Berlin. Hitze und Starkregen: Das Wohnen in der Stadt steht vor großen Herausforderungen. Wo jetzt kaum noch Einfamilienhäuser gebaut werden.

Wer in der Stadt lebt, bekommt die Veränderungen des Klimas auf besondere Weise zu spüren. Das Wasser eines Starkregens kann auf den versiegelten Flächen nur schwer versickern, die oft baumlosen Straßenzüge machen Hitze noch unerträglicher. „Der Klimawandel ist heute schon Realität. Wir müssen unsere Städte so anpassen, dass wir mit diesem Klima leben können“, sagt Maic Verbücheln, Umweltwissenschaftler am Deutschen Institut für Urbanistik. Verbücheln setzt sich für eine nachhaltige Stadtplanung ein, die klimatische Herausforderungen in die Entwicklung von Lebensräumen miteinbezieht. „Es braucht Klimaanpassungen sowie den Ressourcenschutz in den Städten“, so der Wissenschaftler.

Für die Zukunft der Städte müssten die Themen Grünflächen, Mobilität und Bauen zusammengedacht werden, so Verbücheln. „Wir haben eine große Flächenknappheit, und bei der nachhaltigen Stadtentwicklung müssen wir immer wieder abwägen und entscheiden, wie wir Flächen nutzen“, erklärt er. Wohnraum, Grünflächen oder Parkplätze – „was ist wichtiger für die Stadtgesellschaft?“, fragt der Umweltwissenschaftler.

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CO2: Städte für 75 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich

Diese Frage ist essenziell, weil Städte zu den größten CO2-Verursachern gehören. So betonte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) im Juli auf deren Nachhaltigkeitsforum, dass Städte für schätzungsweise 75 Prozent der weltweiten Emissionen von Kohlenstoffdioxid verantwortlich sind. Den größten Anteil haben der Verkehrs- und der Gebäudesektor.

In den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen wurde dieses Problem aufgegriffen. In den 2015 von allen 193 Ländern verabschiedeten Zielen sind auch „nachhaltige Städte“ aufgelistet. Zwar hat Deutschland ebenfalls die Agenda mit ihrer Umsetzung bis 2030 unterschrieben, aber zur Halbzeit der Ziele gibt es noch viel Aufholbedarf.

„In Deutschland wohnen wir derzeit im Durchschnitt auf 47,7 Qua­dratmetern pro Person“, erklärt Verbücheln. Da sei die Frage, wie viel Fläche wir tatsächlich zum Leben brauchen und ob diese nicht schlauer genutzt werden könnte.

Ein Vorreiter in der Flächennutzung ist laut Verbücheln das „ecovillage“ in Hannover. Hier wird die Wohnfläche pro Person verringert, indem Gästezimmer und Co-Working-Bereiche geteilt werden. Zudem plädiert der Forscher für eine bauliche Entwicklung, in der die Menschen im Laufe ihres Lebens ihren Wohnraum anpassen können. „Bewohner können dann, nachdem ihre Kinder ausgezogen sind, in eine kleinere Wohnung ziehen, ohne den gewohnten Lebensraum wechseln zu müssen“, erklärt er.

Experte: Einfamilienhäuser sind nicht nachhaltig

Vor allem an Stadträndern gäbe es viele Einfamilienhäuser, in denen ältere Menschen alleine auf großer Fläche lebten. Das sei wenig nachhaltig, so Verbücheln. „Die Flexibilität von Gebäuden wurde nicht mitgedacht“, sagt der Wissenschaftler. Würde diese von Anfang an mitgeplant werden, dann könne beispielsweise ein Kindergarten später als Altersheim genutzt werden. In Münster wird das bereits angegangen. Im Rahmen einer klimagerechten Bauplanung wurde festgelegt, dass kaum noch frei stehende Einfamilienhäuser gebaut werden sollen.

