Duisburg. Anwohner filmen, als Clan-Angehörige und Mitglieder der Hells Angels aufeinander schießen. Die Beteiligten helfen bei der Aufklärung wenig.

Bei seinem ersten Auftritt als Zeuge ist der Ermittler aus der Mordkommission der Duisburger Polizei zu bedauern. Gezeigt werden eingescannte Standbilder vom Tumult auf dem Hamborner Altmarkt. Zu erkennen sind häufig wenig mehr als Farbkleckse. Immer wieder betont der Beamte, dass die Originalaufnahmen viel schärfer seien und viel mehr Aufschlüsse über die Schießerei lieferten. Fast einen Monat ist das her. Am Dienstag wird im Duisburger Landgericht Bewegtbild gezeigt - unter anderem ein rund fünf Minuten langes Handy-Video von Anwohnern, die die Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der Hells Angels und Angehörigen einer libanesisch-türkischen Großfamilie im Mai 2022 dokumentiert haben. Der Film und die daraus gezogenen Sequenzen sind beeindruckend - in negativer Hinsicht.

Es beginnt mit Schreiereien im nördlichen Teil des Altmarkts, wo sich die verfeindeten Gruppen gegenüber stehen. Dann verlagert sich das Geschehen in den Bereich der MZD-Apotheke, Jagd-Szenen, Schüsse hallen über den Altmarkt. Als sich die Mitglieder der Großfamilien weitestgehend zurückgezogen haben, Scheppern und Klirren, die Hells Angels verwüsten den Dönerladen, der einem Clan-Angehörigen gehört. Dann sind Polizei-Sirenen zu hören. Der Tumult ist vorerst beendet.

Angeklagter aus Hells-Angels-Umfeld hat gestanden

Die Bilder belasten einen der beiden Angeklagten und mutmaßlichen Schützen, Kamil D. aus der Großfamilie, der bislang zu den Vorwürfen schweigt. Oktay K. aus dem Lager der Hells Angels hat die Schüsse an einem vorherigen Verhandlungstag bereits eingeräumt. D. soll sich vor der Auseinandersetzung in Oberhausen mit Verwandten getroffen haben. Dann soll es nach Duisburg gegangen sein. Auf den Sequenzen soll zu sehen sein, wie D. auf seine Kontrahenten feuert. Vermutlich fallen da auch von der Gegenseite Schüsse.

Anfang Februar hatte der Prozess unter strengen Sicherheitsvorkehrungen am Duisburger Landgericht begonnen. (Archiv-Foto)
Anfang Februar hatte der Prozess unter strengen Sicherheitsvorkehrungen am Duisburger Landgericht begonnen. (Archiv-Foto) © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Auffällig sind auch die Schnittmengen zwischen den Beteiligten. Es kommt nicht geschlossen zur Flucht der Clan-Mitglieder. Auf einer Einstellung soll zu sehen sein, wie der Betreiber des Dönerladens, ebenfalls einer der mutmaßlichen Schützen und bis heute abgetaucht, fast direkt neben dem damaligen Boss der Duisburger Hells Angels vor der Apotheke steht. Etliche der Beteiligten sollen sich auch vor dem Vorfall zumindest flüchtig gekannt haben, einige Angehörige des Clans früher auch Mitglieder bei dem Rocker-Clus gewesen sein. Das Video-Material soll nun weiter ausgewertet, auch um die konkreten Tatbeteiligungen zu klären.

Zeugen reichen Krankenscheine ein oder sagen wenig

Zeugen des Geschehens werden der Fünften Großen Strafkammer dabei wohl nur bedingt helfen. Manche kommen erst gar nicht, andere reichen kurzfristig Krankenscheine ein. Die, die etwas sagen, wissen wenig oder können sich nicht erinnern. Am Dienstag sagt ein Mann aus, der für einen kurzen Zeitraum Prospect, also Anwärter auf eine Mitgliedschaft bei den Hells Angels gewesen sein will. Er habe dann aber geheiratet und sei wieder aus der Szene ausgestiegen. Ja, die beiden Angeklagten seien wie er auch am Altmarkt gewesen. Ob einer eine Waffe gehabt oder geschossen habe, habe er aber nicht gesehen. Als Zeugen geladene Angehörige der Großfamilie ziehen es vor, ganz zu den Tatumständen schweigen.

Am 4. Mai 2022 standen sich rund Beteiligte aus den beiden Gruppen gegenüber. Die Auseinandersetzung spielte sich innerhalb weniger Minuten ab. Sie war vermutlich verabredet und ist dann eskaliert. Mindestens 29 Schüsse fielen. Vier Menschen wurden teils schwer verletzt. Das Motiv ist noch offen. Den beiden 39-jährigen angeklagten Duisburgern wird unter anderem versuchter Mord vorgeworfen. Der Prozess wird am Mittwoch mit weiteren Vernehmungen fortgesetzt. Der Polizist von der Mordkommission „Markt“ soll zu einem späteren Zeitpunkt noch mal zu den Aufnahmen befragt werden.