Voerde/Hünxe/Kreis Wesel. Fünf Polizeiwachen im Kreis sollen zu Dienststellen herabgestuft werden – auch die in Voerde und Hünxe. Sie zählen künftig zum „Wachbereich Ost“.
Nun ist es offiziell: Das noch im Bau befindliche neue Polizeigebäude in der Voerder Stadtmitte soll nur in der Zeit von 8 bis 16 Uhr besetzt sein und nicht wie der jetzige Standort an der Frankfurter Straße Tag und Nacht. Die dort rund um die Uhr gegebene Präsenz begründete Rüdiger Kunst, Abteilungsleiter Polizei des Kreises Wesel, am Mittwoch während eines Pressegesprächs bei der Kreispolizeibehörde Wesel mit dem Zustand des Gebäudes. Dieses sei so veraltet, dass die dort gelagerten Waffen bewacht werden müssten. Die vonseiten der Kreispolizeibehörde geplante drastische zeitliche Reduzierung des Wachdienstes in Voerde ist Teil einer „Organisationsoptimierung“.
Die aktuelle Aufbauorganisation behindere, wie es heißt, in einigen Bereichen eine optimale Aufgabenbewältigung. Die Anforderungen an die Polizei hätten sich in den vergangenen Jahren verändert. Phänomene wie etwa ein Anstieg der Internetkriminalität und eine „insgesamt knappe Personalstärke“ hätten bislang in die alte Struktur integriert werden müssen. Außerdem entsprächen einige Mietgebäude „nicht den aktuellen Sicherheitsstandards“ – weshalb in Voerde ein Neubau entsteht.
Neue Räumlichkeiten auch in Hünxe
Für die drei Polizeidienststellen in Hünxe-Drevenack, Hamminkeln und Rheinberg würden Räumlichkeiten an exponierter Stelle gesucht, um die Präsenz im Ort zu gewährleisten. In Hünxe können die Bürgerinnen und Bürger in Zukunft keine Anzeige mehr erstatten. Dort soll es nicht einmal tagsüber einen Wachdienst geben. Dies ist laut Polizei in Hamminkeln bereits der Fall.
Kernpunkt der angestrebten Organisationsoptimierung ist die Konzentration der Kräfte: Künftig sollen die Polizistinnen und Polizisten des Wach- und Wechseldienstes an fünf – statt bisher zehn – zentralen Standorten ihren Dienst beginnen. Sie werden von den weiterhin rund um die Uhr besetzten vier Wachen in Wesel, Dinslaken, Moers und Kamp-Lintfort sowie aus der Kamp-Lintforter Dependance Xanten alle Städte und Gemeinden, aufgeteilt in den bestehenden Bezirken, bestreifen.
Die fünf übrigen Wachen in Voerde, Hünxe-Drevenack, Hamminkeln, Neukirchen-Vluyn und Rheinberg werden zu Polizeidienststellen herabgestuft. Nach der Umstrukturierung bilden Dinslaken, Voerde, Hünxe und Schermbeck den neuen „Wachbereich Ost“ – in Dinslaken ist der zentrale Standort mit Voerde und Hünxe/Schermbeck als Streifenbezirke. In der Folge wird es auch in Voerde keine Wachleitung mehr geben, sondern eine Bezirksdienstleitung. Der jetzige Wachleiter in Voerde gehe in den Ruhestand, erklärte Rüdiger Kunst. Die Funktion des Bezirksdienstleiters übernehme der Chef der Dinslakener Polizeiwache.
An zwei der geplanten Polizeidienststellen gibt es eine Besonderheit: In Voerde und in Neukirchen-Vluyn werden Motorradpolizisten und Hundeführer ihre Diensträume beziehen, von wo aus sie dann ihre Aufgaben und Einsätze wahrnähmen. Beide Standorte sollen zukünftig als Polizeisonderdienst-Wachen (PSD-Wachen) fungieren. Im Kreis Wesel tun nach Angaben von Rüdiger Kunst insgesamt etwa zwölf Motorradpolizisten und fünf Hundeführer ihren Dienst. Sie sollen auf die geplanten PSD-Wachen in Voerde und Neukirchen-Vluyn verteilt werden. Von einer „deutlich spürbaren“ Polizeipräsenz dort ist die Rede.
