Düsseldorf. Am 23. Oktober ist der Gerichtsprozess zum tödlichen Hauseinsturz vor vier Jahren in Düsseldorf gestartet. So lief der erste Prozesstag.
- Im Juli 2020 stürzte im Düsseldorfer Stadtteil Friedrichstadt ein Haus ein. Unter den Trümmern starben zwei Arbeiter.
- Nun startet am Landgericht Düsseldorf der Prozess gegen die fünf mutmaßlichen Verantwortlichen.
- Ihnen wird unter anderem fahrlässige Tötung vorgeworfen.
Fast eine Stunde dauerte die Verlesung der Anklage am ersten Tag des Prozesses rund um den Einsturz eines Hauses in der Düsseldorfer Luisenstraße. Zwei Männer, die damals 35 beziehungsweise 39 Jahre alt waren, starben unter den Trümmern, andere Arbeiter, die im Gebäude beschäftigt waren, konnten sich retten. An diesem Mittwoch (23. Oktober), mehr als vier Jahre nach dem Hauseinsturz, stehen fünf für das Bauprojekt Verantwortliche vor dem Düsseldorfer Landgericht. Der Vorwurf lautet: fahrlässige Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Baugefährdung.
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Tödlicher Hauseinsturz in Düsseldorf: Fünf Angeklagte zwischen 52 und 71 Jahren
Staatsanwalt Murat Ayilmaz nutzte die ausführliche Klageverlesung, um gegenüber dem Gericht, den Angeklagten und auch den rund 30 Anwesenden im Zuschauerbereich ein Bild höchst fahrlässiger Bauplanung zu zeichnen. So sei es nicht einfach nur ein Unglück gewesen, sondern eine Verkettung ausbleibender Prüfungen und verletzter Sorgfaltspflichten, die letztlich zum tödlichen Hauseinsturz geführt hätten.
Der Auslöser waren demnach drei Wanddurchbrüche zwischen zwei Räumen, die später Großraumbüros in dem Gebäude an der Luisenstraße hätten werden sollen. Diese hätten eine tragende Wand so weit geschwächt, dass diese zusammengebrochen war. Was Ayilmaz in der Klageschrift versuchte aufzuschlüsseln, war der Weg, der zu dem Einsturz geführt und zwei Menschen das Leben gekostet hatte. Und so stand Petra L., die Architektin des Projekts, im Zentrum der Anklage.
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Welche Verantwortung hat die angeklagte Architektin: Hauseinsturz in der Luisenstraße
Die 54-Jährige dreifache Mutter aus Düsseldorf hatte sich 2000 selbstständig gemacht, wie sie vor Gericht erzählte. Es war eine der wenigen kurzen Male, in denen die Angeklagten selbst das Wort ergriffen. Laut Staatsanwaltschaft habe sich die Architektin gleich mehrfach fahrlässig verhalten. So legte diese mehrfach Baupläne vor, bei denen die Statik nicht ausreichend geprüft worden sein soll. So sah der aktuellste Plan, der erst wenige Tage vor dem Einsturz aktualisiert worden war, eine Anpassung der drei fraglichen Durchbrüche und eine Verkleinerung der dazwischenliegenden Pfeiler vor.
Aber auch fehlende Sorgfalt bei der Überprüfung der Statikberechnungen, das Fehlen eines Sicherheits- und Gesundheitskoordinators an der Baustelle und die Vergabe des eigentlichen Abbruches an ein Unternehmen, welches nicht über das technische Wissen für die Arbeiten verfügte, werden ihr und den anderen Angeklagten in unterschiedlichem Maße vorgeworfen. Gerade der letzte Punkt wurde auch dem damaligen Bauleiter, ein 61-Jähriger aus Solingen sowie dem beauftragten Subunternehmer, ein 52-Jähriger aus Duisburg, angelastet.
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Angeklagter Bauingenieur: Wurde falsche Wanddicke bei Berechnungen verwendet?
Auch ein 63-jähriger Bauingenieur aus Mönchengladbach befand sich unter den Angeklagten. Er war zwar erst im Verlauf des Projekts hinzugezogen worden, habe jedoch mangelhafte Berechnungen bei der Statik zu verantworten. Bezogen auf den Bericht eines Gutachters, der den Einsturz untersuchte, erklärte der Staatsanwalt, dass der 63-Jährige eine falsche Wanddicke für seine Berechnungen herangezogen hätte. So hätte nicht-tragender Putz die Wand dicker erscheinen lassen, jedoch hätte ein Blick in die alten Baupläne gereicht, um diesen Irrtum bemerken zu können. Dies ist auch insofern interessant, da ursprünglich ein sechster Mann mitangeklagt war, die Klage gegen ihn jedoch vom Gericht abgelehnt wurde. Das Verhalten des Prüfingenieurs habe rechtlich keinen Zusammenhang mit dem Unglück.
Immer wieder hätten Prüfungen, die Einhaltung der Sorgfaltspflichten und sicherheitsbewusstes Arbeiten das Schlimmste verhindern können, das schien die Argumentation der Staatsanwaltschaft zu sein. Die fünf Angeklagten sowie ihre Verteidiger ließen diesen Vortrag scheinbar regungslos über sich ergehen. Neben der angeklagten Architektin, die kurz ausführlichere Angaben zu ihrer eigenen Person machte, gab nur noch einer der Angeklagten über seine Anwältin eine erste Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.
In dieser nannte sie den Einsturz „ein tragisches Unglück“ und die Anklage eine Hypothese der Staatsanwaltschaft, die man zu widerlegen gedenke. Denn ihr Mandant, ein 71-jähriger Bauunternehmer aus Solingen, wäre einerseits nicht an der Beauftragung eines nicht sachkundigen Subunternehmens beteiligt gewesen, und hätte andererseits gar keine Kenntnisse über die Wanddurchbrüche gehabt. Ob sich diese Angaben erhärten lassen, wird sich im Verlauf des kommenden Prozesses zeigen. Auch andere Angeklagte ließen über ihre Anwältinnen und Anwälte mitteilen, dass sie sich im Verlauf des Verfahrens noch zu den Vorwürfen äußern wollen.
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Beileid für die Hinterbliebenen nach vier Jahren: Anwalt hat Zweifel
Ansonsten ergriff nur einer der Angeklagten, der 61-jährige Harald O. aus Solingen, das Wort und richtete sich direkt an die Nebenkläger. Es sei viel über Texte gesprochen worden, so O., „aber ich finde, es ist auch wichtig über Menschen zu sprechen.“ Er drückte den Angehörigen der Opfer sein tiefstes Beileid aus. Dem entgegnete kurz darauf einer der Anwälte der Nebenkläger und äußerte Zweifel an der Aufrichtigkeit der Beileidsbekundung. „Vier Jahre wurde vonseiten der Angeklagten gemauert“, erklärte dieser.
Man hätte in den vergangenen vier Jahren jederzeit über ihn das Beileid an die Hinterbliebenen übermitteln können. Dies sei aber nicht geschehen. Stattdessen lebe die Witwe eines der Opfer jetzt mit den gemeinsamen Kindern von Sozialhilfe. „Ein untragbarer Zustand ist das“, so der Anwalt. Bei der letzten Aussage konnte man kurz Klatschen aus dem Zuhörerraum hören, dieses wurde jedoch quasi im selben Moment auch schon von den Gerichtsdienern mit strengem Blick unterbunden.
Für den Prozess hat das Landgericht bis zum 26. Februar kommenden Jahres 16 Verhandlungstage angesetzt.