Duisburg. 1500 Einsätze fährt die Werkfeuerwehr von Thyssenkrupp in Duisburg jährlich. Warum sie Höhenretter braucht und wie sie für Einsätze trainiert.
Bei Thyssenkrupp Europe brennt es immer irgendwo, vor den Werkstoren wegen der Konflikte um die Zukunft der zigtausend Arbeitnehmer, hinter den Werkstoren, weil beim Schmelzen von Roheisen gewaltige Kräfte wirken und mit Temperaturen bis zu 1500 Grad gearbeitet wird.
Vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen gehören deshalb zu den Hauptaufgaben der Werkfeuerwehr von TKSE. Zum rund 150-köpfigen Team in Duisburg gehören neben ausgebildeten Feuerwehrleuten auch Höhenretter und Notfallsanitäter.
Damit sie im Ernstfall mitten im Stahlwerk agieren können, zwischen Höllenfeuer und schwerem Gerät, zwischen Konvertern voll flüssigem Roheisen und zig Meter hohen Kränen, ist Übung gefragt. Und zwar täglich, in jeder 24-Stunden-Schicht.
Werkfeuerwehr von Thyssenkrupp trainiert täglich für den Ernstfall
Jeder Wachabteilungsführer muss mit seinem Team verschiedene Themen abarbeiten, sagt Leonhard Feske, der bei der Werkfeuerwehr für die Prävention und Ausbildung verantwortlich ist. Mal gehe es um den Umgang mit Seilen und Knoten, mal um kleinere Löscharbeiten, und einmal pro Quartal steht ein simulierter Großeinsatz an.
An diesem Tag üben die angehenden Feuerwehrleute des laufenden Grundlehrgangs im Oxygenstahlwerk 2. Das Szenario: Ein Feuer ist ausgebrochen und ein Mitarbeiter ist verletzt und liegt auf einem Laufsteg in zehn Metern Höhe. Parallel müssen zwei Teams also das Feuer löschen und den Kollegen bergen.
Auf Knien rutschen die Feuerwehrleute Richtung Feuer
Die einen rollen dicke gelbe Schläuche aus, verbinden sie, geben Druck drauf. Zwei Mann machen sich fertig, checken gegenseitig die Ausrüstung, den Atemschutz, rücken dann gemeinsam auf Knien Richtung Feuer vor. Wasser marsch.
Auch wenn das Feuer nur ein rot flackerndes Licht ist, das für die Dramaturgie in Kunstnebel getaucht ist, wirkt doch alles sehr authentisch. Mitten im Werk, neben riesigem Gerät und glühendem Roheisen. Hoch konzentriert erledigen die Auszubildenden ihre Aufgaben, bei jedem Schritt beobachtet von den Ausbildungsleitern.
Höhenretter seilen Verletzten aus zehn Metern Höhe ab
Parallel planen die Höhenretter ihren Einsatz. Mit bis zu 30 Kilo Material auf dem Rücken eilen sie die Treppen hoch. Eine Etage über dem Verunglückten haben sie einen belastbaren Festpunkt ausgemacht, an dem sie ihre Seile festmachen können. Ein Höhenretter schlüpft in das Gurtsystem, macht sich bereit, abgeseilt zu werden mitsamt dem Verletzten vor dem Bauch. Sie sind doppelt, mit zwei Seilen gesichert, an der Ablasskante sind diese zusätzlich mit Klebestreifen vor Abrieb geschützt.
Die Treppe ist nur für den Laien der naheliegendere Weg. „Hundert Kilo zu viert durch ein enges Treppenhaus zu schleppen, ist nicht ohne“, sagt Feske, soviel Gewicht komme schnell zusammen bei einem Stahlwerker in Schutzklamotten. Abseilen sei oft patientenschonender.
Präzise Abläufe und Handgriffe trainieren
Von außen betrachtet läuft alles sehr geordnet ab, fast militärisch wirkt es, wenn der Einsatzleiter seinen Trupp vor sich versammelt und erklärt, was zu tun ist. „Hier muss besonnen gearbeitet werden“, erklärt Feske, „die Kollegen dürfen nichts vergessen, Abläufe müssen eingehalten werden“. Wenn akute Lebensgefahr droht, greife aber eine Sofortrettung. Bei der Übung gehe es indes um präzise Handgriffe.
„Wir haben einen großen Werkzeugkasten, das muss man alles mal in der Hand haben, damit es im Ernstfall funktioniert“, so der Ausbildungschef.
20 Minuten dauert die Rettungsaktion
Nach genau 20 Minuten ist das Feuer gelöscht, die verletzte Person geborgen und im Krankenwagen. „Genau im Zeitplan“, freut sich Feske. Aufräumen, einpacken, abrücken, zurück in die Feuerwache, die auf dem Werksgelände an der Hoffschen Straße in Beeckerwerth liegt.
