Berlin. Stillen ist hochemotional. Der Muttermilch werden spezielle Effekte nachgesagt. Eine Studie hat untersucht, wie sie auf das Hirn wirkt.
Stillen oder nicht stillen – das ist die Frage. Eine Frage, die spaltet. Wie lange dem Kind die Brust geben? Und bis wann ausschließlich? Wann wird Stillen vermeintlich schräg? Ist es überhaupt zwingend erforderlich?
Fest steht: Die kurzfristigen gesundheitlichen Vorteile des Stillens für Kinder und Mütter gelten als erwiesen und sind international anerkannt. Gleichzeitig wird weltweit weniger als die Hälfte der Säuglinge und Kleinkinder gemäß den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestillt. Das zeigt eine Anfang des Jahres im Fachblatt "The Lancet" veröffentlichte Review-Serie.
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Kinder, die während der ersten Lebensmonate nicht gestillt werden, seien anfälliger für gastrointestinale Erkrankungen – also Krankheiten, die Magen und Darm betreffen, erklärt Mathilde Kersting, Leiterin des Forschungsdepartments Kinderernährung der Universitätskinderklinik der Ruhr-Universität Bochum, gegenüber dieser Redaktion.
"Auch Mittelohrentzündungen sind bei gestillten Säuglingen seltener", so Kersting über die Vorteile des Stillens. Bei den langfristigen Auswirkungen sei die Datenlage dagegen weniger eindeutig. Etwa, dass nicht gestillte Kinder im späteren Leben häufiger übergewichtig seien oder häufiger Diabetes hätten, könnte durchaus auch mit deren Lebensumständen zusammenhängen.
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Stillen: Zuckermolekül in Muttermilch hat positive Effekte
Nun steht – wie schon häufiger – im Raum, dass sich das Stillen positiv auf die Intelligenz des Kindes auswirken könnte. Eine Studie konnte zeigen, dass das in der Muttermilch enthaltene Zuckermolekül Myo-Inositol die Entwicklung des Gehirns fördert. Entsprechende Ergebnisse veröffentlichten Forschende des Human Nutrition Research Center on Aging der Tufts University in Massachusetts in den "Proceedings" der National Academy of Science.
Die Forschungsgruppe untersuchte zunächst weltweit die Zusammensetzung von Muttermilchproben. Diese stammten von Frauen aus Mexiko-Stadt, Shanghai und Cincinnati. Dabei entdeckten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass das Zuckermolekül Myo-Inositol in jeder der Proben und jeweils in gleicher Konzentration vorkam.
Anders als bei anderen in Muttermilch enthaltenen Mikronährstoffen hatten Ort, Ernährung der stillenden Mutter und soziale Herkunft darauf keinen Einfluss. Laut den Studienergebnissen war die Konzentration des Zuckermoleküls in der frühen Phase der Stillzeit am höchsten. Also genau dann, "wenn sich im Gehirn des Säuglings schnell neuronale Verbindungen bilden", heißt es.
In einem zweiten Schritt beleuchtete das Team den Einfluss von Myo-Inositol auf die Hirnentwicklung näher und konnte nachweisen, dass es die Bildung neuer neuronaler Verknüpfungen fördert – sprich die Bildung neuer Synapsen.
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Babys: Blut-Hirn-Schranke noch durchlässiger
Dieser positive Effekt zeigte sich sowohl bei Laborexperimenten mit menschlichen Neuronen als auch bei Tests an Ratten und Mäusen. Doch was bedeutet das nun genau für die spätere Intelligenz eines Babys? Wird diese durch das Myo-Inositol gefördert? Die Forschenden halten dies zumindest für möglich.
Denn gerade im Säuglingsalter ist der Einfluss der Ernährung auf die Entwicklung des Gehirns noch besonders hoch. Der Grund: In den ersten Lebensmonaten ist die sogenannte Blut-Hirn-Schranke durchlässiger. Mikronährstoffe können so über das Blut leichter ins Gehirn gelangen.
Dass das Myo-Inositol so auch die spätere Intelligenz von Säuglingen tatsächlich beeinflusst, lässt sich nicht sagen. "Und das wäre auch rein praktisch gar nicht beweisbar", erklärt Mathilde Kersting, "etwa aus ethischen Gründen." Man könne Müttern, die stillen können, dies nicht einfach verwehren, nur um bestimmte Folgen zu testen.
Daher basieren die meisten Studien zu den Auswirkungen des Stillens auf epidemiologischen Beobachtungsdaten. Man wisse laut Kersting jedoch, dass häufigeres Stillen, zumindest in Deutschland, auch mit einem höheren Bildungsstatus verbunden sei.
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Milchersatz: Ernährungs-Expertin nimmt Eltern schlechtes Gewissen
"Diese Mütter fördern ihre Kinder also ohnehin eher stärker", sagt Kersting und beruhigt zeitgleich Mütter, die etwa aus gesundheitlichen Gründen nicht stillen können oder dies nicht wollen. "Diese müssen kein schlechtes Gewissen haben."
"Nicht zuletzt lassen sich Einflussfaktoren für eine vermeintlich höhere Intelligenz nie sauber voneinander abgrenzen", ergänzt die Ernährungs-Wissenschaftlerin. Intelligenz ist eine hochkomplexe Eigenschaft, die von vielen Faktoren beeinflusst wird, wie etwa genetische Veranlagung, Umweltfaktoren, frühkindliche Stimulation, Erziehung und Bildung.
Kersting weist außerdem darauf hin, dass "auch in Formula-Milch das Zuckermolekül Myo-Inositol enthalten ist, wenn auch die entsprechenden Richtlinien eine sehr große Spannbreite des Gehalts vorgeben". Letzteres vermutlich, weil man bislang recht wenig über den Mikronährstoff und seine mögliche spezielle Rolle in der Säuglingsernährung wisse.
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