Zusätzlich sollten laut Verbücheln Gebäude in einer höheren Qualität gebaut werden. „Es darf nicht passieren, dass Gebäude nach 30 Jahren wieder abgerissen werden“, sagt er. Das sei vor allem wichtig im Hinblick auf Materialien, in denen viel Energie stecke. Eine Alternative sei der Bau mit Holz oder Dämmstoffen wie Stroh. So gibt es zum Beispiel ein Hochhaus in der Hamburger Hafencity, das aus Holz errichtet wird.

Teil des klimagerechten Bauens sei auch das Mitdenken von Mobilität, sagt Umweltwissenschaftler Verbücheln. Dabei werde vor allem auf Fahrradfahrer und den Fußgänger- und öffentlichen Personennahverkehr gesetzt. Als gutes Beispiel nennt er Wien. Hier wurde in der Planung der Seestadt Aspern der ÖPNV sichergestellt, bevor Menschen dorthin gezogen sind.

Neubausiedlung in Sankt Augustin in Nordrhein-Westfalen: „Es darf nicht passieren, dass Gebäude nach 30 Jahren wieder abgerissen werden“, sagt Umweltwissenschaftler Maic Verbücheln.
Neubausiedlung in Sankt Augustin in Nordrhein-Westfalen: „Es darf nicht passieren, dass Gebäude nach 30 Jahren wieder abgerissen werden“, sagt Umweltwissenschaftler Maic Verbücheln. © dpa | Henning Kaiser

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Hitze: Diese Instrumente empfiehlt ein Experte bei hohen Temperaturen

Neben der Verteilung von Flächen treffen Städte immer öfter die Herausforderungen durch Extremwetter. „Um mit der Hitze in den Städten besser klarzukommen, brauchen wir mehr grüne und weniger versiegelte Flächen“, erklärt Verbücheln. „Wir brauchen mehr Bäume und Parks, weil die Temperaturunterschiede in diesen Bereichen bei sechs bis sieben Grad liegen.“ Auch öffentliche Wasserflächen könnten einen solchen kühlenden Effekt haben.

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Zusätzlich bräuchte es Kühlräume, wie öffentliche Bibliotheken oder Schulen, in denen sich die Menschen abkühlen könnten. Paris versucht damit gerade gegen die hohen Temperaturen in der Innenstadt anzukommen. Die Stadt habe außerdem öffentliche Badestellen in der Seine angelegt, berichtet Verbücheln. Eine andere Möglichkeit, um der Hitze Herr zu werden, wird in Genf genutzt. Hier werde Wasser aus dem Genfer See verwendet, um in der Innenstadt Gebäude zu kühlen, so der Wissenschaftler.

Starkregen: Schwammstädte können überschüssiges Wasser speichern

Um dem Wassermangel in Dürreperioden entgegenzuwirken und Starkregen besser abzufangen, müssen sogenannte Schwammstädte geschaffen werden, erklärt Verbücheln. In diesen wird das überschüssige Wasser wie bei einem Schwamm gespeichert. „Dafür braucht es Senken, Gräben und Flächen, wie Spielplätze, die überflutet werden können und in die das Regenwasser laufen kann.“ Das könne auch dem Problem des sinkenden Grundwasserspiegels entgegenwirken und so mögliche Stadt-Land-Konflikte vermeiden.

Laut Verbücheln gibt es in vielen deutschen Städten bereits gute Ansätze für eine nachhaltige Stadtplanung. Als Beispiele zählt er das Schumacher Quartier in Berlin, den Prinz-Eugen-Park in München, die Hafencity in Hamburg oder das Stadtviertel Dietenbach in Freiburg auf. Trotzdem ist er der Meinung, dass die Diskussionen zur zukünftigen Flächennutzung verstärkt werden müssen.

Die Vereinten Nationen schätzen, dass bis 2050 sieben von zehn Menschen in städtischen Gebieten leben werden. Gerade deshalb betont Verbücheln: „Eine nachhaltige Stadtplanung ist die Grundlage für ein gutes Zusammenleben in der Stadt.“

Die Recherche wurde von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen und dem Pressenetzwerk für Jugendthemen e. V. organisiert sowie vom Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit finanziert.