Dinslaken. Dass die Bahn an ihrer Straße eine 8,5 Meter hohe Wand errichtet, hat Karin Resch erst erfahren, als es zu spät war. Wie es dazu kommen konnte.

Lesen Sie eigentlich das Amtsblatt? Das Medium also, in dem die Stadt gesetzlich vorgeschriebene Bekanntmachungen veröffentlicht? Sollten Sie aber! Sonst könnte plötzlich eine meterhohe Wand vor Ihrem Haus stehen. So ist es nämlich Karin Resch gegangen. Die Deutsche Bahn erweitert die Strecke zwischen Emmerich und Oberhausen um ein drittes Gleis. Im Rahmen dieser Erweiterung wird an der Hochstraße - und ebenso an der Hedwigstraße - eine bis zu 8,50 Meter hohe Wand, bestehend aus einer Betonstützwand im unteren Bereich und dem Lärmschutz im oberen Bereich errichtet. Genau gegenüber von Karin Reschs Haus (wir berichteten). Erfahren hat sie davon aber erst, als der Betonwall schon im Bau war. Wie konnte das passieren?

„Die Planungen der Deutschen Bahn zur Betuwelinie und der Schallschutzwände entlang der Linie zum Schutz der Anwohner wurden bereits vor ca. 15 Jahren öffentlich thematisiert. In den vergangenen Jahren gab es viele Veranstaltungen zur Planung mit Bürgerbeteiligungen. Die Pläne wurden öffentlich ausgelegt und jeder hatte die Möglichkeit, Vorschläge einzubringen und Einwände zu erheben.“ Das antwortete die Stadt Dinslaken der Anwohnerin auf deren empörte Mail im Frühjahr 2024.

Ursprüngliche Planung sah Mauer nicht vor

Allerdings war dieses „Ungetüm“, wie Karin Resch es nennt, in den ursprünglichen Planungen gar nicht vorgesehen. Das hat Verena Barton von der Pressestelle der Stadt Dinslaken für die NRZ recherchiert. In den Planfeststellungsunterlagen, die Ende 2012 für einen Monat einsehbar waren, wurden zwar etwa „für die gesamte Strecke die entsprechenden Schallschutzwandhöhen benannt“, so die Stadtsprecherin. Aber „die Stützwand im Bereich der Hochstraße“ sei „noch kein Thema gewesen. Die Bahn ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass die vorhandene in Dammlage befindliche Fläche auch für die Anlage des dritten Gleises ausreicht.“

Denn bis dahin verliefen die beiden Bahngleise auf einem Damm, dessen „begrünte Böschung zumindest während der Vegetationsphase die Sicht auf die Bahn in weiten Teilen wegnimmt“. Das erklärte die Stadt Anfang 2013 in ihrer Stellungnahme zu den ursprünglichen Planungen der Bahn. Weil das zusätzliche Gleis aber genau im Bereich der Hochstraße die Seite wechseln soll „fällt die Böschung in weiten Teilen weg, sodass die an dieser Stelle in einer Höhe von vier Meter ab Schienenoberkante geplante Schallschutzwand als dominantes Bauwerk wahrgenommen wird, auch wenn hier in Teilbereichen eine Begrünung der Wand selbst vorgesehen ist“. So die Stadt damals. Von einer Betonwand war noch keine Rede.

Karin Resch sieht sich künftig eine hohen Mauer gegenüber.
Karin Resch sieht sich künftig eine hohen Mauer gegenüber. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Änderung - ohne Hinweis auf betroffene Straße

Spätere Änderungen an den Plänen werden in einem sogenannten Deckblattverfahren abgehandelt. Dabei haben laut Stadtsprecherin die Betroffenen nochmals „die Möglichkeit, Einwendungen zu den geänderten Planungen zu erheben.“ Geregelt sei das im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und unter den Planfeststellungsrichtlinien des Eisenbahn Bundesamtes (PFRL). Eine solche Änderung habe sich 2016 für den Bereich der Hochstraße ergeben. „Die ursprüngliche Herangehensweise der Bahn, das dritte Gleis in dem bestehenden Querschnitt unterzubringen, musste fallen gelassen werden. Um die notwendige Fläche für das dritte Gleis zu generieren, ist hier erstmalig die Betonstützwand in das Verfahren eingebracht worden. Aussagen zu der Stützwand im Bereich der Hochstraße und der geplanten Höhe von 1,5 bis 4,0 Meter sind im Lageplan, im Erläuterungsbericht und im Bauwerksverzeichnis zu finden“, so Stadtsprecherin Verena Barton.

