Duisburg. In Duisburg kamen hunderte Kinderschützer zur Fachtagung des Vereins Riskid zusammen. Wie Vernetzung dem Kindesmissbrauch entgegenwirkt.
„Duisburg ist echt .... gut im Kinderschutz“: Der Slogan wird oft genug verspottet, hier hat er wohl seine Richtigkeit. Das Wohl der Kinder wird in Duisburg besonders großgeschrieben. Von hier aus hat der Verein Riskid in fast 20 Jahren wichtige Impulse zum Kinderschutz gesendet, neue Verfahren ermöglicht und Gesetzesänderungen angestoßen. Jetzt drängten zum sechsten Fachtag Kinderschutz fast 400 Fachkräfte in die Abtei Hamborn: Ärztinnen und Polizisten, Lehrerinnen und Erzieher, Sozialarbeiter, Juristen, Therapeuten.
Ziel ist der fachliche Austausch, die Vernetzung. Und der Lerneffekt. Dafür muss man da hingucken, wo es wehtut. Die Fallbeispiele, die Bilder von misshandelten und gequälten Kindern werden sicher viele noch lange verfolgen. Riskid-Gründer Dr. Ralf Kownatzki betont im Pressegespräch, dass die Zahl der getöteten Kinder zuletzt von 112 auf über 150 bundesweit gestiegen sei. „Jede Woche sterben zwei bis drei Kinder. Das gilt unverändert“, bedauert er, deshalb müssen Netzwerke weiter wachsen. Polizeikommissar Ingo Thiel, der ebenfalls im Vorstand von Riskid aktiv ist, betont, dass es seit Ende der Corona-Pandemie einen deutlichen Anstieg bei Fällen von Kindeswohlgefährdungen gegeben habe, weil sie erst mit Verzögerung bekannt wurden. „Man könnte denken, dass es sich jetzt wieder einpendelt, aber da pendelt sich gar nix ein“.
Gerd-Unterberg-Preis geht an Prof. Dr. Sibylle Banaschak
Damit einher geht der Anstieg von psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen. Prof. Dr. Sibylle Banaschak wundert das nicht. „Schulen und Kitas sollten wir nicht noch mal schließen“, appelliert sie. Die Rechtsmedizinerin ist die neue Preisträgerin des Gerd-Unterberg-Preises, benannt nach dem verstorbenen Duisburger Staatsanwalt und Mitgründer von Riskid.
Banaschak leitet unter anderem in Köln das Kompetenzzentrum Kinderschutz NRW. Zwei bis drei mal pro Werktag landen Verdachtsfälle bei ihr. Nicht immer seien es tatsächlich Misshandlungen, betont die Professorin. „Wir als Rechtsmediziner können aber anhand von Bildern, Röntgen- oder CT- Aufnahmen erkennen, ob Verletzungen durch einen Unfall oder eine Misshandlung entstanden sind.“ Die Fallverantwortung, die Behandlung bleibe vor Ort, sie übernehme die Plausibilitätsprüfung.
Kindesmisshandlungen sind ein „chronisches Phänomen“
Kindesmisshandlungen bezeichnet Banaschak als chronisches Phänomen. „Das ist nichts Punktuelles. Wer einmal Gewalt angewandt hat, hört damit nicht einfach auf.“ Familien bräuchten viel Unterstützung. Vielfach handele es sich bei den Misshandlungen um Vernachlässigung, körperlich, aber auch emotional und sozial. Im Gegensatz zu einem Hämatom oder einem gebrochenen Arm könne man das allerdings selten auf Anhieb erkennen.
Deshalb sei der Austausch der Kinderärzte, den Riskid möglich gemacht habe, so wichtig. Die Professorin zollte den Gastgebern Respekt. Inhaltlich sei sie gar nicht immer einer Meinung mit den Kinderärzten, es zeuge daher von Größe, die gemeinsamen Ziele im Kinderschutz an die erste Stelle zu setzen.
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Kinderschutz: Neue Professur und Verbot von „Kindersexpuppen“
Die Landtagsabgeordnete Christina Schulze-Föcking lobte die mannigfachen Initiativen, die nicht zuletzt dank der Sensibilisierungskampagnen der Riskid-Aktiven entstanden sei. Zuletzt sei aus NRW heraus eine Bundesratsinitiative angeschoben worden, die den Verkauf, Erwerb und Besitz von Kindersexpuppen bundesweit unter Strafe stellt. „Wie mich sowas anwidert“, sagte die CDU-Politikerin, und wie wichtig der Kraftakt gewesen sei, das zu verbieten.
Ziel sei es weiterhin, Kinderschutzmaßnahmen, die in NRW etabliert sind, in weitere Bundesländer zu tragen. Nach Bayern, dem Saarland und Hamburg sei derzeit Sachsen-Anhalt in Bewegung. Zusätzlich solle eine Professur für Kinderrechte in NRW eingerichtet werden.
Medikamenten-Mangel als „flächendeckende Kindesmisshandlung“
Als eine neue Art von flächendeckender Kindesmisshandlung beklagte Dr. Rainer Holzborn von der Ärztekammer die Tatsache, dass aktuell „Allerweltsmedikamente für Kinder nicht zur Verfügung stehen“. Als positive Entwicklung konstatierte Dr. Markus Schäfer, Obmann der Kinderärzte in Duisburg, dass niedergelassene Ärzte seit Januar ihre konkreten Bemühungen für den Kinderschutz abrechnen können. Es sei das erste Mal, dass höhere Institutionen dem Kinderschutz den Stellenwert geben, den er verdiene.
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>>DER VEREIN RISKID
Der tragische Tod von fünf Kindern 2005 führte dazu, dass sich Duisburger Ärzte und Kriminalpolizisten zusammentaten, um Wege zu finden, wie man Kinder besser schützen kann. Als erste Maßnahme wurde durchgesetzt, dass Eltern, die ihr Kind nicht zu den U-Untersuchungen bringen, vom Gesundheitsamt kontaktiert werden.
Der Verein entwickelte als Pilotprojekt ein Informationssystem für Ärzte innerhalb Duisburgs, mit dem das Doctorhopping ausgehebelt werden konnte. Um die Taten besser vertuschen zu können, stellen Täter ihre misshandelten Kinder bei verschiedenen Ärzten vorgestellt. Im Verdachtsfall konnten sich Ärzte über die Datenbank austauschen.
Inzwischen ist das Duisburger Modell bundesweit ausgerollt, der Schwerpunkt liegt in NRW. Während das Pilotprojekt evaluiert und Erfolge zeigen konnte, sind Bilanzen jetzt nicht mehr möglich. Der Datenschutz sorgt dafür, dass sich nur die betreffenden Ärzte zu einem Fall austauschen können, betont Dr. Peter Seiffert. „Wir wissen nicht mal, wie viele Verdachtsfälle dort eingestellt sind.“ Bei einer Nutzerumfrage habe sich aber ergeben, dass über ein Drittel sagte, dass die Riskid-Datenbank schon geholfen habe.
Weitere Infos gibt es auf der Webseite www.riskid.de