Duisburg. Betrugsvorwürfe führten zur Beurlaubung des Duisburger Feuerwehr-Chefs. Wofür er Steuergelder genutzt haben soll. Und was Kameraden sagen.

Jetzt muss die Feuerwehr erst mal bei sich selbst löschen. An Tag 2 nach der sofortigen Beurlaubung von Feuerwehr-Chef Oliver Tittmann in Duisburg (wir berichteten) hat sich der Rauch längst nicht gelegt. Im Gegenteil, unterschiedlichste Infos wirbeln durch Feuerwehrkreise und die Stadtverwaltung.

Die Stadt stimmt aktuell mit dem Rechtsamt zwei Strafanzeigen an das Landeskriminalamt NRW ab, sagt Stadtsprecherin Anja Kopka. Sie richten sich gegen Tittmann und gegen den Verwaltungsleiter der Feuerwehr. Dem Verwaltungsleiter wurde schon vor Wochen fristlos gekündigt. Wegen des schwebenden Verfahrens könne man hierzu nichts sagen, so die Leiterin des Presseamtes. Aus Feuerwehrkreisen ist allerdings zu hören, dass der Verwaltungsleiter dagegen geklagt hat und es bereits einen ersten Termin vor dem Arbeitsgericht gegeben habe.

Zieht dieser Eklat weitere Kreise? Es hängt von den Ermittlungsergebnissen ab, ob die Stadt weitere Maßnahmen ergreifen will, sagt Kopka: „Wir gehen allen Hinweisen nach und werden, wenn es geboten ist, weitere Schritte einleiten.“

Beurlaubter Duisburger Feuerwehrchef Oliver Tittmann: Um diese Betrugsvorwürfe soll es gehen

Was Tittmann überhaupt vorgeworfen wird, will die Stadt im Detail nicht erklären, weil alles „Bestandteil einer juristischen Aufarbeitung“ sein werde. Laut Kopka haben sich seit Anfang September Hinweise zu einem Sachverhalt ergeben, die das Rechnungsprüfungsamt daraufhin gezielt aufarbeite.

Stadt- und OB-Sprecherin Anja Kopka leitet das Duisburger Amt für Kommunikation.
Stadt- und OB-Sprecherin Anja Kopka leitet das Duisburger Amt für Kommunikation. © Stadt Duisburg | Zoltan Leskovar

Aus Feuerwehrkreisen ist indes zu hören, dass es um dienstlich abgerechnete Urlaubsreisekosten gehen soll sowie Bekleidung und Angelutensilien, außerdem um Computer und elektronische Markenprodukte, die für einen fünfstelligen Betrag auf Feuerwehrkosten angeschafft wurden, aber nirgends aufzufinden sein sollen. Ein Betrugsvorwurf im Rahmen von Überstunden-Vergütungen steht ebenfalls im Raum.

Ungereimtheiten soll es auch rund um eine Personalie in einem Duisburger Hotel geben. Dieses habe auf Bitten des beurlaubten Feuerwehrchefs einen jungen Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr beschäftigt. Dafür seien über 25.000 Euro aus der Stadtkasse überwiesen worden. Abgerechnet worden sei die Summe demnach mit einer fingierten Rechnung über Tagungs- und Übernachtungskosten, als sachgerecht abgezeichnet angeblich von Tittmann.

Von diesem Fall gibt es aber auch eine andere Version. Sie bezieht sich auf das übliche Verfahren, wenn Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr vom Job aus in ihr Ehrenamt springen und Feuer löschen, statt zu arbeiten. Arbeitgeber zahlen in solchen Situationen zwar das Gehalt weiter, können sich das Geld für die entgangene Arbeitsleistung aber von der Stadt rückerstatten lassen. Das soll auch bei dem Hotel-Mitarbeiter der Fall gewesen sein. Die hohe Summe sei zustande gekommen, weil es während der Coronapandemie auch längerfristige sogenannte „Arbeitnehmerüberlassungen“ gab.

Die Feuerwehr ein „Selbstbedienungsladen“?

