Duisburg. Bewohner eines Stadtteils finden oft giftigen Müll auf Wiesen. Jetzt ist ein Pferd daran gestorben. Kein Einzelfall. Die Familie hat eine Idee.

Familie Wiest ist „völlig fertig“. Martin Wiest, seine Frau und ihre Kinder halten auf den Wiesen rund um ihr Haus in Duisburg-Baerl vier Pferde, die fest zur Familie gehören. Doch eines von ihnen ist vor kurzem qualvoll gestorben. „Die Stute war erst 15 Jahre alt und ein kerngesundes Pferd, das bestimmt noch 15, 20 Jahre gehabt hätte“, sagt Martin Wiest.

Er geht davon aus, dass das Tier giftige Pflanzen gefressen hat, die illegal an seiner Wiese entsorgt wurden. Es sei längst kein Einzelfall im Stadtteil: „In Baerl werden immer wieder einfach Grünabfälle entsorgt, die für Tiere extrem gefährlich sind.“ Und oft fällt es erst auf, wenn es zu spät ist – so wie in seinem Fall.

Stute in Duisburg wohl an Vergiftung gestorben: „Sie fing an zu schwitzen“

Die Familie bekam die Stute vor neun Jahren und taufte sie auf den Namen Elsa. Ihre Leidensgeschichte begann am 10. September. „Sie fing an zu schwitzen, hat hyperventiliert und hatte einen harten Bauch.“ Am nächsten Morgen ist die Familie mit Elsa zur Pferdeklinik am Uettelsheimer See gefahren.

Martin Wiest, seine Frau und Kinder halten Pferde auf Wiesen neben dem Haus. Sie gehören zur Familie (von links): Hope, Jack und Elsa.
Martin Wiest, seine Frau und Kinder halten Pferde auf Wiesen neben dem Haus. Sie gehören zur Familie (von links): Hope, Jack und Elsa. © Martin Wiest | Martin Wiest

Das Tier kam auf die Intensivstation, bekam eine Infusion und Medikamente. Die Ärzte kontrollierten den Mageninhalt, fanden aber nichts Auffälliges. Die Stute stabilisierte sich und kam in eine Box.

„Gesund war sie nicht. Sie wollte nachher gar nicht mehr fressen, wir mussten sie über eine Spritze ernähren“, sagt Wiest. Doch zumindest konnte sie wieder auf die heimische Wiese an der Schulstraße in Baerl zurück. Aber nur für wenige Tage.

Stute Elsa musste eingeschläfert werden – genaue Ursache unklar

Am 27. September fuhr die Familie erneut zur Klinik. Einen Tag später musste der Baerler um 21.30 Uhr eine Schocknachricht am Telefon verdauen. Der Arzt rief an und sagte, dass er das Tier einschläfern muss. „Das Tier hatte Atemnot, war nass geschwitzt und wäre wenige Stunden später erstickt. Das war richtig schlimm.“

Bis heute sei die genaue Ursache nicht ganz klar. Die Leber- und Muskelwerte seien in Ordnung gewesen. Die Ärzte seien zu dem Schluss gekommen, dass das Tier wohl an einer Vergiftung gestorben ist. Aufgefallen sei das zunächst nicht, weil das Gift erst wirke, wenn die Pflanzen verdaut sind.

Spurensuche: Wer hat giftige Abfälle in der Natur abgeladen?

Wiest begann mit der Spurensuche. Der 46-Jährige kontrollierte seine Wiesen noch einmal komplett – und fand dabei wohl den Übeltäter: angeknabberte Eiben und Hortensien. Viel war es nicht, „eine, vielleicht zwei Schubkarren“. Aber Tiere können schon an kleinen Mengen der giftigen Eiben sterben. Auch Hortensien können große Schäden anrichten.

Seine Frau und er klingelten bei allen Nachbarn, die die Pflanzen im Garten haben. Niemand habe zugegeben, die Abfälle an der Wiese abgeladen zu haben. Deswegen bleibt er nun auf den Tierarztkosten von rund 6000 Euro sitzen. Es sei denn, die Polizei findet den Täter, denn Wiest hat nachträglich eine Strafanzeige gestellt.

