Oberhausen. In Spanien war Marta (29) arbeitslos. Nun arbeitet sie als Erzieherin in einer Oberhausener Kita. Funktioniert das trotz Sprachbarriere?

Marta legt den blauen Holzklotz auf den wackeligen Turm. Der kleine Junge starrt sie an. Langsam zieht Marta Sara Gonzalez Castillo ihre Hand weg. „Juhu“, ruft der Junge. „Jetzt brauchen wir nur noch ein Dach“, sagt er. „Bien! Dann such es mal“, sagt die Erzieherin und zeigt auf die Kiste mit den bunten Klötzen.

Die 29-Jährige wurde auf Gran Canaria geboren, studierte in Madrid und arbeitet nun in der Caritas-Kita „Regenbogenland“ in Oberhausen. Sie ist eine von insgesamt 21 spanischen Fachkräften, die seit kurzem in NRW leben – und in denen viele eine Lösung für den Kitanotstand sehen.

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Denn während hierzulande 10.000 Fachkräfte fehlen, gibt es in Spanien mehr Erzieherinnen und Erzieher als Jobs. Die Bundesagentur für Arbeit wirbt daher schon seit einigen Jahren gezielt spanische Fachkräfte an. 2023 wurden rund 200 von ihnen in deutschen Kitas eingestellt, vor allem in Bremen und Baden-Württemberg. Im vergangenen Winter ist NRW in das Pilotprojekt eingestiegen. Mit Erfolg?

Ausländische Erzieherin in Oberhausen: „Es gibt kaum Jobs in Spanien“

Marta trägt die langen blonden Haare offen, hat ein breites Lächeln. Sie hat in Madrid frühkindliche Erziehung und Grundschulpädagogik studiert, sich dabei auf Kinder und Jugendliche mit Behinderung spezialisiert. Zwei Jahre lang konnte sie in dem Bereich arbeiten, dann wurde sie arbeitslos. „Es gibt kaum Jobs in Spanien. Fast alle, mit denen ich studiert habe, machen heute etwas anderes“, sagt sie.

Marta aber wollte ihren Traumjob nicht aufgeben. Als sie von der Möglichkeit erfuhr, in Deutschland zu arbeiten, war sie sofort begeistert. „Ich habe in der Schule Deutsch gelernt und war mit meiner Klasse mal da. Ich liebe Deutschland“, sagt sie. Nach ersten virtuellen Bewerbungsgesprächen hospitierte sie im Frühjahr schließlich in zwei Oberhausener Einrichtungen.

Erzoeher aus dem Ausland
Claudia Bienen ist Teamleiterin der Kita „Regenbogenland“ in Oberhausen und freut sich über die neue spanische Fachkraft in ihrer Einrichtung. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Dabei lernte sie den Kita-Alltag kennen, aber auch die Stadt. Die Erzieherinnen gingen mit ihr nach Feierabend im Kaisergarten spazieren, besuchten das Centro und eine Ausstellung im Gasometer. „Wir haben uns schon sehr um Marta bemüht“, sagt Claudia Bienen. Sie ist Teamleitung der „Regenbogenland“-Kita und stand dem Vorhaben erst skeptisch gegenüber.

„Ich war mir nicht sicher, ob es trotz der Sprachbarriere klappen würde“, sagt sie. „Aber schon als Marta zur Hospitation da war, hat sie all meine Zweifel ausgeräumt. Wir haben gemerkt: Es kommt gar nicht auf die Sprache an, sondern darauf, wie Menschen mit Kindern umgehen, welche Empathie sie mitbringen.“ Umso glücklicher sei sie gewesen, als Marta sich tatsächlich für ihre Einrichtung entschied.

Spanische Erzieherinnen in NRW? „Projekt hat sich zerschlagen“

Schließlich war die Konkurrenz groß. Es gab weit mehr potenzielle Stellen als spanische Fachkräfte. 21 Spanierinnen und Spanier wurden letztendlich für das Projekt gewonnen. Vier von ihnen arbeiten nun in Essen, die anderen haben sich für Kitas im Münsterland und Wuppertal entschieden.

Viele Städte und Träger gingen leer aus. Einige von ihnen kritisieren das Projekt nun als gescheitert. „Es hat sich leider zerschlagen. Uns wurden keine passenden Bewerberinnen und Bewerber vorgeschlagen. Vor allem das fachliche Profil war für den Einsatz in unseren Einrichtungen nicht passend“, heißt es etwa vom Kita-Zweckverband.

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Tatsächlich müssen die spanischen Fachkräfte nicht nur Deutsch, sondern auch inhaltlich viel Neues lernen. „An spanischen Hochschulen wird natürlich nicht das deutsche Jugendschutzgesetz gelehrt oder über die Dokumentationspflicht in deutschen Kitas aufgeklärt. Da haben die spanischen Fachkräfte ein Wissensdefizit“, sagt Marcel Schmutzler von der Bundesagentur für Arbeit. Er stellt klar: „Es sind keine Fachkräfte, die von heute auf morgen auf der Matte stehen.“

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Auch Marta musste trotz ihrer Deutschkenntnisse noch einen Sprachkurs absolvieren. Während sie sich mit der deutschen Grammatik quälte, schlugen Arbeitsagentur und Caritas sich mit der Bürokratie herum. So mussten Martas Dokumente übersetzt, eine Wohnung für sie gefunden werden. Im September konnte sie ihre Stelle dann endlich antreten.

Strengere Erziehung, größere Kita-Gruppen

An diesem Vormittag hilft sie einem Kind beim Basteln. Dass sie hier so kreativ arbeiten kann, damit habe sie nicht gerechnet. „In Spanien gehen Kinder ab drei Jahren in eine Art Vorschule. Sie müssen viel lernen, fleißig sein. Es ist sehr streng,“ erzählt sie. Positiv überrascht gewesen sei sie auch davon, dass sie nun zusammen mit einer Kollegin „nur“ 15 Kinder betreue. „In Spanien passt man alleine auf eine Gruppe mit 30 Kindern auf.“

Das einzige, was ihr manchmal noch schwerfällt, ist die Sprache. „Aber wenn ich ein Wort mal nicht kenne, sage ich zu den Kindern zum Beispiel: ,Auf Spanisch heißt das ,elefante‘. Und auf Deutsch?‘ Dann helfen sie mir“, sagt Marta. Für sie steht fest: Nach Oberhausen zu kommen, war genau die richtige Entscheidung.

Ob in Zukunft weitere spanische Fachkräfte ihrem Beispiel folgen, wird sich erst im nächsten Jahr entscheiden. Dann will die Bundesarbeitsagentur auswerten, ob das Projekt in NRW erfolgreich war. Konkret heißt das: Ob die 21 Spanierinnen und Spanier, die jetzt in den Kitas arbeiten, wirklich langfristig bleiben wollen und sich der Aufwand bezahlt macht.

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