Solche Übungen sind zwar wichtig, aber auch eine Störung im Betriebsablauf. Aktuell ist zudem ein Stahlwerk wegen einer Reparatur außer Dienst, die anderen drei müssen das kompensieren, da sollten wir so wenig wie möglich stören, sagt Andreas Eichloff, der für den Brandschutz aller Standorte von TKS verantwortlich ist.
Rettungssanitäter werden zu einem kardiologischen Notfall gerufen
Pro Schicht sind 26 Feuerwehrleute im Einsatz. Am Standort Duisburg sind außerdem zwei Rettungswagen mit ausgebildeten Notfallsanitätern stationiert. „Früher konnte jeder alles, heute sind die Aufgaben spezialisierter“, sagt Leonhard Feske. Und hört auf zu reden, weil ein Alarm durch die Halle lärmt.
Ein kardiologischer Notfall. Zwei der Sanitäter kommen mit großen Schritten angerannt, wechseln die Schuhe und springen ins Auto. Das Stromkabel, an dem der Rettungswagen hängt, fällt beim Start automatisch ab. Blaulicht an und los.
Es ist einer von rund 1.500 Einsätzen, die pro Jahr am Standort Duisburg gezählt werden – eine Mischung aus Rettungsdienst- und Brandbekämpfungseinsätzen, ausgelösten Gefahrenmeldern und Technischen Hilfeleistungen.
Werkfeuerwehr setzt auf Prävention
90 Prozent der Arbeitszeit sei von Wartungen und Begehungen geprägt, sagt Feske. Die Stahlwerker werden geschult, qualitative Notrufe abzusetzen und als Erstbrandbekämpfer einzugreifen. Das sei ein wichtiger Baustein, der sich im Einsatzgeschehen widerspiegele: „Im Schnitt passiert es höchstens einmal im Jahr, dass irgendwo was nicht so funktioniert.“
In der Regel stehe deshalb auch „keine ganze Halle in Brand, vorher haben technische, organisatorische und sicherheitstechnische Maßnahmen gegriffen“, erklärt Feske. „Alles andere ist eher was für Hollywood.“
Meldungen in der Zeitung bestätigen seine Einschätzung: Ein Feuer 2017, eins 2013, zuletzt habe vor ein paar Jahren ein Förderband gebrannt, erinnert sich Feske. Der Löschangriff erfolgte in 60 Metern Höhe.
Feuerwehr überwacht zehn Quadratkilometer großes Areal
Vorbereitet wären sie aber auch auf Großbrände. Bei Thyssenkrupp ist eben alles groß: Das Areal ist mit zehn Quadratkilometern ein eigener Kosmos, umfasst 400 Kilometer Schienen, vier Hochöfen, zwei Stahlwerke, zwei Warmbandwerke, ein weiteres im Bau, plus diverse Veredelungsstufen. Wenn es hier zu Einsätzen kommt, sind sie personal- und materialintensiv. Bei großen Szenarien hilft nach einer halben Stunde die Berufs-Feuerwehr.
Die Werkfeuerwehr hilft umgekehrt auch außerhalb der Werkstore. Mal mit der Teleskopmast-Bühne, die bis auf 54 Meter Höhe ausfahren kann, mal mit dem Rettungsboot, das im Hafen Schwelgern liegt und kürzlich bei einer Personensuche im Rhein beteiligt war.
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Werkfeuerwehr eröffnet eine neue Wache
Prävention heißt auch, dass Thyssenkrupp schon jetzt Feuerwehrleute sucht und ausbildet, die in etwa drei Jahren, wenn die Direktreduktionsanlage zur Produktion grünen Stahls in Betrieb gehen wird, eine neue Wache besetzt.
Auch für die Höhenretter kommen dann neue Herausforderungen. Bei einem Einsatz könnte es auf bis zu 140 Meter raufgehen. Ein neues Szenario zum Üben.
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>>DIE WERKFEUERWEHR VON THYSSENKRUPP STEEL EUROPE
- Das Werksgelände von Thyssenkrupp Steel Europe im Duisburger Norden erstreckt sich über mehrere Stadtteile zwischen Marxloh und Beeckerwerth, Bruckhausen und Laar.
- Die Werkfeuerwehr hat insgesamt 259 hauptberufliche und 99 nebenberufliche Mitarbeitende an den Standorten Duisburg, Bochum, Dortmund, Kreuztal und Finnentrop.
- Rund 150 von ihnen sind in Duisburg stationiert.
- Der Fahrzeugbestand umfasst 58 Fahrzeuge und 13 Abrollbehälter für spezielle Einsatzgeschehen.
- Im Oktober beginnt ein neuer Grundausbildungslehrgang, weitere Infos gibt es auf der Webseite der TKS-Werkfeuerwehr.