Die Stadtverwaltung kritisierte diese Pläne 2016 ausdrücklich in ihrer Stellungnahme an das Eisenbahnbundesamt und legte die geänderten Planungen wie vorgeschrieben öffentlich aus - vom 24. Februar bis 23. März 2017. Es gab auch eine Bürgerinfo der Bahn. Auf Bürgerinfo und Offenlage wurde in einer Pressemitteilung der Bahn beziehungsweise im Amtsblatt Nr. 3 vom 15. Februar 2017 hingewiesen. Der Begriff Hochstraße fällt dort allerdings nirgendwo. Abgesehen davon kennt Karin Resch das Amtsblatt als solches gar nicht. Genau zu diesem Zeitpunkt aber hätte sie Einwendungen gegen die Planungen erheben müssen.

Im Nachgang habe es noch ein zweites Deckblattverfahren gegeben, so die Bahnsprecherin. Dabei ging es um das Notfall- und Rettungskonzept. Weil hier von den Änderungen „nur wenige Personen betroffen“ waren, wurden diese direkt angeschrieben. Spätere Änderungen wurden 2023 öffentlich ausgelegt.

Begrünung nicht mehr vorgesehen

Dass sie künftig auf eine „Berliner Mauer 2.0“, wie sie sagt, schaue, das wurde Karin Resch erst bei der digitalen Bürgerinfo der Bahn im Frühjahr 2024 bewusst, als die Hochstraße schon Baustelle war. Da war es aber zu spät, um sich wehren zu können. „Dass an den Plänen der Bahn nichts mehr geändert werden kann, ist mir klar, allerdings kann an der Hochstraße etwas geändert werden“, findet Karin Resch. Sie wünscht sich, dass die XXL-Mauer zumindest begrünt wird.

Aber die ursprünglich angedachte Begrünung der Schallschutzwand hat sich erledigt. Für eine Begrünung der Stützwand fehle der Platz, heißt es. Denn dafür müsste laut Bahn ein Rankgitter zwei Meter vor die Wand gesetzt werden. Karin Resch schlug der Stadt vor, die Hochstraße zur verkehrsberuhigten Straße zu machen und den Radweg zu verschmälern oder wegfallen zu lassen. Die Antwort: Das sei „aus verkehrsrechtlicher Sicht leider nicht möglich“. Außerdem müsse der Beton sichtbar bleiben, „um eventuelle Fehlstellen (bspw. Risse) frühzeitig erkennen zu können“, so die Deutsche Bahn. Die Wand könne mit Graffiti verschönert werden, tröstete die Stadt die Anwohnerin: „Das hat sich schon an anderen Stellen bewährt.“

Hier entstehen Stützmauern

Die Stützwand Hochstraße beginnt laut Deutscher Bahn ab der Hausnummer 37 und endet am Kreisverkehr Hochstraße/Krengelstraße. In Richtung Bahnhof Dinslaken steigt auch die Höhe der Stützwand an. Die Höhe beginnt bei circa 2,5 Metern und endet bei knapp 4 Metern. Auf der Stützwand steht die 4,5 Meter hohe Schallschutzwand. Die Hochstraße werde also „durch eine insgesamt circa 6 bis 8,50 Meter hohe Barriere von der Bahnlinie abgeschottet sein“, so die Stadt. 

An der Hedwigstraße beginnt die Stützwand laut Deutscher Bahn auf Höhe der Lackierei Stricker und endet bei Hausnummer 51A. Im Bereich der Bäckerei Bienemann macht die Stützwand einen Versatz zum Gleis hin. Die Höhe erstreckt sich hier zwischen vier und 4,5 Metern. Die Höhe der Schallschutzwand beträgt hier fünf Meter.

„Ich habe das Gefühl, eingeknastet zu werden, das ist so bedrückend“

Karin Resch

Karin Resch ist unglücklich: „Ich habe das Gefühl, eingeknastet zu werden, das ist so bedrückend.“ Und dass die Deutsche Bahn „alle Eingriffe in Flora und Fauna kompensiert“, wie die DB der Stadt mitteilt, hilft ihr dabei wenig. Denn die „zahlreichen Gehölze“, die als Ausgleich für die weggefallene Böschung gepflanzt werden, werden an der Landwehrstraße gesetzt. Also auf der anderen Seite der Gleise und der rund acht Meter hohen Wand.

Das Amtsblatt ist auf der Homepage der Stadt unter „Stadt und Bürgerservice“ und dann „Aktuelles“ zu finden.