Berlin. Elena-Katharina Sohn ist Autorin und Beraterin für Liebeskummer. Warum immer mehr Männer zu ihr kommen und was sie bei Netflix macht.
Liebeskummer und gebrochene Herzen werfen nicht nur verknallte Teenies aus der Bahn. Manchmal wollen das Leid und der Schmerz einfach nicht besser werden, egal in welchem Alter. Hier kann Unterstützung von außen helfen. Elena-Katharina Sohn und ihr Team etwa haben sich auf solche Herzensangelegenheiten spezialisiert.
In der Berliner Agentur „Die Liebeskümmerer“ berät und betreut die 44-Jährige Menschen mit Liebeskummer – Männer und Frauen, ihre ältesten Klienten und Klientinnen sind 80 Jahre alt. Selbst Promis kommen zu Sohn in die Praxis. Sie weiß: Ein gebrochenes Herz kann viele Ursachen haben. Ihre Arbeit dient als Inspiration für den gleichnamigen Netflix-Film (ab Frühjahr 2024) und ihren mittlerweile vierten Ratgeber „Das Buch, das dein Herz gerne lesen würde“.
Wir haben mit Sohn über ihre Fälle gesprochen, über Fragen rund ums Thema Liebe, die viele kennen dürften: Lieben wir uns selbst? Lieben wir wirklich monogam? Und warum lieben wir so, wie wir lieben? Im Interview erklärt Sohn, wie Sie die Antwort darauf finden, wie man problematische Prägungen in einer Beziehung loswird und wie aus ihrem eigenen Liebeskummer eine erfolgreiche Geschäftsidee entstand.
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Liebeskummer: Kein Zusammenhang mit Beziehungsdauer
Frau Sohn, wie lange dauert Liebeskummer?
Elena-Katharina Sohn: Das kann man nicht pauschal sagen, aber oft länger als man vermuten würde. In der Liebe gibt es alles. Manche Menschen haben eine dreimonatige Affäre und danach ein Jahr lang Liebeskummer, andere sind 30 Jahre lang verheiratet und trauern am Ende der Ehe gar nicht.
In vielen Köpfen gibt es die Vorstellung, dass Liebeskummer nach drei Monaten besser sein sollte. In der Praxis sehen wir aber, dass viele Menschen nach der Zeit höchstens aufhören, darüber zu reden. Sie haben das Gefühl, im Umfeld zur Last zu werden.
Sie haben mit den „Liebeskümmerern“ vor zwölf Jahren eine Agentur gegründet, in der man über Liebeskummer reden kann. Wie kam es dazu?
Sohn: Ich war damals Ende 20 und hatte die erste ernsthafte Beziehung hinter mir. Die Trennung kam für mich sehr plötzlich, auch wenn sie sich aus heutiger Sicht lange angedeutet hatte. Damals hat sie mir allerdings komplett den Boden unter den Füßen weggerissen: Ich konnte nicht mehr arbeiten und habe mein ganzes Leben infrage gestellt.
In Gesprächen mit anderen wurde mir klar, dass einige Menschen in meinem Umfeld das in ähnlicher Intensität auch schon mal erlebt hatten. Ich brauchte in der Zeit jemanden, der genauso qualifiziert ist, wie die Menschen in einer psychotherapeutischen Praxis, aber mehr auf das Thema Liebeskummer spezialisiert ist. Einen Ort, an dem die Schwelle niedriger ist als bei der Psychotherapie. Da war die Idee für „Die Liebeskümmerer“ auch schon geboren.
Psychotherapie nicht für jeden geeignet
Was unterscheidet die Liebeskümmerer von einer klassischen Psychotherapie?
Sohn: In erster Linie unsere Spezialisierung auf Liebeskummer. In meinem Team haben alle einen psychologischen Ausbildungshintergrund, manche sind Psychotherapeutinnen und Psychologinnen. Wir sind thematisch weniger breit aufgestellt als psychologische Praxen.
Unsere Arbeit fällt unter Coaching und Beratung. Manchmal kommen Menschen zu uns, die zwei Jahre Psychotherapie hinter sich haben und bei ihrem Liebes-Problem eine spezifischere Beratung brauchen. Da sind wir nahbarer.
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Was für Menschen kommen zu Ihnen?
Sohn: Am Anfang waren es zu 80 oder 90 Prozent Frauen. Heute ist es im Geschlechterverhältnis gleich aufgeteilt. Das kam in der Corona-Zeit mit den Videoanrufen. Altersmäßig bewegen wir uns im Kern zwischen 30 und 50 Jahren, aber ich hatte auch schon Klienten und Klientinnen, die um die 80 waren.
Liebeskummer auch ohne Beziehung möglich
Geht es dabei immer um Trennungen?
Sohn: Liebeskummer ist mehr als das, was man nach einer Trennung erlebt. Das mag zwar bei vielen der Hauptauslöser sein, aber es kommen auch Menschen, die in einer Affäre stecken. Oder welche, die heimlich verliebt sind. Oder in einer schwierigen Beziehung sind, nicht wissen, ob sie sich trennen sollen, und deshalb Liebeskummer haben.
