Duisburg. Die Cannabisfreigabe besorgt den Kinderschutzbund in Duisburg. Es gebe keine Mittel zur Prävention. Was ein Suchtexperte zu den Gefahren sagt.

„Es ist schade, dass hier ein großes, politisches Projekt verabschiedet wurde und man die Hilfe völlig vernachlässigt hat.“ Das sagt Prof. Ulrich Frischknecht, der auf Einladung des Kinderschutzbundes in Duisburg der Frage nachging, wie die UN-Kinderrechtskonvention und das Cannabisgesetz zusammenpassen.

Damit ist er auf einer Linie mit Gerhild Tobergte, der Vorsitzenden des Kinderschutzbund-Ortsvereins. Schon länger beklagt sie, dass für einen „fragwürdigen Freiheitsbegriff der Schutz von Kindern und Jugendlichen zur Disposition gestellt wird“. Es gebe keine Mittel zur Prävention, dabei habe der Konsum von Cannabis für das im Wachstum begriffene Hirn irreversible Folgen.

Cannabis ist nicht nur schlecht: Schmerzlindernde Wirkung

Eine Patentlösung gebe es für den Umgang mit Drogenkonsum nicht, verdeutlicht Frischknecht. Wichtig zu wissen sei, dass im Naturprodukt Cannabis mehr als 85 psychotrop wirksame Bestandteile vorhanden sind. Also Substanzen, die die Psyche und das Bewusstsein verändern können. Den Stoff generell zu verteufeln, sei unsinnig, denn er habe beispielsweise eine schmerzlindernde und entspannende Wirkung, die im Medizinbereich eingesetzt werden könne.

„Daher sollte auf jeden Fall weiter an Cannabis geforscht werden“, erklärte der Psychologe. Das Problem sei, dass man bei unterschiedlichen Menschen nicht sagen könne, ob der Konsum schädliche Wirkungen habe. „Er kann euphorisierend wirken, aber auch Wahnvorstellungen oder Panikattacken hervorrufen. Das kommt auch auf das soziale Umfeld an und darauf, wie der einzelne Cannabis verträgt.“

Gerhild Tobergte, die Vorsitzende des Kinderschutzbundes in Duisburg, sieht die Cannabisfreigabe mit Blick auf den Kinderschutz kritisch.
Gerhild Tobergte, die Vorsitzende des Kinderschutzbundes in Duisburg, sieht die Cannabisfreigabe mit Blick auf den Kinderschutz kritisch. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Drogenkonsum wirkt bei Kindern und Jugendlichen anders als bei Erwachsenen

Bekannt und erforscht ist, dass sich das Gehirn mit zunehmendem Alter verdichtet, sich also verändert. Insofern müsse man davon ausgehen, dass Drogenkonsum bei Kindern und Jugendlichen deutlich anders wirkt als bei Erwachsenen, so Frischknecht. Weil sich in der Pubertät im Körper viele Veränderungen abspielen, sei schwierig zu sagen, wie Cannabis im Jugendalter wirkt. „Gerade Jugendliche müssen ja was ausprobieren, was sie noch nicht kennen“, sagte Frischknecht. Deshalb sei es so wichtig, Drogenkonsumenten nicht sofort zu stigmatisieren, das erhöhe ihren Druck noch.

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Vielfach sei der Drogenkonsum eine Folge des unglaublichen Drucks, der durch die Gesellschaft erzeugt wird. „Vor allem, wenn sie nur eine Norm kennt: fleißig sein, Leistung bringen, funktionieren.“ Klar sei, dass das Risiko, abhängig zu werden, bei regelmäßigem Konsum steigt. „Menschen, die sowieso sozial benachteiligt sind, werden schneller abhängig.“ Erwiesen sei auch, dass das Cannabis, das man auf der Straße bekommt, mittlerweile deutlich stärker geworden sei und bei Minderjährigen besonders stark wirke. „Wichtig ist es, den Konsumenten Hilfe anzubieten und sie nicht zu stigmatisieren.“

Cannabiskonsum in der Jugend: Erhöhte Wahrscheinlichkeit für Gewalt

Insbesondere regelmäßiger und starker Cannabiskonsum könne zu relevanten psychischen Problemen beitragen, betonte der Psychologe, also reduzierte Leistungsfähigkeit des Gehirns, depressive Störungen und Abhängigkeit. „Aber Cannabiskonsum ist vermutlich öfter Ausdruck einer Problematik, die schon da ist, als dass er die Ursache bildet.“ Der Konsum gehe im Jugendalter mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für Gewalt einher und wirke sich in der Schwangerschaft auf die Gesundheit des Kindes aus.

„Suchthilfeexperten und -expertinnen waren zwar für die Legalisierung, erwarten aber eine Verschlechterung von Problemen bei ohnehin benachteiligten Gruppen durch die Freigabe von Cannabis“, erklärte der Professor. Für Beratungsstellen ist also auch künftig viel zu tun.

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>> EXPERTE WARNT VOR AUSGRENZUNG VON SUCHTERKRANKTEN

  • Prof. Ulrich Frischknecht ist Prodekan der Katholischen Hochschule NRW in Köln und hat eine Professur für Sucht und Persönlichkeitspsychologie inne. Er forscht zum Thema Suchtmittelkonsum bei Kindern und Jugendlichen und pflegt den Austausch mit Beratungsstellen.
  • Er fordert in seinen Veröffentlichungen dazu auf, die Verhältnisse, in denen jugendlicher Suchtmittelkonsum entsteht, mehr in den Blick zu nehmen und warnt davor, Suchterkrankte vorzuführen. Denn hierdurch entstehe eine Abgrenzung mit dem Ergebnis, dass sich die Betroffenen in ihrem Schicksal alleingelassen fühlen.

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