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Auch soll in dem neuen Polizeigebäude in Voerde das Verkehrskommissariat 2 angesiedelt werden, das bislang an zwei Standorten in Wesel und einem in Dinslaken beheimatet war. Das bislang in Moers und Kamp-Lintfort ansässige Verkehrskommissariat 1 wird in Kamp-Lintfort konzentriert.
Die Möglichkeit, im Kreisgebiet bei der Polizei persönlich rund um die Uhr Anzeige zu erstatten, wird sich nach den Planungen künftig nur noch an den vier Hauptstandorten in Wesel, Dinslaken, Moers und Kamp-Lintfort bieten – und wie in Voerde tagsüber von 8 bis 16 Uhr noch in Rheinberg, Neukirchen-Vluyn und Xanten.
Polizeiführung: Der Standort der Wache „ist nicht entscheidend“
Trotz der tiefen Einschnitte betonte die Polizeispitze am Mittwoch immer wieder, dass sich durch die „Aufgabenoptimierung“ für die Menschen nichts ändere. Für deren Sicherheit in den jeweiligen Bereichen sei gesorgt. Entscheidend dafür sei nicht der Standort der Wache, sondern die strategische Ausrichtung der Einsatzkräfte: „Wir können gewährleisten, dass rund um die Uhr Streifenwagen in den einzelnen Gebieten unterwegs sind“, erklärte Rüdiger Kunst. Die Anzahl der Streifenwagen und die aktuellen Streifenbereiche blieben die gleichen. Auch die Bezirksdienstbeamten mit ihren Kenntnissen „über die besonderen Verhältnisse in den jeweiligen Gemeinden“ sollen weiter am Ort tätig sein. In Voerde seien dies vier an der Zahl.
„Sicherheit wird nicht im Dienstgebäude gemacht“, konstatierte der leitende Polizeidirektor. Sicherheit werde vor Ort durch die Bezirksdienstbeamten und die „operativen Kräfte auf der Straße“ gemacht. Die Polizei werde dort gebraucht, sagte Kunst mit Blick auf die an dann vier Polizeidienststellen nur noch in der Zeit von 8 bis 16 Uhr geplante Besetzung. Ursprünglicher Plan in Voerde war gewesen, vor einer nächtlichen Teilschließung der neuen Polizeiwache in der Stadtmitte (Friedrichsfelder Straße) zwischen 22 und 6 Uhr zunächst die Frequentierung in diesem Zeitraum über mehrere Monate zu erfassen.
Dies wurde am Ende offenbar nicht mehr als erforderlich erachtet. Rüdiger Kunst verwies auf Erfahrungen in anderen bereits bestehenden Polizeiwachen in der Ortsmitte. Aus dem ursprünglichen Plan, die Polizeiwache in den Nachtstunden zu schließen, ist nun am Ende ein noch viel weitergehender geworden.
Wann die Umstrukturierungspläne der Kreispolizeibehörde umgesetzt werden, ist noch offen. Das Innenministerium trifft dazu die Entscheidung. Sobald diese vorliegt, erfolge die Feinabstimmung, erklärte Kunst. Ein entscheidendes Datum ist dabei die Fertigstellung der neuen Polizeiwache in Voerde. Das Gebäude soll im Frühjahr 2022 bezugsfertig sein.
>>Info: Hintergrund
Die Polizeiführung betonte bei der Vorstellung der geplanten Organisationsoptimierung am Mittwoch während der Pressekonferenz im Beisein von Kreisdirektor Ralf Berensmeier als allgemeiner Vertreter von Landrat Ingo Brohl, der an dem Tag erkrankt war, dass die Anpassungen notwendig seien, damit auch weiterhin alle Streifenwagen besetzt werden können oder die Kripo vernünftig ermitteln kann.
Seit 2014 hat die Kreispolizei Wesel rund 50 Mitarbeitende verloren. Durch die Umwandlung der Wachen zu Dienststellen sollen keine Nachteile entstehen. Der Kreis Wesel habe derzeit mit zehn Wachen die drittmeisten aller Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen, nur die Großstädte Köln und Dortmund lägen dadrüber.
Sorgen um längere Anfahrtswege zu einem Ansprechpartner der Polizei müsse sich niemand machen, sagte die Polizeispitze. Auch die Fahrtzeiten zu den Einsätzen sollen sich nicht verlängern. (rku)