Duisburg. Karneval im Juni? Das „Jeckival“ gefährde Traditionen, kritisiert ein Verband. Auch ein Forscher sagt: „Das hat nichts mit Brauchtum zutun.“

Die Karnevalsfamilie Homberg will am Samstag mit dem „Jeckival“ für närrische Stimmung in Duisburg sorgen, bereitet damit traditionellen Karnevalisten aber Bauchschmerzen. „Karneval hat im Sommer nichts zu suchen. Das gefährdet ein Stück weit das Brauchtum“, sagt Dirk Bonkhoff, Präsident des Landesverbands Rechter Niederrhein (LRN), der zum Bund Deutscher Karneval (BDK) gehört.

Dass kölsche Bands wie die „Die Räuber“ oder „Kaschämm“ in Homberg auftreten und dabei auch Karnevalslieder singen, findet er nicht grundsätzlich problematisch: „Es ist nichts dagegen einzuwenden, auch im Sommer Kölner Bands einzuladen, um Stimmung zu machen.“ Ihn ärgert eher der Eventname „Jeckival“: „Dadurch vermittelt man der Allgemeinheit, Karneval dürfe über das ganze Jahr gefeiert werden.“

Kritik am „Jeckival“ in Duisburg: „Ich feiere ja auch nicht Heiligabend am 24. Juni“

Dirk Bonkhoff sei zwar „durchaus für Veränderungen zu haben“. Das gilt aber offenbar nicht für den festen Kalender, in den die närrische Zeit eingebettet ist. Karneval dürfe zum Auftakt rund um den 11. November gefeiert werden sowie vom 2. Januar bis Aschermittwoch. Das gehe auf den Ursprung der Tradition zurück: „Der Sinn dahinter ist, dass man vor der Fastenzeit noch mal ausgelassen feiert.“

Dirk Bonkhoff, Präsident des BDK-Landesverbands Rechter Niederrhein, ist der Meinung, Karnevalsveranstaltungen im Sommer tragen zur Kommerzialisierung des Festes bei. Dieses Bild zeigt ihn 2017.
Dirk Bonkhoff, Präsident des BDK-Landesverbands Rechter Niederrhein, ist der Meinung, Karnevalsveranstaltungen im Sommer tragen zur Kommerzialisierung des Festes bei. Dieses Bild zeigt ihn 2017. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Der LRN-Präsident ist kein Freund davon, von dieser Regel abzuweichen: „Ich feiere ja auch nicht Heiligabend am 24. Juni, nur weil es im Dezember nicht geschneit hat.“

Außerdem hat er Angst davor, dass sich der Brauchtum weiter kommerzialisiert, wenn man die jecke Zeit ausweitet. Karnevalsvereine seien ehrenamtlich und gemeinnützig organisiert, „aber je mehr solcher Feiern im Sommer veranstaltet werden, desto größer wird die Gefahr, dass dieser Status entzogen wird“.

Karnevalsverband grenzt Zeitraum für Feiern klar ein

Damit vertritt der Dirk Bonkhoff die Position des Bundes Deutscher Karneval. Der Dachverband der Karnevalsvereine verpflichtet seine Mitglieder zur Einhaltung von bestimmten Richtlinien, die er in einer „Ethik-Charta“ zusammenfasst. Der BDK hat die Charta gerade erst überarbeitet und den zeitlichen Rahmen des Festes dabei noch einmal bekräftigt. In der Begründung heißt es: „An Aschermittwoch ist definitiv Schluss.“

Aber: Die Karnevalsfamilie Homberg gehört dem Dachverband nicht an, weil sie sich als Freundeskreis versteht, „der nicht nur in der fünften Jahreszeit den rheinischen Karneval zelebriert“, wie es auf der Internetseite heißt. Deswegen kann LRN-Präsident Bonkhoff auch nicht mehr aussprechen als eine Empfehlung, und die lautet: „Wenn man die Veranstaltung einfach anders nennt, entstehen auch keine Missverständnisse.“

Brauchtumsforscher: Karneval im Sommer löse „Missbehagen“ aus

Dass Bonkhoff wohl nicht der einzige Karnevalist ist, der sich an einer jecken Veranstaltung im Sommer stört, bestätigt der Kölner Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti: „Wenn Feiern außerhalb der Karnevalszeit stattfinden, empfinden einige Menschen ein Missbehagen.“ So sei es zum Beispiel auch bei den Karnevalsumzügen gewesen, die in der Pandemie ausfielen und im Frühsommer nachgeholt wurden.

