Duisburg. Dass jetzt legal gekifft werden darf, findet der Suchthilfeverbund Duisburg gut. Die Experten ärgern sich aber über ein gebrochenes Versprechen.

„Diese Verteufelung hat nichts gebracht“, sagt Stella Rauscher vom Suchthilfeverbund Duisburg. Deshalb bewertet das Team die Cannabis-Legalisierung grundsätzlich positiv, ergänzt Timo Bartkowiak, denn allen Verboten zum Trotz stieg der Konsum in den letzten Jahren. Allerdings haben die beiden Sucht-Experten auch einiges zu kritisieren. Vor allem wegen eines nicht eingehaltenen Versprechens.

Dem „Paradigmenwechsel“ können sie viel abgewinnen, dennoch ist es ihnen wichtig, auf die Gefahren des Cannabis-Konsums hinzuweisen, etwa auf „Langzeitfolgen wie eine verminderte Lern- und Konzentrationsfähigkeit sowie Gedächtnisverlust“, sagt Bartkowiak. Es komme vor, dass sich Konsumenten mit Psychosen oder Vergiftungen an die Beratungsstelle wenden, die durch Streckmittel in den Drogen entstanden. Doch gerade solchen Fällen könne die Legalisierung entgegenwirken.

Cannabis-Konsum: Warum die Legalisierung der richtige Schritt war

„Jetzt weiß man, was drin ist“, sagt Rauscher. Denn durch die staatliche Überprüfung der Social Clubs werde sichergestellt, dass das Cannabis keine Verunreinigungen wie Blei oder Glas enthält. Außerdem sei es nun möglich, den in den letzten Jahren drastisch gestiegenen THC-Gehalt wieder einzufangen, der als Hauptverursacher von Psychosen gilt.

„Jede Droge kann gefährlich werden“, sagt Bartkowiak. Deshalb sei es falsch gewesen, das Thema mit einem Verbot den Kriminellen zu überlassen. Wichtig sei auch, dass Konsumenten entkriminalisiert werden. Der Suchthilfeverbund Duisburg habe viele Klienten, die nur wegen eines Gramms eine gerichtliche Auflage bekommen haben.

Timo Bartkowiak von der Suchthilfe in Duisburg begrüßt, dass Konsumenten entkriminalisiert werden.
Timo Bartkowiak von der Suchthilfe in Duisburg begrüßt, dass Konsumenten entkriminalisiert werden. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Doch der Besitz solcher geringen Mengen sei nicht das eigentliche Problem. Vielmehr müsse man das Konsumverhalten der Menschen beobachten und die Motive für ihr Verhalten nachvollziehen. Wenn die Menschen nicht mehr stigmatisiert werden, sei die Arbeit der Suchthilfe einfacher. Den Klienten falle es jetzt leichter, über ihren Konsum offen zu sprechen.

Die beiden Sozialarbeiter begrüßen den im Gesetz verankerten Jugendschutz, etwa das Konsumverbot vor Kindern. „Sowas gibt es für Alkohol und Zigaretten nicht“, sagt Rauscher. Aus der Perspektive des Jugendschutzes sei das Gesetz ein Vorbild für den Umgang mit anderen Rauschmitteln. Auch die Abstandsregelung zu Schulen seien wichtig, weil Jugendliche durch Drogenkonsum besonders gefährdet seien. Das liegt daran, dass das Gehirn bis ins Alter von 25 Jahren noch nicht voll entwickelt ist, erklären Bartkowiak und Rauscher.

Suchthilfeverbund Duisburg ist verärgert über gebrochenes Versprechen

„Allerdings gibt es ein großes Aber“, sagt Rauscher: „Die im Gesetz vorgesehenen Mittel für die Prävention fallen zu gering aus.“ Im Rahmen der Legalisierung stelle der Bund lediglich eine Kampagne für die Präventionsarbeit bereit. Kommunale Hilfsangebote wie die des Suchthilfeverbunds Duisburg erhalten gar keine Unterstützung.

Dabei ist Aufklärungsarbeit gerade jetzt wichtig, betont Bartkowiak. Wenn man nicht das Wissen über Cannabis stärkt, bestehe die Gefahr, dass die Legalisierung zum Konsum einlädt – „weil es ja jetzt legal ist“.

Stella Rauscher vom Suchthilfeverbund Duisburg fordert mehr Mittel für die Präventionsarbeit.
Stella Rauscher vom Suchthilfeverbund Duisburg fordert mehr Mittel für die Präventionsarbeit. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Bartkowiak und Rauscher ärgern sich über das gebrochene Versprechen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der für die Neuausrichtung der Drogenpolitik ankündigte, ein Augenmerk auf die Präventionsarbeit zu legen. Die beiden spüren die Berliner Sparpolitik und den Sozialabbau bei ihrer täglichen Arbeit.

Es fehle ihnen maßgeblich an Ressourcen und Personal, um auf alle Bedürfnisse der Klienten einzugehen. Neben der Cannabis-Legalisierung, die einen großen Ansturm auf die Duisburger Beratungsstellen verursacht, komme noch die Präventionsarbeit in anderen Bereichen hinzu.

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Suchthilfe beklagt, dass viele Fragen noch offen sind

Aktuell wenden sich vor allem Eltern und Lehrer an die Suchthilfe. Sie seien verunsichert, wie man richtig über die Droge aufklärt und mit jungen Menschen dazu ins Gespräch kommen kann. Deshalb häufen sich die Kooperationsanfragen von Duisburger Schulen. Auch zwei Duisburger Social Clubs, die ab Juli an den Start gehen wollen, sind im engen Austausch mit dem Suchthilfeverbund, um auf möglichen Risikokonsum richtig reagieren zu können.

„Auch wir haben auf viele Fragen nur wenige Antworten“, sagt Bartkowiak, etwa bei minderjährigen Konsumenten. Der Besitz von Cannabis gilt für unter 18-Jährige nun als Ordnungswidrigkeit. Offen sei, ab wann Jugendliche verpflichtet sind, eine Suchtberatung aufzusuchen.

Mit der Polizei und dem Jugendamt sei man im Austausch, aber die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit sei noch nicht endgültig geklärt. Dass man, bis die ersten Social Clubs im Juli an den Start gehen, Cannabis nur über den Schwarzmarkt beziehen kann, sorgt ebenfalls für Verunsicherung.

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