Düsseldorf. Der italienischen Regisseurin Ilaria Lanzino ist mit Giuseppe Verdis „Nabucco“ ein Publikumsliebling geglückt - auch dank der kraftvollen Chöre.
Mit einer vom Düsseldorfer Premieren-Publikum heftig umjubelten Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Frühwerk „Nabucco“ startete die Deutsche Oper am Rhein in die neue Saison. Die wüste Geschichte um Unterdrückung, Hybris, Verblendung und Freiheitsdrang hat seit der Uraufführung vor über 180 Jahren zwar nichts an Aktualität eingebüßt, wird von dem jungen Verdi freilich recht plakativ, wenn auch effektvoll umgesetzt.
Vor allem mit der schematischen Schwarz-Malerei der guten unterdrückten Hebräer und der bösen Babylonier will sich die italienische Regisseurin Ilaria Lanzino nicht abfinden und versucht, mit einigen Eingriffen ein differenzierteres Licht auf die Handlung zu werfen. Was ihr zwar nicht vollständig, aber zumindest teilweise gelang. Am überzeugendsten mit der Botschaft, dass das Volk, auf welcher Seite auch immer, ob Hebräer oder Babylonier, zum Verlierer wird, wenn sich die Mächtigen streiten.
Folgerichtig lässt die Regisseurin die ultimative Freiheits-Hymne „Va pansiero“ von den gegnerischen Volksgruppen gemeinsam singen. Denn die Junta um den babylonischen Tyrannen Nabucco und die Clique um den hasserfüllten Gottesmann Zaccaria unterscheiden sich in ihrer Rücksichtslosigkeit nicht im Geringsten. Am Ende führt das Volk die Führer beider Clans auf den Scheiterhaufen. Denn der späten Läuterung Nabuccos, wie sie das Libretto vorsieht, misstraut die Regisseurin ebenso wie der Hoffnung, dass die einzige Überlebende, Nabuccos sanfte Tochter Fenena, die Völker in eine friedlichere Zukunft führen kann.
Chor und Extrachor der Oper am Rhein trumpfen kraftvoll und sensibel auf
Das alles wirkt recht schlüssig, auch wenn man den verurteilten Opfern nicht auch noch rote Pappnasen anheften müsste und auf manchen Mummenschanz verzichten könnte. Obwohl die psychischen und familiären Probleme um Nabucco und seine verfeindeten Töchter klar herausgearbeitet werden, schlägt das Herz der Regisseurin eindeutig für den schon von Verdi reich bedachten Chor, dessen Rolle in Düsseldorf noch zusätzlich aufgewertet wird. Beklemmend gleich das Entree, wenn die Hebräer nach einem Bombenangriff aus Erdlöchern und Fenster ihrer zerstörten Häuser kriechen. Ein Gefühl, das durch raffinierte Spiegeleffekte im grandiosen Bühnenbild von Dorota Caro Karolczak noch an Intensität gewinnt.
Entsprechend sorgte der ebenso präzise wie sensibel und kraftvoll auftrumpfende Chor und Extrachor der Rheinoper für etliche musikalische Höhepunkte der von Vitali Alekseenok geleiteten Produktion. Der zeigte ein geschicktes Händchen für die diversen Fassetten der Partitur, führte mit Elan, aber ohne pathetische Kraftmeierei durch den Abend und ließ es auch nicht an Rücksicht auf die Solisten mangeln.
Rolle Nabuccos bietet wenig Gelegenheit für stimmliche Feinkost
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Die haben es mit ihren Partien ohnehin denkbar schwer. Vor allem die der Abigaille, der unehelichen, ungeliebten Tochter Nabuccos, die zu einem brutalen Rachefeldzug aufbricht. Stimmlich bricht Verdi hier radikal mit den Traditionen belcantistischen Schöngesangs. Und Svetlana Kasyan bietet nicht nur darstellerisch ein bestrickend eindringliches Psychogramm, sondern bewältigt mit ihrer Riesenstimme auch die extremsten Anforderungen der Partie nahezu mühelos.
Auch die Rolle des Nabucco bietet wenig Gelegenheit für kultivierte stimmliche Feinkost. Alexey Zelenkov beeindruckt mit seinem mächtigen, leicht angerauten Bariton nicht minder. Auf gleicher Höhe wie Liang Li als kraftvoll singender Zaccaria. Eduardo Aladrén überzeugt in der undankbaren Tenor-Rolle des Ismaele ebenso wie die Mezzosopranistin Kimberley Boettger-Soller als Fenena mit ihren lyrischen Qualitäten.
Begeisterter, langanhaltender Beifall für eine interessante, zumindest diskutable Deutung eines schwierigen Werks auf beachtlichem musikalischem Niveau.
Spieldauer: ca. 2 ½ Std., eine Pause. Die nächsten Aufführungen im Opernhaus Düsseldorf: am 21., 25. und 29. September, 3., 6., 12. und 20. Oktober sowie am 1., 8. und 10. November. Weitere Informationen auf www.rheinoper.de