Duisburg. Sie sorgen in einem ganzen Stahlwerk für Sicherheit: So ist die Werkfeuerwehr von HKM in Duisburg aufgestellt. Was im Alarmfall passiert.
- Das Stahlwerk HKM in Duisburg verfügt über eine eigene Werkfeuerwehr.
- Rund 120 Kräfte gehören zum Team, sie arbeiten in 24-Stunden-Schichten und fahren im Schnitt 600 Einsätze pro Jahr.
Früher gehörte sogar eine eigene Leichenhalle zur Ausstattung, das ist aber längst Geschichte: Die Werkfeuerwehr von HKM im Duisburger Süden hat zwar viel zu tun, aber schwer Verletzte oder gar Tote gibt es nur noch extrem selten. Zum Glück.
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HKM ist mit 2,4 Quadratkilometern so groß wie ein eigener Stadtteil und mit knapp 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch ähnlich dicht bevölkert. Die Werkfeuerwehr fährt im Schnitt 600 Einsätze pro Jahr. Zwei Drittel davon werden ausgelöst durch Brandmeldeanlagen, viele von ihnen entpuppen sich aber als Fehlalarm.
Werkfeuerwehr von HKM: Binnen fünf Minuten muss sie am Einsatzort sein
Adrenalin ist aber immer dabei, aller Routine zum Trotz, sagt Feuerwehrchef Dr. Florian Scheuch. Und als hätte er es bestellt, geht mitten im Rundgang reichlich ohrenbetäubend der Alarm los. Feuerwehrleute kommen aus allen Richtungen angerannt, stehen in Windeseile in Unterhose in der Fahrzeughalle, springen in Hose, Schuhe, Jacke, rennen los Richtung Autos, mit dem Helm in der Hand, die Buxe noch nicht ganz zu. Kaum eine Minute später braust der erste Wagen mit Blaulicht los. Die Hilfsfrist beträgt auf dem Gelände fünf Minuten, da zählt jeder Augenblick.
Drei Fahrzeuge rücken für den Alarm aus, zehn Feuerwehrleute und der Werksschutz. Während der erste Wagen längst um die Ecke ist, tut sich bei dem Tanklöschfahrzeug noch nichts: Erst muss der Kompressor die Bremssysteme fluten. Da ziehen sich Sekunden wie Kaugummi, bevor sich 4000 Liter Löschwasser in Bewegung setzen.
Brandmelder sind im Stahlwerk besonders sensibel
Schnell ist der Einsatz vorbei, durchs Funkgerät knarzt die Entwarnung. In einem Bereich, der geschlossen bleiben müsste, ist offenbar eine Tür offen stehen geblieben. Dadurch entwich Rauch, worauf ein Brandmelder reagierte. Vergleichsweise harmlos also.
Entspannt beobachten Dr. Florian Scheuch (36) und Lisa Baumüller (35) ihre Kollegen. Die beiden leiten die Werkfeuerwehr. Er ist promovierter Physiker, sie Rettungs-Ingenieurin, zusammen sind sie die Chefs von 120 Mitarbeitern. Jeweils 20 Funktionen sind pro Schicht im Dienst, 24 Stunden lang, immer bereit. Acht bis zehn Stunden sind zusätzlich mit Aufgaben belegt, der Rest ist kochen und schlafen, Sport machen oder Fernsehen.
Klassische Brandeinsätze sind selten, zuletzt brannte es im Januar bei Rückbauarbeiten in einem alten Gasometer. Der Einsatz dauerte fast sieben Stunden, Unterstützung kam von der Berufsfeuerwehr. Häufiger komme es zu technischen Hilfeleistungen wie einem umgestürzten Zaun nach einem Sturm oder einer Ölspur durch einen defekten Pkw, erzählt Scheuch.
Werkfeuerwehr unterstützt mit Fachkenntnis und Gerätschaften in ganz NRW
Auch außerhalb des Werksgeländes fährt die Feuerwehr Einsätze. Mal geht es um besondere Technik, die gebraucht wird, manchmal um Schnelligkeit wegen der Örtlichkeit. So wurde bei dem Brand auf der Schrottinsel eine besondere Pumpe geliehen, mit dem die Berufsfeuerwehr der Stadt Duisburg Wasser aus dem Hafenbecken pumpen konnte.
„Aus einem Hydranten kommen 1200 Liter pro Minute, mit unserer Pumpe ist es fast das Zehnfache“, erklärt Scheuch. Da man die Pumpe aus zwei Metern Höhe mitten in den Rhein werfen kann, könne man auch bei Niedrigwasser noch reichlich Wasser liefern.
Manche Einsätze sind auch kurios. So fuhr mal ein Kreuzfahrtschiff mitten in der Nacht wegen eines internistischen Notfalls in den Hafen der Hütte. Die ausgebildeten Notfallsanitäter sorgten für die Erstversorgung, mit einem Teleskoparm wurde der Patient vom Schiff geholt und ins Krankenhaus gebracht.
Werkfeuerwehr verfügt über 18 Fahrzeuge
Die Teleskopmastbühne ist mit 55 Metern besonders hoch, nrw-weit sei nur eine Rettungsbühne von RWE noch höher, sagt Scheuch. Da sie knickbar ist, kann sie auch aus der Tiefe Personen retten, nicht schlecht bei den hohen Kaimauern im HKM-Hafen.
