Berlin. Im Sommer bleibt der Rasen nur noch selten grün. Experten geben Tipps zur Pflege – und verraten, warum Zierrasen keine gute Wahl ist.

Wer in Deutschland einen Privatgarten besitzt, hat meist auch einen Rasen. Idealtypisch dicht und saftig wird er gerade bei den wenigsten sein – dabei hat der Sommer kalendarisch gerade erst begonnen. Die Klimakrise ist in deutschen Gärten angekommen. Es ist zu trocken und zu warm, der Rasen wird braun oder nur unter Einsatz von Mühe, Dünger und Wasser irgendwie grün und frei von sogenanntem Unkraut gehalten.

„Der grüne Rasen ist pflegeintensiv“, sagt Landschaftsarchitekt Markus Illgas. Er kennt sich aus mit dem perfekten Grün, denn Illgas gestaltet von Berufs wegen vor allem Sportanlagen. Dort gelten eigene Rasen-Regeln. „Im Privatgarten sollte man im Sommer nicht zu kurz mähen“, sagt Illgas. Gerade bei Trockenheit und Hitze reiche einmal in zwei Wochen völlig aus. Stehe der Rasen höher, brauche er weniger Wasser, weil er sich selbst beschatte. Er empfiehlt die Ein-Drittel-Regelung: Pro Schnitt den Rasen also nur um ein Drittel zu kürzen.

Fürs Wässern seien die frühen Morgenstunden am besten. Da sei es nicht nur kühler, weswegen weniger Wasser verdunste. „Es ist auch windstiller und das Wasser landet dort, wo man es haben will“, sagt Illgas. Außerdem rät er, besser seltener und mehr als häufig und wenig zu gießen, um die Wurzeln zum Wachstum in die Tiefe anzuregen. Die oberen zehn bis 15 Zentimeter sollten durchnässt werden. Wer sich wegen Menge und Gießdauer nicht sicher ist, kann mit einem Spaten in den Boden stechen und gucken, wie weit das Wasser vorgedrungen ist. Der Wasserbedarf liegt in Abhängigkeit von Rasentyp, Standort, Boden und Witterung laut Illgas bei zehn bis 20 Litern Wasser pro Quadratmeter und Woche.

Grüner Rasen: So speichert der Boden besser das Wasser

Damit der Boden das Wasser besser speichert, können Gartenbesitzer für einen höheren Humusanteil sorgen. Zum Beispiel, indem sie das Schnittgut nach dem Mähen liegen lassen. Vorausgesetzt es ist trocken und nicht zu lang. Sonst riskiert man Pflanzenkrankheiten und nimmt dem Rasen das Licht. „Das Schnittgut dient so als Dünger, weil die Nährstoffe auf der Fläche verbleiben, und erhöht den Humusanteil im Boden“, sagt Verena Jedamczik vom Naturschutzbund (Nabu) Deutschland.

Die Garten-Expertin hält jedoch wenig von großen Rasenflächen im Garten: „Rasen ist keine gute Wahl, wenn es darum geht, einen klimafreundlichen Garten anzulegen, denn sie sind sehr arbeits- und ressourcenintensiv.“ Außerdem würden häufig Pestizide eingesetzt, um ein gepflegtes Erscheinungsbild zu erhalten und Wildkräuter zu unterdrücken. „Das schadet dann nicht nur lokal, sondern dem gesamten Ökosystem.“ Die meisten Wildtiere im Garten bräuchten Nahrung, Nist- und Rückzugsmöglichkeiten, also strukturreiche Fläche – „all das bietet Rasen nicht“. Natürlich könne eine Rasenfläche ihre Berechtigung haben, sagt Jedamczik. Dann sollten aber Wildkräuter wie Gänseblümchen, Wegerich und Klee aufkommen dürfen, um Insekten ein Nahrungsangebot zu schaffen.

Insektenfreundlich: Blumen und Kräuter im Rasen wachsen lassen

Ein Ansatz, der auch in Naturgärten genutzt wird und der sein Vorbild in der Geschichte hat. „Historisch hat sich der Gartenrasen in Parkanlagen englischer Herrenhäuser entwickelt“, sagt die Biologin Miriam Henning von NaturGarten e.V. Die offenen Rasenflächen seien früher durch Beweidung mit Schafen gepflegt worden und seien eben nicht einheitlich grün gewesen, sondern enthielten viele Kräuter und Blumen. „Das ist es, was im Naturgarten als Blumen-Kräuterrasen nachgeahmt wird: Artenreiches Grünland, durch ‚Beweidung‘ mit dem Rasenmäher kurzgehalten.“

Für einen solchen Blumen-Kräuterrasen braucht es laut der Biologin eine Ansaatmischung aus nicht hochgezüchteten Gräsern, die den darin enthaltenen Blumen und Kräutern Luft zum Wachsen lassen. Fünf bis achtmal im Jahr könne der Rasen auf mindestens handbreite Höhe gemäht werden, gerne höher. „Der Blumen-Kräuterrasen ist begehbar und kann bespielt werden“, sagt Henning. Eine gelegentlich aufgelegte Picknickdecke oder spielende Kinder seien kein Problem.

Schwierig könne es unter einer Schaukel oder vor dem aufgestellten Fußballtor werden. „Hier kann man versuchen, etwas häufiger zu mähen und dadurch die Gräser mehr zu fördern als die empfindlichen Kräuter. Oder mit etwas robusteren Grassorten arbeiten.“

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Klimawandel: Rasen mit Kräutern kommt besser mit Trockenheit zurecht

Neben dem ökologischen Mehrwert hat Rasen, in dem auch Kräuter wachsen, einen weiteren Vorteil: er kommt besser mit Dürre klar. Das zeigt ein Versuch, der seit 2021 läuft. An sechs Standorten in Deutschland werden derzeit Trockenrasenmischungen getestet. Beteiligt sind Hochschulen, Gartenbauschulen aber auch Rasenfirmen. „Es zeichnet sich ab, dass Mischungen, die Kräuter wie Schafgarbe enthalten, resistenter gegen Trockenheit sind“, sagt Harald Nonn, Vorsitzender der Deutschen Rasengesellschaft und Leiter Forschung und Entwicklung beim Rasensaatguthersteller Eurogreen. Dass sich aber solche Mischungen in Privatgärten durchsetzen, bezweifelt Nonn. Das sei eher etwas für öffentliche Grünflächen, „die wir aber auch ganz dringend brauchen“.

Biologin Miriam Henning ist optimistischer: „Bis vor wenigen Jahrzehnten gab es den Rasen als einheitlichen ‘grünen Teppichboden’ gar nicht. Dahin wollen wir Naturgärtner wieder zurück.“ Für wen der Naturgarten nichts ist, dem rät Markus Illgas trotz Arbeitsaufwand zum klassischen Rasen: „Bevor man diese Flächen versiegelt oder einen Kunststoffrasen verlegt, ist der Rasen die deutlich bessere Alternative.“ Er produziere Sauerstoff, binde CO2 und kühle die Umgebungsluft. Und wer ein bisschen was für die ökologische Vielfalt tun wolle, könne einfach mal beim Mähen einen Teil des Rasens auslassen und gucken, was da so wächst.