Duisburg. Die juristische Aufarbeitung der Betrugsvorwürfe bei der Feuerwehr Duisburg hat begonnen. Welche brisanten Details der Prozess enthüllt hat.

War die fristlose Kündigung des Verwaltungsleiters der Duisburger Feuerwehr rechtens? Der Betroffene, der wegen Betrugsverdachts seit Mitte Juli nicht mehr im Dienst der Stadt ist, hält das Vorgehen gegen seine Person für falsch, klagte dagegen vor dem Arbeitsgericht.

Nach einem ergebnislosen Gütetermin im September widmete sich jetzt in einem Kammertermin die Vorsitzende des Arbeitsgerichts, Anja Ulrich, gemeinsam mit zwei ehrenamtlichen Richtern der Klärung dieser Frage.

Betrugsverdacht bei der Feuerwehr: Was wirft die Stadt Duisburg ihrem Verwaltungsleiter vor?

Wie berichtet, wirft die Stadt Duisburg ihrem Verwaltungsleiter vor, Überstunden nicht korrekt angegeben zu haben. Außerdem soll während einer privaten Dozententätigkeit die dienstliche Arbeitszeiterfassung weiter gelaufen sein. Dadurch sei der Stadt ein finanzieller Schaden entstanden.

Beim Kammertermin machte die Direktorin des Arbeitsgerichts Duisburg, Anja Ulrich, schnell deutlich, dass sie und die ehrenamtlichen Richter diese Einschätzung teilen. Der Verwaltungsleiter habe sich verschiedene Verhaltensverstöße geleistet: Doppelabrechnungen, nicht erfasste Wegezeiten und die Auszahlung von Überstunden „in ganz erheblichem Umfang“.

Deshalb wies sie die Klage gegen die Kündigung ab. Die fristlose Kündigung zum 15. Juli sei wirksam, das Arbeitsverhältnis aufgelöst.

Überstunden vorgespiegelt, die nicht geleistet wurden?

Der Leiter der Abteilung Verwaltung und Organisation ist seit 1996 bei der Stadt beschäftigt. Als Tarifbeschäftigter sei er verpflichtet, seine Arbeitszeit zu erfassen, betonte die Kammer-Vorsitzende. Stattdessen habe er 2024 an 26 Tagen für 50 Stunden und 54 Minuten die Uhr doppelt laufen lassen, 2023 an 72 Tagen 165 Stunden. Weil er beim Studieninstitut einen zu hohen Stundenlohn abgerechnet habe, seien ihm über 15.000 Euro unrechtmäßig vergütet worden.

Hier wird es ein bisschen kompliziert. Denn für die genehmigte nebenberufliche Dozententätigkeit bei dem ebenfalls zur Stadt gehörenden Studieninstitut gibt es unterschiedliche Stundensätze: Wird sie innerhalb der Hauptarbeitszeit geleistet, die in Gleitzeit absolviert werden kann, bekommt ein Seminarleiter 25 Euro, außerhalb dieser Zeit 32 Euro. Dem Verwaltungsleiter wird vorgeworfen, dass er den höheren Stundensatz abrechnete, obwohl die Zeiterfassung für sein Hauptamt weiterlief. „Damit hat er Arbeitszeit und sogar Überstunden vorgespiegelt, die er nicht geleistet hat“, folgerte Ulrich.

Amtsleiter Oliver Tittmann soll eine 24/7-Einsatzbereitschaft erwartet haben

Der Verwaltungsleiter betonte in der Verhandlung, dass sein Job kein normaler sei, „ich war immer erreichbar“. Die tarifrechtlichen Rahmenarbeitszeiten galten nach seiner Einschätzung für Funktionen bei der Feuerwehr nicht. Amtsleiter Oliver Tittmann habe eine „24/7-Einsatzbereitschaft“ erwartet.