Martin Wiest hat giftigen Grünschnitt an seiner Wiese gefunden und die Stellen mit Fähnchen markiert.
Martin Wiest hat giftigen Grünschnitt an seiner Wiese gefunden und die Stellen mit Fähnchen markiert. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

„Es muss ja nicht böswillig gewesen sein“, meint der hauptberufliche Feuerwehrmann. „Wahrscheinlich wusste derjenige einfach nicht, dass die Pflanzen für Tiere giftig sind.“ Trotzdem muss sich etwas ändern, meint Wiest. Denn dass Menschen ihre Gartenabfälle an Wald und Wiesen abladen statt im Recyclinghof, sieht er oft.

„Manche Leute packen ihre Schubkarren voll, fahren über die Gleise und entladen alles im Baerler Busch.“ Daran seien schon einige Tiere gestorben. Wiest erinnert sich, dass es vor einigen Jahren drei Kühe eines befreundeten Bauers traf.

Müllproblem in Baerl: Landwirt beklagt neun tote Schafe

Kevin Staats aus Baerl beklagt ebenfalls Todesfälle. Er arbeitet nebenberuflich auf dem Hof seines Vaters, der rund 100 Schafe und 40 Rinder hält. Dieses Jahr sind zwei seiner Schafe gestorben, vergangenes Jahr waren es sieben. Auch daran seien illegal abgeladene Grünabfälle schuld. Eiben finde er häufig. „Ein Speisfass Hecke und Kirschlorbeer hatte ich auch schon auf der Wiese liegen.“

Auch er will nicht jedem, der Grünbschnitt illegal entsorgt, direkt untererstellen, dass er damit Tiere töten will. „Manche Leute denken sogar, sie tun den Tieren etwas Gutes, wenn sie ihnen Grünabfälle hinschmeißen.“ Doch die Unwissenheit erschreckt ihn – und das Ausmaß ebenso.

Neben Grünschnitt sieht er Müll und ganze Möbel, Reifen, Fliesen und Bauschutt in der Natur. „Ich kann jede Woche durch das Binsheimer Feld gehen und finde immer etwas Neues.“ Der Baerler arbeitet hauptberuflich bei der Entwässerungs-Genossenschaft Lineg, ist daher viel in der Natur am Niederrhein unterwegs und sieht, dass es das Problem auch anderswo gibt: „Moers, Homberg, Rumeln – überall kippen die Leute ihren Müll einfach weg.“

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Polizei Duisburg: „Kaum bis gar keine“ Anzeigen liegen vor

Wer Gartenabfall in der Natur und nicht in der Biotonne, auf dem eigenen Komposthaufen oder im Recyclinghof entsorgt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Sterben dadurch Tiere, kann auch die Polizei ermitteln. „Oft werden solche Fälle aber nicht angezeigt“, sagt Polizeisprecherin Ronja Baerecke, „weil viele glauben, dass die Täter sowieso nicht gefasst werden“. Daher liegen der Behörde „kaum bis gar keine“ Anzeigen aus der jüngeren Vergangenheit vor.

„Der Stadtteil Baerl ist kein Brennpunkt für wilde Kippen. Im gesamten Stadtgebiet und somit auch in Baerl gibt es leider illegale Abfallablagerungen.“

Silke Kersken
Sprecherin der Wirtschaftsbetriebe Duisburg

Häufiger liegt das Thema daher bei der Stadt und den Wirtschaftsbetrieben Duisburg (WBD). Wie oft Grünschnitt in Duisburg verbotenerweise abgeladen wird, wissen die WBD jedoch nicht. „Es gibt keine Statistik zur illegalen Entsorgung nur von Gartenabfällen“, sagt Sprecherin Silke Kersken. Grünschnitt, Sperrmüll und andere Arten von illegal entsortem Abfall fassen die WBD unter „wilde Kippen“ zusammen.

