fünf-Punkte-Plan der CDU zur Verschärfung der Migrationspolitik nur breite Zustimmung wahrgenommen: „Ich habe noch keine einzige kritische Stimme dazu gehört.“
>> OB Link kritisiert Merz und wirbt für ehrliche Debatte
- Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) stimmte via Facebook und Instagram Angela Merkel zu: „Das bewusste In-Kauf-nehmen von rechtsextremen Stimmen war, ist und bleibt ein schwerer Fehler von Friedrich Merz.“
- Gleichwohl müsse über Migration, innere Sicherheit und das Zusammenleben in Deutschland „aus der Mitte der Gesellschaft heraus ehrlich diskutiert und offensichtliche Probleme gelöst werden. Da kann es auch aus meiner Sicht nicht so weitergehen wie in den letzten Jahren, auch schon weit vor der ,Ampel‘“.