Essen. „Paolo Conte alla Scala“ erzählt von dem Mann, der Italiens heimliche Hymne „Azzurro“ schrieb. Ergebnis ist ein fabelhafter Konzertfilm.
Am 19. Februar 2023 hebt sich in Mailands Festspielhaus Scala erstmalig der Vorhang für einen Künstler, dessen Karriere nicht auf klassischer Musik fußt. Wie stets in dunklem Anzug betritt Paolo Conte, musikalischer Multistilist von Weltruf und Komponist von Italiens heimlicher Nationalhymne „Azzurro“, die Bühne. Als er das Piano erreicht, huscht ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht und setzt genug Falten frei, um 86 Lebensjahre auch optisch erfahrbar zu machen.
Dann setzt er sich an den Flügel und beginnt zu spielen. Und dazu singt er, mit dieser Stimme, als hätte er jeden Morgen eine Flasche Grappa gegurgelt und danach eine Schachtel Muratti ohne Filter gegessen.
Paolo Contes Song „It‘s Wonderful“ wurde ein Welthit
Der rauchige Bariton im Sprechgesang mutet immer ein wenig monoton an, doch zeigt sich schnell, der Mann kann so viel mehr, als das Tschi-Bumm, Tschi-Bumm, das sich aus seinem Welthit „It’s Wonderful“ im kollektiven Gedächtnis eingenistet hat.
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Er selbst sagt dazu in einem Fernsehgespräch aus den frühen 80er-Jahren: „Ich weiß, dass sich in vielen Fällen ein Stil aus den eigenen Stärken, aber ebenso aus dem Umgang mit den Defiziten herausbildet. Bei mir liegen gewisse offenkundige Beeinträchtigungen durch die naturgegebene Stimme vor, denen ich mich als Erstes zu stellen habe. Über die Zeit aber hat sich daraus ein Klangbild mit einem bestimmten Charakter ergeben. Indem ich mich den Stärken und Schwächen stelle und damit umgehe, habe ich also schon einen eigenen Stil. Ob ich damit glücklich bin, steht auf einem anderen Papier.“
Giorgio Testi inszenierte mit „Paolo Conte alla Scala“ einen Konzertfilm fürs Kino
Regisseur Giorgio Testi hat die Struktur des Films an „The Last Waltz“ ausgerichtet, in dem Martin Scorsese 1978 das Abschiedskonzert von The Band dokumentierte.
Der Bild-Ton-Mitschnitt von Contes Scala-Konzert wird interpunktiert durch Interviewpassagen aus verschiedenen Zeiten, in denen er über seine Arbeit und sich selbst, das Wesen der Musik und den Wert von Schallplattenaufnahmen spricht: „Man zementiert eine Interpretation eines Liedes als die ein für alle Mal gültige Aufnahme. Mich macht das nicht glücklich, weil es eben nicht die beste Version ist.“
„Paolo Conte alla Scala“ bietet lebensweise Anekdoten des italienischen Künstlers
Es gibt einen kurzen Hausbesuch zu sehen, aber auch Einblicke in die Proben zum Konzert, das Feilen am Klang. In der Summe ergibt das eine grandiose Form, um Künstler und Kunst in der Darbietung und der Selbstreflexion zu spiegeln. Die Breitbildfotografie (Kamera: Luca Ciuti und James Rhodes) erwirkt vor allem in den Konzertszenen exzellente Raumkompositionen von Conte und den Bandmitgliedern bei der Arbeit auf der Bühne.
Zwischen den Musiknummern gibt Conte Anekdoten zum Besten, immer wieder lebensweise durchwürzt. „Azzurro“ ist nicht im Programm, was manche bedauern mögen. Dafür ist der ganze Rest, nicht nur für Fans, einfach „Wonderful“.