Duisburg. Wie bereiten sich die Philharmoniker auf ein Konzert vor, wie formt der Dirigent das Orchester? Wir waren bei einer geschlossenen Probe mittendrin.
Dienstagabend, 19 Uhr, in der Duisburger Mercatorhalle: Kolophonium liegt in der Luft. Brandon Keith Brown guckt gleichzeitig streng und freundlich, irgendwie. „Jetzt klingt es eher so ‚woahb, woahb‘. Aber es muss so klingen: ‚Dah, dah!“ Die Damen und Herren vor ihm verstehen, Bleistifte fliegen über das Notenpapier. Die Duisburger Philharmoniker proben, für das sechste Philharmonische Konzert dieser Saison. Am Pult steht US-Amerikaner Brandon Keith Brown und gibt den Orchestermusikern bei der Generalprobe am Vorabend des Konzerts seine Gedanken zur dritten Sinfonie von Florence Price mit auf den Weg.
Und da darf man schon schmunzeln. Egal welches Niveau, egal welches Genre: Ensembleproben sind dann doch irgendwie immer gleich. Dynamik, Phrasierung und Akzentuierung machen die Musik und egal ob Schulaula oder Mercatorhalle, am Ende werden diese Dinge lautmalerisch vermittelt.
Generalprobe in der Mercatorhalle: Die Duisburger Philharmoniker sind auch nur Menschen
Da hören die Gemeinsamkeiten auch nicht auf, im Gegenteil. Zeitsprung, eine halbe Stunde vor „woahb“ und „dah“, die Musiker trudeln so langsam ein. Geben sich die Hand und reden über alles außer die Arbeit, die Abendgarderobe für morgen ist noch im Schrank, heute ist es ein Fall für Sneaker, Jeans und weite Pullis. Eine Geige atmet noch schnell ein Müsli weg, eine Posaune stellt die Colaflasche unter sein Notenpult. Ach guck. Die Philharmoniker sind ja auch nur Menschen.
Dann kommt der Maestro, untenrum Konzert, obenrum Party, zu Anzughose und Wingtips ein lockeres Polohemd. Und legt direkt los. „Mehr Groove, wie bei einem Tanz“, will er im vierten Satz, der bei dieser Probe der erste ist, „dam, dam, dam“, da ist die Lautmalerei wieder. Die Musiker machen, Brown peitscht die Triangel mit wackelnden Fingern an.
Duisburger Philharmoniker proben: So formt der Dirigent sein Orchester
Dann bricht er direkt wieder ab. „Bitte ein Des“, rät er einem Schlagwerker, „aber das habe ich doch gespielt“, erwidert der. Brandon Keith Brown guckt streng-freundlich. „Habe ich aber nicht gehört.“ Als Nächstes sind die Streicher dran, Crescendo zwei Takte, Diminuendo zwei Takte, und zwar immer an den Parallelstellen, nicht nur beim ersten Mal. Die Bleistifte fliegen wieder.
So wie er seinen Musikern die nötige Emotion über seine Mimik vermittelt, so kommt die Dynamik beim US-Amerikaner über seinen Körper – zusammengekauert gleich leise, aufrecht gleich laut. Manchmal hilft aber nur noch die direkte Ansage. „Da steht Mezzoforte. Behandelt das bitte wie Piano.“ Orchesterleiter dieser Welt hauen auf den Tisch und sagen, dass sie das doch schon immer gepredigt haben.
Sexy oder saxy? Auf jeden Fall Klarinette
Ein bisschen pingelig, der Gute, könnte man meinen. Man läge aber falsch. Ein und dieselbe Passage klingt nach Brando Keith Browns Ansagen sofort homogener, harmonischer im mehrfachen Sinne des Wortes. Die Detailarbeit, die heute geleistet wird, bekommt das Publikum nicht mit, wohl aber ihren Effekt. Brown lässt die Holzbläser eine einzelne Note halten und nickt zufrieden. Zuckerbrot braucht allerdings auch Peitsche, also: „Seid vorsichtig, dass euch der Ton nicht zu tief gerät.“
Dann lässt der Dirigent länger laufen, und als er abbricht, muss er selbst ein bisschen grinsen, Richtung Solo-Klarinette. „Kannst du das ein bisschen mehr wie ein Saxophon spielen? Ist das schlimm für Klarinettisten?“ Der Solist grinst auch und fragt zurück: „Was heißt das?“ Ein bisschen mehr sexy soll es klingen. Oder saxy. Da stößt das deutsch-englische Sprachwirrwarr, so charmant es auch ist, an seine Grenzen.
Dirigent formt Duisburger Philharmoniker: „Schmeckt die Noten!“
Die Holzbläser bleiben im Fokus, mehr Tenuto sollen sie spielen, „wie beim Beten in der Kirche am Sonntagmorgen“. Machen sie dann auch, und erst ist Brandon Keith Brown zufrieden, dann nicht mehr so. „Jetzt seid ihr zu spät.“ Blut abwischen, weitermachen, denn jetzt sind die Trompeter dran, die „jede Note schmecken sollen“. Wieder könnte man denken, dass der Dirigent es nun aber übertreibt mit den Anweisungen, und wieder läge man falsch. Kaum schmecken die Trompeter mal richtig hin, klappt das Zusammenspiel mit dem Glockenspiel viel besser als zuvor. Die Blechbläser dürfen sich wenig später aber auch mal freuen. „Posaunen, hört auf eure Freunde, die Trompeter“, rät Brown dem tiefen Blech. „Endlich mal“, raunt ein grinsender Trompeter.
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So kleinteilig und subtil, wie Brandon Keith Brown die Philharmoniker und ihre Version von Prices dritter Sinfonie formt, so gewaltig ist der Unterschied im Klang. Von diesem Weg bekommt das Publikum am Mittwoch und Donnerstag nichts mit, nur vom Ziel. Wenn es in der Mercatorhalle wieder nach Prosecco-Atem und zu viel teurem Parfum riecht. Und nicht mehr nach Kolophonium.
>> PHILHARMONISCHE KONZERTE IN DUISBURG
- Da sechste Philharmonische Konzert unter dem Titel „Silenced Black Voices“ gibt es am Mittwoch, 22. Januar, und Donnerstag, 23. Januar, in der Duisburger Mercatorhalle zu hören.
- Neben Brandon Keith Brown und den Duisburger Philharmonikern stehen als Solisten Taylor Raven (Mezzosopran) und Romuald Grimbert-Barré (Geige) auf der Bühne.
- Infos über und Karten für die verbleibenden sechs Philharmonischen Konzerte gibt es im Internet unter duisburger-philharmoniker.de.