Düsseldorf. Nach den blutigen Attacken der letzten Wochen herrscht in der Düsseldorfer Altstadt große Unruhe. Unterwegs mit einer Streife des Ordnungsamtes.
Laute Musik hallt durch die Bolkerstraße. Menschen sitzen in den Bars, trinken bunte Cocktails, lachen. Die Stimmung in der Düsseldorfer Altstadt scheint ausgelassen, die Restaurants vollbesetzt. Vordergründig erinnert hier nichts mehr an das, was in den vergangenen zwei Wochen geschehen ist: In der Nacht zum 16. Oktober wird ein junger Mann mit einer abgebrochenen Flasche schwer verletzt. Wenige Tage später stirbt der 19-Jährige in einer Klinik. Eine Woche später wird ein Jugendlicher durch mehrere Messerstiche lebensgefährlich verletzt. Der Minderjährige überlebt die Attacke - mit viel Glück.
„So schlimm, wie es derzeit ist, war es in der Düsseldorfer Altstadt noch nie“, sagt Bastian Ufer, der bereits seit 18 Jahren beim Düsseldorfer Ordnungsdienst arbeitet und für die Stadt Streife läuft. Wegen der brutalen Vorfälle der vergangenen zwei Wochen hat die Stadt die Personenanzahl der Dienstgruppen aufgestockt, sagt Ufer. Normalerweise wäre er an diesem Freitagabend alleine mit seiner Kollegin Simone Schütten losgezogen. Kollege Thomas Kirst soll die beiden nun während der Schicht unterstützen. In erster Linie soll das Dreierteam die Einhaltung der Corona-Regeln in den Gaststätten überprüfen.
Stadt Düsseldorf hat Videoüberwachung in der Altstadt ausgeweitet
Während der Streife sollen die Ordnungsdienstmitarbeiter aber auch auf Personengruppen achten, die sich auffällig aggressiv verhalten und auch Gegenden kontrollieren, die nicht sehr belebt sind. „Der Kontrolldruck nach diesen Vorfällen muss jetzt ganz groß sein“, appelliert Ufer. Und das ist er. Je später der Abend, desto mehr Polizisten der Hundertschaft und Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt sieht man durch die Straßen der Altstadt gehen. Alle paar Meter sind zudem Hinweisschilder zur Videoüberwachung angebracht, die erst Anfang Oktober in der Altstadt erweitert wurde.
Ob die Vorfälle das Arbeiten für Ufer verändert haben? „Ich darf in meinem Job keine Angst haben“, antwortet er ganz selbstverständlich. Was während der Nachtschicht passiert, könne man natürlich nie sagen. Er wirkt nachdenklich und erzählt dann: „Vor noch gar nicht so langer Zeit, während der Pandemie, mussten wir einen Betrieb räumen, weil dort die Corona-Regeln nicht eingehalten wurden. Eine Personengruppe von etwa zehn Männern wollte dies nicht akzeptieren und hat versucht wieder gewaltsam in den Laden reinzukommen. Es ging im Endeffekt so weit, dass wir uns eingeschlossen und dann auf die Polizei gewartet haben.“ Die lange Zeit der Pandemie habe die Menschen aggressiver werden lassen, schätzt Ufer.
Mehr Widerstand gegen Mitarbeiter des Ordnungsamtes während der Pandemie
Im Vergleich zu 2019 habe es bereits bis Oktober 2021 30 Prozent mehr Widerstand gegen Mitarbeiter des Ordnungsamtes gegeben in Düsseldorf, berichtet er. „Und wir kennen nur die Zahl der Angriffe gegen unsere Kolleginnen und Kollegen.“ Ziehe man die Übergriffe auf Polizeibeamte noch hinzu, ergebe sich ein klares Bild: Die Gäste in der Düsseldorfer Altstadt seien aggressiver geworden, die Stimmung kippe schneller ins Negative – vor allem, wenn Alkohol im Spiel ist.
„Wieso muss aber erst immer was passieren, damit die Präsenz von Stadt- und Polizeimitarbeitern aufgestockt wird?“, fragt Bülent Hali. Er ist seit 35 Jahren Inhaber der Musikbar Hexe auf der Bolker Straße: „Noch nie habe ich so viele Polizisten gesehen wie heute Abend“. Nicht nur seine Gäste würden sich so aber sicherer fühlen: „Meine Mitarbeiterinnen beklagen so häufig, dass sie Angst haben nach ihrer Schicht durch die Altstadt zu laufen, gerade nachdem, was passiert ist.“ Auch, wenn die Hexe an diesem Abend gut besucht ist, befürchtet Hali trotzdem, dass die Gäste der Altstadt fernblieben: „Ich habe bereits drei Absagen für große Familienfeiern. Auf Nachfrage für den Grund wurden jedes Mal die Vorfälle der vergangenen zwei Wochen genannt.“
Düsseldorfer Gastronom: „Wir müssen dringend gegenlenken“
Genau das dürfe aber nicht passieren, das Problem sei nicht die Altstadt, ist sich Andreas Apostolakis, Inhaber der Boston Bar, sicher. Genau wie Hali betreibt auch Apostolakis seine Gastronomie mitten in der Düsseldorfer Altstadt, in der Nähe des Bolkerplatzes. Er glaube, dass sich gerade bei Jugendlichen „viel angestaut hat während der Pandemie“, das sich durch die geschehenen Übergriffe entlädt. „Wir müssen da dringend gegenlenken“, lautet seine Meinung. Er sei „ein großer Befürworter der Waffenverbotszone und von mehr Kontrollen“.
Diese geben auch Britta und ihrer Freundin ein „total sicheres Gefühl“. Sie haben den Abend in der Boston Bar mit einem Glas Weißwein verbracht. Nun soll es nach Hause gehen. „Jetzt alleine hier durch die Straßen zu laufen, macht mir nichts aus, obwohl ich weiß was passiert ist“, sagt sie.
Eine Straße weiter sieht es Romy schon ein wenig anders: „Je später der Abend, desto höher der Alkoholpegel, desto höher das Aggressionspotenzial. Ich finde, es kommt immer auf die Uhrzeit an. Nachts um zwei Uhr gehe ich hier nicht mehr alleine entlang“, gibt sie zu.
Dann endet auch die Schicht von Ufer und seinen Kollegen, „wenn nicht wieder etwas Schlimmes passiert“, sagt er.