Duisburg. Ein Clan-Mitglied soll neun Schüsse abgegeben haben, ein Rocker sieben. Vor Gericht sehen sie sich wieder. Nebeneinander auf der Anklagebank.
Die Vorstellung ist skurril - auf dem Hamborner Altmarkt standen sie sich gegenüber, auf der Anklagebank werden sie nebeneinander sitzen: Kamil D. (38), Mitglied einer bekannt-berüchtigten türkisch-libanesischen Großfamilie, und Oktay K. (39), der den Hells Angels angehören soll. In einem Monat beginnt vor dem Duisburger Landgericht der Prozess gegen die beiden Männer - weit mehr als anderthalb Jahre nach der Aufsehen erregenden Schießerei im Stadtnorden.
D. und K. sind die ersten und bislang einzigen beiden von insgesamt 51 Tatverdächtigen, die die Staatsanwaltschaft überführt zu haben glaubt. Die Ermittlungen gegen die übrigen Beteiligten dauern noch an. Sie haben teils erhebliche Vorstrafen. D. und K. sind mit dem Gesetz hingegen bislang gar nicht beziehungsweise kaum in Konflikt gekommen.
Schießerei in Duisburg: Ein Schütze ist abgetaucht - einer gar nicht identifiziert
Der Tatvorwurf wiegt schwer: Es geht in beiden Fällen um versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch. Laut Anklage soll Clanmitglied D. neun Schüsse abgegeben und drei Kontrahenten getroffen haben. Rocker K. feuerte demnach siebenmal mit einer Pistole und traf einen Gegner. Es fielen noch mehr Schüsse: Ein weiteres Mitglied der Großfamilie soll zehnmal geschossen haben. Der Mann ist danach abgetaucht - sein Aufenthaltsort bis heute unbekannt. Ein vierter Schütze konnte bislang gar nicht identifiziert werden.
Rund 100 Personen aus den beiden verfeindeten Lagern hatten sich am Abend des 4. Mai 2022 gezielt auf dem Hamborner Altmarkt getroffen. Es entwickelte sich, was Ermittler ein „dynamisches Geschehen“ nennen. Nachdem die Schüsse gefallen waren, sollen die Mitglieder des Clans geflohen sein. Die Hells Angels sollen dann noch ein Ladenlokal am Altmarkt verwüstet haben. Der Döner-Imbiss wird dem Einflussbereich der Großfamilie zugeordnet. Als die Polizei anrückte, suchten auch die Rocker das Weite.
Razzia bei Verdächtigen - Polizei findet Waffenarsenal
D. und K. waren bei einer Razzia rund ein Jahr nach der Schießerei festgenommen worden. Sie sitzen weiter in Untersuchungshaft. Weil bei ihnen ein ganzes Arsenal an Waffen sichergestellt worden war, geht es im Prozess auch um den Vorwurf des unerlaubten Waffenbesitzes. Die Tatwaffen fand die Polizei allerdings nicht. Sie sind verschwunden.
Wenn der Prozess am 7. Februar vor der als Schwurgericht tagenden 5. Großen Strafkammer im historischen Sitzungssaal 201 startet, „ist mit massiven Sicherheitsvorkehrungen zu rechnen“, sagt ein Sprecher des Landgerichts. Auch die Polizei werde dabei unterstützen. Vermutlich wird am ersten Verhandlungstag nur die Anklage verlesen. Mit einem schnellen Urteil ist nicht zu rechnen. Die Kammer hat bereits jetzt 16 weitere Verhandlungstage bis in den Juli angesetzt. Es könnte neben dem Mordfall Kai M. ein weiterer Mammut-Prozess am Landgericht werden.