In der Region. Am 23. August erscheint das neue Album „Sophisticated Sad Songs“. Vorab sprachen wir mit der Band über Hundeblicke und die Charts.
Erst kürzlich kündigte die Band Leoniden auf ihrem Instagram-Kanal die neue Single „Keep Fucking Up“ an, die am Freitag, 16.8., erscheint. Sie dürfte der endgültig letzte Vorbote zum neuen Album „Sophisticated Sad Songs“ sein. Das steht schon für den 23. August in den Startlöchern. Im Interview sprachen Gitarrist Lennart Eicke und Sänger Jakob Amr vorab über den Luxus, ein Album in Ruhe produzieren zu können und den Versuch, fröhliche Songs zu schreiben.
Ihr neues Album trägt den Titel „Sophisticated Sad Songs“. Was macht diese anspruchsvoll-traurigen Songs aus?
Jakob: Der Album-Titel ist nicht ganz so einfach zu übersetzen. Wir behandeln traurige Themen in unseren Liedern, aber nicht auf klischeehafte Art und Weise. Die Musik ist nicht klassisch traurig inszeniert. Sie wird nicht vor einem schwarzen Hintergrund aufgeführt und es stehen auch nicht überall Lilien – bildlich gesprochen.
Sie haben gesagt, dass sie bisher noch nie einen richtig fröhlichen Song geschrieben haben. Haben Sie es mal versucht?
Jakob: (lacht) Tatsächlich haben wir im Zuge dieses Albums ganz, ganz viele Sachen ausprobiert. Auch, weil wir uns zum ersten Mal die Zeit gegeben haben, so viel zu testen. Es gibt eine Skizze, die wir geschrieben haben. Wir hatten die Aufgabe, einen Song zu schreiben, den wir hassen. Es war ein fröhlicher Song und der hat es auch nicht aufs Album geschafft.
Lennart: Wir haben es versucht, aber das ist nicht unser Ding. Wir wollen keine fröhliche, aber belanglose Musik machen. Ich glaube, es hat auch viel damit zu tun, dass wir selbst sowas auch nicht hören. Unsere musikalische Sozialisation ist eine andere – viel trauriger Indie, viel Punk, viel Rock. Aber nichts davon ist Schön-Wetter-Sonnenschein-Urlaubsmusik. Es geht immer darum, etwas zu verarbeiten und ich habe nicht das Bedürfnis, einen schönen Tag am Strand zu verarbeiten. Man kann zehn Jahre später den schönen Tag am Strand vermissen und dann machen wir einen Song darüber (lacht).
Obwohl Sie sich der traurigen Musik verschrieben haben, gelten Sie dennoch als Partyband. Wie passt das zusammen?
Jakob: Es gibt verschiedene Arten von Party. Wir sind nicht der Typ Oktoberfest (lacht). Auf unseren Konzerten kann man seine traurigen Gefühle gemeinsam ein bisschen verarbeiten und vergessen. Das kann man auch laut und tanzend machen. Es ist ein reinigender Prozess wie bei einer Psychotherapie. Aber unsere Konzerte ersetzen keine Therapie – bitte denkt das nicht. Es ist vielmehr ein Raum des Zusammenkommens und des gemeinsamen Fühlens.
Lennart: Es kann etwas Tröstliches sein, zusammenzukommen. Wir zelebrieren die Musik gemeinsam, drücken etwas zusammen aus. Unsere Songs sind ja auch hoffnungsvoll und nicht abgrundtief traurig.
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Das Albumcover ist tatsächlich auf einem der Konzerte entstanden. Was ist die Geschichte dahinter?
Lennart: Das Cover war das Kniffligste an der ganzen Platte. Wir haben eine Ewigkeit dafür gebraucht. Wir wollten eigentlich was Abstraktes machen. Aber irgendwie hat es nicht so richtig zum Album alles gepasst. Das hatte alles immer extreme Radiohead-Vibes und das wollten wir nicht mit dem Album vermitteln.
Jakob: Und dann sind wir auf dieses Foto gestoßen und haben uns gedacht, dass wir den Menschen zeigen, wofür wir Musik machen. Unsere Musik ist immer auch daran gekoppelt, Konzerte zu spielen. Wir sind dadurch motiviert, jedes neue Album an Ende auch vor Leuten aufzuführen. Wir wollen diese Konzerte auch einfach selbst erleben. Zwischen dem Titel und dem Foto gibt es auch einen Spannungsbogen und das hat uns gefallen. Es ist nicht das, was der Titel vermuten lässt.
Was ist das Besondere an Leoniden-Konzerten?
Jakob: Ich glaube, dass ziemlich viel an unseren Konzerten besonders ist. Allein weil unsere Musik was Besonderes ist. Wir werden oft wie eine Band gehandelt, von der es mehrere in Deutschland gibt. Wenn man eine andere Band neben uns stellen würde, erkennt man, dass wir anders sind. Ich klinge gerade wie ein Autoverkäufer, der versucht, dir was anzudrehen (lacht). Aber ich kann ohne Angst und Arroganz sagen, dass unsere Liveshows so energiegeladen sind wie nichts, was ich in den vergangenen Jahren gesehen habe. Bei uns ist nichts einstudiert, sondern alles impulsiv. Wir sind eine deutsche Band, singen auf Englisch, haben immer noch jede Menge krumme Takte in den Songs und fahren musikalisch keine klare Linie. Und dabei geht das Publikum total mit.
Lennart: Wir sind in dieser Deutschland-Bubble – und versteht mich nicht falsch, da sind tolle Leute mit drin – aber wir fallen da ein bisschen raus. Normalerweise, wenn du eine erfolgreiche Band sein möchtest, musst du Liebeslieder schreiben, auf Deutsch singen und den Hundeblick aufsetzen – aber das sind wir alles nicht. Musikalisch machen wir was anderes und wir sind stolz, es auf diesen Bühnen machen zu können. Wir bekommen mit unserer Art auch ganz viel vom Publikum zurück. Es schaukelt sich gegenseitig hoch.