Manche sind schon ganz lange Single und damit unglücklich, andere sind im fortgeschrittenen Erwachsenenalter und haben noch keine körperlichen oder emotionalen Erfahrungen gemacht. So divers die Liebe ist, so unterschiedlich sind auch die Gründe für Liebeskummer.
Welche Unterschiede sehen Sie im Umgang mit Liebeskummer?
Sohn: Vor kurzem habe ich mit einer deutlich älteren Frau darüber diskutiert, dass die heutige Generation ihr Verhalten in Beziehungen bewusster wahrnimmt. Die Frau sagte, dass all das in ihrer Generation nie eine Rolle gespielt und sich niemand Gedanken über sowas gemacht habe. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass nicht alle den gleichen Stand der Dinge haben.
Als ich damals mit den Liebeskümmerern angefangen und Leuten von meinem Beruf erzählt habe, haben vor allem Männer ab Mitte 50 oft geschmunzelt. Dabei sind die Männer, die zu uns in die Praxis kommen, genauso offen und reflektiert wie die Frauen – auch wenn Letztere in Liebesproblemen tendenziell öfter die „Schuld” bei sich suchen.
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Liebeskummer: Geschichte von Karl bewegte die Spezialistin
Wie lange kommen die Menschen im Durchschnitt zu Ihnen?
Sohn: Drei bis fünf Mal. Manchmal verweisen wir Menschen auch an eine andere Art von psychologischer Hilfe oder verhelfen zu einem Klinikplatz. Etwa, wenn eine Person suizidale Absichten zeigt.
In Ihrem neuen Buch „Das Buch, das dein Herz gerne lesen würde“ schreiben Sie über konkrete Fälle aus Ihrer Praxis. Was ist Ihre Lieblingsgeschichte?
Sohn: Die Geschichte von Karl. Karl war ein älterer Herr, der auf Anraten seiner Tochter zu mir kam. Karl hatte nach dem Tod seiner Ehefrau eine neue Frau kennengelernt. Die Beziehung ging in die Brüche, weil er seine Emotionen nicht gut ausdrücken konnte und seiner Partnerin gegenüber sehr unterkühlt gewirkt hatte. Karl war die Art Mensch, die Liebeskummer mit „Papperlapapp“ kommentierte.
Im Gespräch wurde er aber nach und nach sehr weich und fand die Ursache dafür, warum er so auftrat, wie er es tat. Ich beschreibe im Buch viele Liebesprobleme, aber es geht oft um dieselbe Frage: Warum liebe ich so, wie ich liebe? Das ist für mich die wichtigste und fundamentalste von allen.
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Trennungsschmerz und Beziehungsprobleme: Ursachen können in Kindheit liegen
Wie lautet die Antwort darauf?
Sohn: Bei jedem anders. Die Antwort hängt mit den Prägungen, den frühen Erfahrungen oder Ängsten, den Glaubenssätzen aus der Kindheit zusammen. Jeder startet mit seinem eigenen Paket. Karl zum Beispiel ist in einer Zeit aufgewachsen, die das Zeigen von Emotionen pädagogisch nicht unterstützt hat. Er wurde mit viel Härte und emotionaler Kälte groß und hat deswegen nie richtig gelernt, Gefühle zuzulassen oder sie in seine Partnerschaft hineinzutragen.
Wie wird man eine solche Prägung wieder los?
Sohn: Das wichtigste ist das Bewusstsein. Viele haben noch nie über die Zusammenhänge nachgedacht oder hatten immer das Gefühl, eine tolle Kindheit gehabt zu haben. Bis man genauer hinschaut. Dabei geht es mir ausdrücklich nicht darum, am Ende den Eltern so etwas wie „Schuld“ zu geben.
Vielmehr ist das Entscheidende, Verständnis für sich selbst zu entwickeln und zu begreifen, dass auch Dinge, die man aus heutiger Sicht vielleicht als gar nicht so schlimm beurteilen würden, in einem als Kind Schäden angerichtet haben können. Zum Beispiel, wenn man als Baby oft unbeachtet schreien gelassen wurde.
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Was ist das Wichtigste, das Sie bei den Liebeskümmerern über Beziehungen gelernt haben?
Sohn: Ich würde niemals mehr pauschal über Beziehungen urteilen oder sagen, wie sie ablaufen sollten. In der Liebe und in Partnerschaften gibt es kein Schwarz-Weiß, sondern viele Facetten und Zwischenwege. Menschen können sich in der Liebe gegenseitig unglaublich wehtun.
In den allerwenigsten Fällen steckt dahinter Absicht: Irgendwo ist immer ein eigenes Thema, eine eigene Sehnsucht oder ein Schmerz, der das Verhalten auslöst. Dass man sein Gegenüber mutwillig verletzt, das kommt in Wirklichkeit viel seltener vor als man denkt.