Duisburg-Rheinhausen. Nach dem Loveparade-Stück wagt sich das Kom’ma-Theater Rheinhausen wieder an brisanten Duisburger Stoff. Im Fokus: Das Roma-Haus in den Peschen.
Shitstorm können sie aushalten. Das haben Regisseur René Linke und das Team vom Kinder- und Jugendtheater „Kom’ma“ schon 2020 gezeigt, als die Ankündigung ihrer Inszenierung zur Loveparade-Katastrophe die freie Bühne ordentlich durchschüttelte. Der Gegenwind beflügelte die Theatermacher, das Stück wurde hochgelobt und zum renommierten „Westwind Festival“ eingeladen.
René Linke hat ein Händchen für Themen, die Duisburg bewegen und keine Angst, sich die Finger zu verbrennen. Jetzt packt er wieder ein heißes Eisen an: Am Freitag, 22. September 2023, ist die Premiere von „Das Problemhaus“. Das von Roma bewohnte Bergheimer Haus in den Peschen hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt und wurde im August 2013 von der Polizei gestürmt und geräumt.
Duisburg-Newsletter gratis abonnieren + Seiten für Duisburg: Blaulicht-Artikel + MSV + Stadtteile: Nord I Süd I West + Themenseiten: Wohnen & Immobilien I Gastronomie I Zoo]
Anders als bei der Loveparade ist das Geschehen zehn Jahre später keine Vergangenheit. „Das Problem ist immer noch da“, sagt René Linke, der mit dem selbst geschriebenen Stück den Finger in die Wunde der verfehlten Zuwanderungspolitik bohrt. Wie aktuell die Problematik in Duisburg ist, zeigt ein Großeinsatz, bei dem die Stadt erst kürzlich im August mit ihrer neu eingerichteten „Stabsstelle Sozialleistungsbetrug“ die von Osteuropäern bewohnten Häuserblocks am Erlinghagenplatz in Friemersheim durchkämmt hat.
„Problemhaus“ in Duisburg-Bergheim: 1000 Roma in 70 Wohnungen
In den „Problemhäusern“ In den Peschen sollen es damals weit mehr als 1000 Roma gewesen sein, die auf engstem Raum in 70 Wohnungen hausen mussten. Gestank, Müll, menschenunwürdige Bedingungen, entsetzte Nachbarn und rechtsextreme Bedrohungen wurden in Rheinhausen zum explosiven Gemisch. Aber es gab auch die, die sich engagierten. Bürger hielten Nachtwachen zum Schutz der Roma. Und das Kom’ma-Theater kümmerte sich um die Kinder. Aus dieser Hilfsaktion entstand die mittlerweile preisgekrönte internationale Jugendbühne „Bahtalo“.
Wie bringt man einen brisanten Stoff wie diesen so auf die Bühne, dass er die Menschen auf sensible Art zum Nachdenken anregt? Als klassisches Theaterstück ganz sicher nicht. „Dieses heikle Thema braucht unterschiedliche Perspektiven“, beschreibt René Linke sein Konzept. „Da kann nicht einer den Hausbewohner und einer den Nachbarn spielen.“ Der Regisseur hat gemeinsam mit den vier Schauspielern eine spannende Lösung gefunden.
Kom’ma-Theater aus Duisburg-Rheinhausen kündigt ein „journalistisches Stück“ an
Sascha Bauer, Renate Frisch, Kaja Hansen und Anja Klein werden als Sprecher auf der Bühne stehen und das Drama um das Roma-Haus aus den unterschiedlichsten Perspektiven Revue passieren lassen. Die Schauspieler sprechen Zitate von Verwaltungsmenschen, Zugewanderten, Nachbarn, Polizisten, Journalisten und vielen mehr. Dem Text vorangegangen ist eine gewaltige Recherche. René Linke bezeichnet die Arbeit als „journalistisches Stück“.
Damit dieses fast schon dokumentarische Werk auf der Bühne nicht zu theoretisch daherkommt, haben die Theatermacher Video- und Tonkünstler mit ins Boot genommen. Über den Sprechern wird eine sieben Meter breite Leinwand hängen. Auf ihr bilden Zeitungsausschnitte, Zitate und Fotos den kunstvollen Rahmen. „Die Leinwand schwebt fast schon erdrückend über uns“, schildert Schauspielerin Kaja Hansen das Bühnenbild.
Theaterstück über das „Problemhaus“ in Duisburg: Komplizierte Recherche
Was genau damals in dem Haus In den Peschen geschah, ist schwer zu rekonstruieren. Bei der Recherche wurde deutlich, wie unterschiedlich die Betroffenen rückblickend allein den 23. August wahrnehmen, den Tag, als die Polizei das Haus mit 40 Einsatzkräften geräumt hat. Die Beschäftigung mit diesem Ereignis ist René Linke besonders unter die Haut gegangen. Er ist nicht nur ein Regisseur, der für seine Arbeiten sehr penibel recherchiert. Er paart diese Sorgfalt immer auch mit Intuition und viel Gefühl.
„Wir sind eine Bildungsinstitution, die die Leute nicht belehren, sondern berühren möchte“, formuliert Renate Frisch, Mitgründerin des Kom’ma-Theaters, den Anspruch. Mit dem „Problemhaus“ erwartet die Zuschauer eine emotionale Reise mit klarer Botschaft: Das Problem sind nicht die Menschen, die in dem Haus gelebt haben. Sie wurden mit dem Versprechen einer glücklichen Zukunft nach Duisburg gelockt und landeten in der bitteren Realität. Wie weh zerplatzte Träume tun können, wird das Stück fühlbar machen.
Nach Ankündigung von Duisburger Theater: Viele Hasskommentare im Netz
Aber auch andere Sichtweisen und Gefühle, zum Beispiel die Wut der Nachbarn, werden einen Platz auf der Bühne haben. Als bekannt wurde, dass das Kom’ma-Theater das „Problemhaus“ zum Theaterstück macht, kochten die Emotionen hoch – Hasskommentare in den sozialen Medien inklusive. „Wenn sich nur einer von ihnen in unser Stück setzt und vielleicht seine Haltung überdenkt, dann ist das alles ein Erfolg“, sagt Kaja Hansen über die Inszenierung, die am Schluss keine Lösung bieten wird. Theater schaut hin, zeigt her und stellt Fragen - die Antworten müssen andere finden.
Am Ende des Schauspiels, so viel verrät René Linke schon vorher, wird ein einziges Wort stehen: „Bahtalo“. Das ist aus der Sprache der Roma und heißt „Hoffnung“.
>>> INFOS UND TERMINE ZUM STÜCK „DAS PROBLEMHAUS“:
- An folgenden Terminen ist das Stück „Das Problemhaus“ im Kom’ma-Theater Rheinhausen, Schwarzenberger Straße 147, 47226 Duisburg zu sehen. Freitag, 22. September, 20 Uhr, Premiere.
- Weitere Vorstellungen: 23. September, 3./4. November. Tickets kosten 16 Euro (ermäßigt 8 Euro). Das Stück richtet sich an Zuschauer ab 16 Jahren.
- Kontakt: 0203/283-84 86, info@kommatheater.de, www.kommatheater.de.