Insgesamt sind 18 Fahrzeuge einsatzbereit, darunter neun große Löschfahrzeuge. Ein Mehrzweckboot gehört zum Fuhrpark, damit kann man Personen aus dem Wasser fischen oder Ölschlängel ausbringen, Wasserwerfen kann es nur im kleinen Rahmen.
Auch für Strahleneinsätze ist die HKM-Wehr gerüstet: Angelieferter Schrott wird zum Beispiel gemessen - so sensibel, dass sogar ein Fahrer aus dem Verkehr gefischt wurde, der tags zuvor bei einer medizinischen Untersuchung ein Kontrastmittel gespritzt bekam, erzählt Scheuch. „Wir müssen garantieren, dass hier alles strahlungsfrei ist.“
In der Sicherheitszentrale laufen alle Fäden zusammen
Die Feuerwache ist erst 2020 um eine neue Fahrzeughalle ergänzt worden. Zu Füßen eines Hochbunkers steht die alte Backsteinhalle, gegenüber wuchs nach und nach Platz für vieles: Ein großer Sozialbereich, diverse Werkstätten, ein Stabsraum für Großlagen, dazu gehört auch ein Raum mit drei Plätzen für Bürgertelefone, oft beübt, noch nie benutzt, sagt Scheuch.
In der Sicherheitszentrale laufen alle Fäden zusammen, werden Einsätze gesteuert. Er ist gut geschützt durch Schleusen, die man nur mit entsprechenden Transpondern betreten kann. Der Werksschutz wird auch von hier disponiert.
Diese Leitstelle ist voll mit Computer- und Videotechnik. Auf den Bildschirmen ist zu sehen, welche Fahrzeuge einsatzbereit sind, per GPS weiß man auch genau, wo sie gerade stehen. Kamera-Bilder zeigen, was gerade im Hafenbecken los ist.
Feuerwehrleute müssen sich mit den Prozessen in der Hütte auskennen
Die Feuerwehrleute sind grundsätzlich genauso ausgebildet wie außerhalb des Werks. Hinzu kommt eine besondere Ortskenntnis und das Wissen um die Prozesse, um den Umgang mit feuerflüssigen Massen wie Roheisen, erklären die Feuerwehrchefs. Einen Wasserschlauch kann man hier jedenfalls nicht einfach ausrollen. Trifft Wasser auf heißen Stahl, entstehen Gase und Verpuffungsgefahr. Es gehe eher darum, das flüssige Eisen mit Sandbarrieren umzuleiten und das Drumherum zu kühlen.
Viel Zeit investieren sie in die Pflege des Materials. Möglichst alles reparieren sie selbst, reinigen, wiederaufbereiten, desinfizieren... „Hauptsache alles ist schnell wieder einsatzbereit“, betont Scheuch. Ein Kfz-Meister und sein Team warten die Fahrzeuge, es gibt Experten für die Schlauchwäsche, die Atemschutzwerkstatt, drei Löschanlagenwarte kümmern sich um die 212 Löschanlagen auf dem Gelände.
Täglich üben die Feuerwehrleute, damit jeder Handgriff sitzt
Täglich wird außerdem geübt. Allein der Rettungsdienst braucht 30 Stunden Fortbildung pro Jahr, hinzu kommen die vielen Lehrgänge und Sonderausbildungen, etwa zu Atemschutz oder Feuerlöschgeräten, zum Steuern des Teleskopmast-Fahrzeugs oder für die Leitstelle. Und ganz allgemein: Wo finde ich was in welchem Fahrzeug? Und wie funktioniert es?
„Was man nicht täglich in der Hand hat, muss geübt werden“, betont Scheuch und wuchtet eine hydraulische Schere aus einem Rüstfahrzeug. Damit könnte man nach einem Unfall die Säule eines Autos durchschneiden, um an den Fahrer heranzukommen. In den Umkleiden hängen kopfüber auch Überlebensanzüge für den Einsatz im Hafenbecken. In der großen Umkleide stehen 127 Spinde, ein bisschen Reserve ist für Praktikanten.
Krebsvorbeugung und Pflaster kleben
Auch das Thema Gesundheitsschutz wird großgeschrieben: Weil die Krebsgefahr durch Ruß enorm hoch ist, gibt es Schleusen und Weißbereiche, die nicht kontaminiert werden sollen, riesige Waschmaschinen, Reserveklamotten für jeden.
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Für jede Kleinigkeit wird die Feuerwehr gerufen, Erste-Hilfe-Kästen gibt es nicht, die Rettungssanitäter kommen daher auch für ein Pflaster, können aber direkt alles festhalten für die Unfallkasse. Ab 1. September, wenn die neuen Auszubildenden kommen, steigen derartige Einsätze wieder. Der Umgang mit Hammer und Säge will halt gelernt sein.
>>WERKFEUERWEHR BEI HKM SEIT 1912
- HKM hat 1912 mit einer Freiwilligen Feuerwehr begonnen, 1920 wurde daraus eine Berufs-Feuerwehr.
- Von den 120 Feuerwehrleuten sind nur zehn weiblich, vier von ihnen sind feuerwehrtechnisch ausgebildet. Für die Stimmung im Team sei die Mischung wichtig, findet HKM-Sprecher Gunther Schmucker. Der rabiate Hüttenslang von früher sei einfach nicht mehr zeitgemäß.
- Die Mitarbeiter seien eng mit der Hütte verbunden, verfolgen die Debatten um die Zukunft des Werks intensiv „und hoffnungsvoll“, so Schmucker, „wir sehen eine Zukunft“.
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Dieser Artikel wurde erstmals am 2. Juli veröffentlicht.