Werden solche wilden Kippen gemeldet, schalten die WBD die Abfallaufsicht ein, wie Kersken erklärt. Die Aufsicht versuche, vor Ort den Verursacher zu ermitteln. „Falls kein Verursacher ermittelt werden kann, werden die Abfälle durch die Wirtschaftsbetriebe entsorgt.“

Wirtschaftsbetriebe: Wilde Müllkippen gibt es in der ganzen Stadt

Auf dem ganzen Stadtgebiet seien 2023 insgesamt 296 Bußgelder wegen der wilden Kippen erhoben worden. Dieses Jahr seien es bisher schon 565 Strafen. Bei der Höhe der Geldstrafe unterscheidet die Stadt Duisburg zwischen Menge und Art der abgelagerten Abfälle. Wird man erwischt, werden zwischen 60 und 1600 Euro fällig. Oder noch mehr, wenn Verursacher mehrmals erwischt werden oder besonders viel abladen.

Die WBD-Sprecherin meint jedoch, dass es das Problem nicht nur im Duisburger Nordwesten gibt: „Der Stadtteil Baerl ist kein Brennpunkt für wilde Kippen. Im gesamten Stadtgebiet und somit auch in Baerl gibt es leider illegale Abfallablagerungen.“

Hilft ein mobiler Container in Baerl?

Martin Wiest sieht jedoch in Baerl ein besonderes Problem. Der nächste Recyclinghof liegt in Bergheim, für viele Baerler also rund zehn Kilometer oder noch mehr entfernt. „Gerade für ältere Leute ist das zu weit“, meint er. Und den näheren Betriebshof in Moers dürfen Duisburger nicht anfahren.

Martin Wiest schlägt vor, regelmäßig einen mobilen Container in Baerl aufstellen zu lassen.
Martin Wiest schlägt vor, regelmäßig einen mobilen Container in Baerl aufstellen zu lassen. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Um das zu lösen, hat der 46-Jährige einen Vorschlag. Die Wirtschaftsbetriebe sollten einmal im Monat oder zumindest vierteljährlich einen mobilen Container in Baerl aufstellen. „Mitarbeiter bewachen ihn zum Beispiel von 9 bis 17 Uhr und bringen einen neuen Container, wenn einer voll ist“, so die Idee.

Container-Vorschlag: Wirtschaftsbetriebe haben Bedenken

Doch die Wirtschaftsbetriebe haben Bedenken: „Ohne eine konstante Überwachung besteht die Gefahr, dass nicht nur Gartenabfälle, sondern auch andere unerwünschte Abfallarten dort entsorgt werden“, meint Silke Kersken. Dadurch würden zusätzliche Kosten entstehen, die am Ende auf den Steuerzahler umgelegt würden.

Sie ist aber auch der Meinung: „Die Wirtschaftsbetriebe Duisburg haben mit ihren Recyclinghöfen bereits gut funktionierende Anlieferungsstellen geschaffen, die den Bürgerinnen und Bürgern eine bequeme Möglichkeit bietet, ihre Gartenabfälle kostenlos zu entsorgen.“

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>> Grünabfälle in Baerl: CDU-Bezirksvertreter wollen Vorschlag erneut einbringen

  • Martin Wiest sitzt für die CDU in der Bezirksvertretung Homberg/Ruhrort/Baerl. Seine Fraktion hat den Vorschlag der mobilen Container als Prüfantrag im Januar in die Bezirksvertretung eingebracht.
  • Die SPD verwies in der Sitzung darauf, es sei zu schwierig festzulegen, wann der Container aufgestellt wird. Zudem könne nicht kontrolliert werden, was hinein geworfen wird. Daraufhin zog die CDU den Antrag zurück.
  • Im kommenden Frühjahr will die CDU das Thema aufgreifen und den Antrag überarbeitet wieder einbringen. Außerdem wolle sie Bürger in Baerl aufklären, welche Pflanzen giftig sind und wie sie korrekt entsorgt werden, sagt Fraktionschef Michael Büttgenbach.