Die Stimmung in der Berufs- und Freiwilligen Feuerwehr ist sehr kontrovers. Viele, die ihrem Chef weiter die Stange halten, fragen sich, warum er jetzt öffentlich nahezu „verbrannt“ werde. Für sie ist er „der Problemlöser der Stadt, einer, der in seiner Amtszeit die Feuerwehr exzellent nach vorne gebracht hat“.

Chefs beim Katastrophenschutztag
Beim ersten Duisburger Katastrophenschutztag vor einer Woche eröffnete Feuerwehrchef Oliver Tittmann die Premiere gemeinsam mit Oberbürgermeister Sören Link und Stadtdirektor Martin Murrack. © WAZ | Annette Kalscheur

Andere sagen, dass es längst Zeit war, seine Art des „Durchregierens“ zu stoppen, die Feuerwehr sei in den letzten Jahren zu einem „Selbstbedienungsladen“ mutiert.

Zu hören ist, dass Tittmann mehrere Wochen Zeit gehabt habe, zu Fragen des Rechnungsprüfungsamtes Stellung zu beziehen. Diese Chance habe er aber nicht genutzt. Nachfragen beim Betroffenen selbst laufen ins Leere, das Handy bleibt stumm.

Schon früher Vorwürfe des Rechnungsprüfungsamtes gegen die Feuerwehr

Das Rechnungsprüfungsamt (RPA) hat die Feuerwehr nicht zum ersten Mal auf dem Kieker. Nach der Ukrainekrise verfasste das Amt 2022 einen umfangreichen Bericht, lobte zwar das Engagement, zog aber auch ein hartes Fazit: „Lückenhafte Dokumentation, mitunter schwer nachvollziehbare Beauftragungen und Leistungserbringungen, offensichtliche und zum Teil schwerwiegende Verstöße gegen Vergabe- und Haushaltsrecht belasten das im Ergebnis erfolgreiche Handeln der hier federführenden Feuerwehr ebenso wie den Haushalt der Stadt Duisburg. Der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit wurde vielfach nicht beachtet.“

Damals ging es unter anderem um Gelder einer Handkasse, für die vielfach Belege fehlten. Auch Verstöße gegen den Ehrenkodex kritisierte das RPA.

Stadt verordnet Feuerwehr eine Stelle „Projektcontrolling und Qualitätssicherung“

Die Stadt, die sich damals nicht äußern wollte, weil der Bericht nur in nicht-öffentlichen Sitzungen mit der Politik diskutiert wurde, erklärt jetzt auf Anfrage, dass seinerzeit „Vergabeabläufe mit lageabhängigen Verfahren (Krise / Regelbetrieb) reorganisiert und eine neue Dienstanweisung für den Krisenstab entwickelt“ wurde.

Seither müssten „auch bei sofortigen Beschaffungen nachvollziehbare Dokumentationen sichergestellt“ werden. Einige Funktionen wurden damals neu besetzt, Konzepte optimiert. Seit Januar 2024 sei dem Amtsleiter außerdem „eine Stelle mit Schwerpunkt Projektcontrolling und Qualitätssicherung“ zur Seite gestellt worden.

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Rechnungsprüfungsamt ermittelt im eigenen Haus

Oliver Tittmann wäre nicht der erste städtische Mitarbeiter, der nach Ermittlungen des Rechnungsprüfungsamtes zu Fall kommt. 2010 stürzte die Chefin des zentralen Einkaufs wegen Unregelmäßigkeiten im Umgang mit einer städtischen Kreditkarte.

Auch da hatten Mitarbeiter anonyme Hinweise gegeben. Der Schaden, der auf private Einkäufe zurückzuführen sein sollte, soll damals rund 10.000 Euro betragen haben.

Personalrat in die Untersuchungen involviert

Die Stadtverwaltung betont, dass bei den beiden Feuerwehr-Mitarbeitern die Arbeitnehmerrechte gewahrt worden seien, der Personalrat sei in die Entscheidungen einbezogen worden. Personalrat Valentino Tagliafierro will sich öffentlich allerdings nicht äußern. Grundsätzlich darf ein Arbeitgeber bei dem Verdacht auf konkrete Straftaten auf Dienstrechner auch ohne Einverständnis von Betriebs- oder Personalrat zugreifen.