Anja Ulrich (Direktorin des Arbeitsgerichts Duisburg) und die zwei ehrenamtlichen Richter der Kammer beim Prozess am Mittwoch.
Anja Ulrich (Direktorin des Arbeitsgerichts Duisburg) und die zwei ehrenamtlichen Richter der Kammer beim Prozess am Mittwoch. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Der Verwaltungsleiter ist Anfang 50, trägt Sakko. Nervös putzt er seine Brille, schüttelt bei den Ausführungen der Kammer immer wieder dezent den Kopf. Wegezeiten, so argumentiert er, habe es nicht immer gegeben, weil viele Seminare online stattfanden. Ansonsten habe er sich auf den Wegen zum Studieninstitut nicht ausgestempelt, weil er die Zeit für dienstliche Telefonate genutzt habe  und im Übrigen „jederzeit erreichbar gewesen sei“.

Wegen vieler nächtlicher E-Mails oder sonntäglicher Anfragen habe er den Überblick verloren und teilweise ganze Monate im Nachhinein nachgetragen. Tittmann als Vorgesetzter habe signalisiert, das sei ok und werde geduldet. Eine Dokumentation dieser Verabredung gebe es allerdings nicht und da der Verwaltungsleiter seit der Kündigung keinen Zugriff auf Dienstrechner, Handy oder Server habe, könne er seine Einsätze nicht belegen.

Informiert über den Eklat bei der Feuerwehr: Auch die Kammer „liest Zeitung“

Dass es Unstimmigkeiten bei der Amtsführung gibt, sei auch der Kammer klar, „wir lesen Zeitung“. Dennoch würde für ihn keine Vertrauensarbeitszeit gelten, so die Vorsitzende Richterin. Die beschriebene Mehrarbeit mache das Fehlverhalten bei der nicht korrekt dokumentierten Arbeitszeit nicht wett. War es „Schludrigkeit“, die zu dieser nicht korrekten Dokumentation führte, wollte er sich Vorteile verschaffen? Der Kammer sei bei der Vorberatung aufgefallen, dass die Tätigkeitsnachweise für das Studieninstitut „sehr sorgfältig ausgefüllt“ waren.

Im Grunde sei Tittmann seiner Kontrollfunktion nicht nachgekommen, wollte der Verwaltungsleiter den schwarzen Peter weiterschieben. Darauf konterte die Richterin, dass für die Arbeitszeiterfassung er selbst zuständig gewesen sei. Abgesehen davon habe er als Führungskraft eine Vorbildfunktion. Die Vertreterin der Stadt ergänzte, dass der Amtsleiter „kein Firmenchef ist, sondern ein Angestellter, der der Wirtschaftlichkeit verpflichtet ist“.

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Stadt Duisburg: Keine gütliche Einigung möglich

Dass die Stadt als Arbeitgeberin die Arbeitszeit seines Mandanten ausgewertet hat, ohne den Personalrat zu beteiligen, hätte zu einem Arbeitszeit-Auswertungsverbot führen müssen, argumentierte Rechtsanwalt Simon Pake. Das ließ Richterin Anja Ulrich nicht gelten, sie zitierte eine Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: „Ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Verpflichtung, korrekt die Arbeitszeit zu dokumentieren, sei ein wichtiger Grund zu kündigen.“

Die Vertreter der Stadt machten jedenfalls sehr deutlich, dass „das Verhältnis zum Amtsleiter und der Gesamtkomplex uns daran hindert, eine gütliche Einigung zu treffen“.

Im Arbeitsgericht Duisburg wurde am Mittwoch der erste Prozess rund um den Betrugsvorwurf in der Feuerwehr Duisburg verhandelt.
Im Arbeitsgericht Duisburg wurde am Mittwoch der erste Prozess rund um den Betrugsvorwurf in der Feuerwehr Duisburg verhandelt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

>>Wie geht es jetzt weiter?

Wenn eine Kammer ein Urteil gesprochen hat, wird es den Parteien kurz danach schriftlich zugestellt. In der Regel können die Parteien dagegen Berufung einlegen, dann wäre das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf zuständig. Eine entsprechende Belehrung gehört zum Urteil dazu.

Abgesehen von der arbeitsrechtlichen Ebene läuft weiterhin ein strafrechtliches Verfahren gegen den Amtsleiter und seinen Verwaltungsschef, das LKA ermittelt. Das Korruptionsbekämpfungsgesetz sieht diesen Schritt vor, wenn es um mutmaßliche Betrugsdelikte im öffentlichen Dienst geht.