„Karneval im Sommer zu feiern, ist Kommerzialisierung. Da interessiert nur der Kommerz, das hat mit Brauchtum nichts mehr zutun.“

Manfred Becker-Huberti

Auch Becker-Huberti führt den Ursprung des Festes an: „Der Sitzungskarneval beginnt traditionell mit dem Dreikönigsabend, der Straßenkarneval mit der Weiberfastnacht.“ Dass der Karnevalsauftakt rund um den 11. November mittlerweile kräftig gefeiert wird, entspreche schon nicht der Tradition.

Der Theologe findet, Veranstalter hätten eine Verantwortung, darüber nachzudenken, ob sie das Brauchtum benutzen, um Geld zu verdienen. Becker-Huberti sagt deutlich: „Karneval im Sommer zu feiern, ist Kommerzialisierung. Da interessiert nur der Kommerz, das hat mit Brauchtum nichts mehr zutun.“

Karnevalsfamilie Homberg widerspricht: „Karneval kann man das ganze Jahr feiern“

Die Karnevalsfamilie steht weiter hinter der Veranstaltung: „Wir finden, Karneval kann man das ganze Jahr feiern, und wenn man das nicht im Herzen trägt, sollte man es sein lassen“, sagt Präsident Marcel Straub. Deswegen will er auch nicht verstecken, worum es beim „Jeckival“ geht: „Das wird nach Aschermittwoch die erste Karnevalsveranstaltung der Stadt.“

Der Verein sei schon immer auch im Sommer jeck gewesen und konzentriere sich zudem nicht nur auf Karnevalspartys. So hat er 2023 zum Beispiel den Adventsmarkt in Homberg mitorganisiert. Das „Jeckival“ sei nun auch als große Party gedacht, um das jecke Jubiläum, den 88. Geburtstag des Vereins zu feiern.

Mit den Traditionen brechen wolle die Karnevalsfamilie nicht, meint Straub: „Wir transportieren den Brauchtum bis weit über die Grenzen von Duisburg hinaus, das wird bei uns großgeschrieben.“

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>> „Ethik-Charta“ des BDK: Diese Richtlinien gelten für Karnevalsvereine

  • Mehr als 5.300 Faschings-, Fastnachts- und Karnevalsvereine sind nach Verbandsangaben Mitglied im Bund Deutscher Karneval (BDK). Der Dachverband gibt den Vereinen bestimmte Richtlinien vor, wie das Fest traditionell gefeiert werden sollte – in elf Punkten zusammengefasst in der „Ethik-Charta“.
  • Der zeitliche Rahmen des Karnevals wird in der Charta klar vorgegeben. Auftaktevents seien rund um den 11. November bis zum Samstag vor dem ersten Advent erlaubt. Brauchveranstaltungen dürften zwischen Silvester und Aschermittwoch gefeiert werden.
  • Außerdem gibt der BDK vor, dass menschenverachtende Vorträge verboten sind: „Das Rügerecht der Narren findet seine Grenzen in der Verletzung der Würde der Gerügten.“
  • Weitere Punkte sind zum Beispiel, dass das Fest „nicht für Medienzwecke inszeniert oder instrumentalisiert werden“ dürfe sowie bei Kindern auf „kindgerechte Kostümierung und Choereographie“ beziehungsweise „kindgerechte Themen und Sprache“ zu achten ist, wenn Minderjährige tanzen oder Wortvorträge halten.