Sie spielen nicht nur in kleinen und mittleren Hallen, sondern auch auf Festivals. Wo spielen Sie denn am liebsten?
Jakob: Die Mischung machts. Wir spielen auf einem Festival vor 55.000 Leuten und am nächsten Tag in einer kleinen Kaschemme vor Hunderten von Leuten oder in England in kleinen Clubs, wo uns kein Schwein kennt. Wir machen das, weil sich die Mischung für uns einfach gut anfühlt.
Lennart: Das macht auch die Herausforderung aus. Die Produktion einer Tour ist für einen Hunderter-Laden eigentlich viel zu groß. Es macht gar keinen Sinn, dass wir dort spielen. Wenn alle von der Crew aus dem Bus aussteigen, ist der Laden eigentlich auch schon voll. Wir wollen immer alles gleichzeitig. Wir wollen auf Festivals spielen, in Club oder sonst wo. Wir wollen nicht in acht fetten Hallen spielen, sondern in 16 verschiedenen Städten mit verschiedenen Hallen.
Das letzte Album hat Platz eins der Charts erreicht. Wie geht man mit diesem Wissen an ein neues Album dran?
Lennart: Lustigerweise hatte das letzte Album 21 Lieder und war von Außen betrachtet eher ein Kunstprojekt. Dass ausgerechnet das so ein Charterfolg wird, damit hätte niemand von uns gerechnet. Aber das zeigt mir auch, wie unberechenbar und willkürlich die ganze Sache ist und, dass man es auch getrost vernachlässigen kann. Das neue Album ist wesentlich kompakter und greifbarer als die letzte Platte und das war auch unser Ziel.
Jakob: Es wird sich aber nicht besser verkaufen, als ein Metallica-Re-Release, wenn er in der Woche kommt. Es ist wie Lotto spielen mit gezinkten Bällen. Man weiß ungefähr, was in die Charts kommt, aber auch nicht so richtig.
Lennart: Chartplatzierungen sehen fantastisch irgendwo geschrieben aus, aber das was zählt, sind am Ende des Tages die verkauften Konzerttickets.
Jakob: Vermutlich freuen sich auch die Leute, mit denen ich Abi gemacht habe, über eine Chartplatzierung, weil sie dann denken, ich sei berühmt (lacht). Faktisch passiert aber gar nichts.
Sie haben auch mit dem Gedanken gespielt, das neue Album im Ausland zu produzieren, sind dann aber zurückgerudert. Wieso?
Jakob: Wir konnten das erste Mal alles komplett durchdenken. Bei den vergangenen Alben haben wir am Wochenende Festivals gespielt, montags durchgeatmet und dann bis freitags Songs geschrieben. Jetzt konnten wir zwei Jahre lang einfach mal alles auf uns wirken lassen. Dabei kam die Idee auf, uns im Ausland irgendwo mal einzuschließen und ein Album zu schreiben. Aber das brauchen wir einfach nicht. Wir brauchen einen Produzenten, der uns versteht und den haben wir mit Magnus (Wichmann, Anm. d. Red.) dann auch gefunden.
Lennart: Wir hatten zwei Optionen, es unter Zeitdruck im Ausland zu machen oder ganz geduldig zu Hause. Wir wollten es nun mit der Geduld machen, die wir bei den letzten Alben nicht hatten. Wir haben immer alles vorher unter Druck gemacht und das sollte jetzt anders sein.
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Wie hat sich das bemerkbar gemacht?
Lennart: Wir haben doppelt so viele Songs geschrieben wie bei den Alben davor. Das gab es bei Leoniden noch nie. Da ist jeder Song, den wir geschrieben haben, am Ende auch auf der Platte gelandet.
Jakob: Wir sind auch eine Band, die der Produzent erstmal studieren muss. Denn wir wissen nie, was wir wollen.
Lennart: Eigentlich wollen wir immer ein Genre neu erfinden (lacht).
Jakob: Ja, wir sind da schwer zu bändigen. Magnus kennt uns schon länger, als wir uns beide kennen. Er war der perfekte Band-Mediator. Wir konnten alles ausprobieren und haben auch mal live aufgenommen. Damit haben wir bei jedem Song einen ersten Energie-Check gemacht – das gab es vorher nie bei uns. Allerdings klingt live einspielen am Ende immer etwas trashiger. Aber wir haben die Songs mit dieser Live-Version im Blick eingespielt und das hat für uns viel mehr Sinn gemacht, weil wir eine Live-Band sind. Ich habe die Takes eingesungen und bin dabei zum Beispiel durch die Gegend gerannt. Das klingt viel besser. Aber das mussten wir als Band erstmal verstehen.
Woher kam der Druck bei den Platten davor?
Jakob: Der war 100 Prozent selbstgemacht. Wir wollten immer wieder touren und nicht nur zum gleichen Album touren. Außerdem haben wir als Band einen nie endenden Kennenlernprozess. Wir brauchten in diesem Moment einfach diesen Rausch und den Druck.
Lennart: Es gab natürlich auch noch einen anderen Faktor. Klar, wir wollten viel touren – aber unsere Band finanziert sich auch übers Touren. Wir mussten Konzerte spielen und wir mussten dafür auch Alben veröffentlichen. Da steckt auch ein finanzieller Druck hinter. Wir müssen irgendwo von leben. Das hat sich erst geändert, als wir größer wurden. Und nun hatten wir die Basis, um uns für das neue Album Zeit zu nehmen.