Essen. Das neue Album von Dion DiMucci („The Wanderer“, „Runaround Sue“) ist ein echter Wurf

Man wundert sich ein bisschen, dass die nun wirklich nicht versteckenswerte Stimme von Susan Tedeschi im verschleppten Tempo dieser bisonstarken Nummer „Soul Force“ so gar nicht zu hören ist. Aber dafür packt sie mit einer Wucht und Leidenschaft in die Saiten, die den Gesang von Mr. Dion DiMucci zum bloßen Begleitinstrument werden lässt. Und der ist, man fasst es kaum angesichts der strammen 83 Lebensjahre von Dion, keinen Deut schlechter als in den späten 50er- und frühen 60er-Jahren, als er mit Hits wie „The Wanderer“, „I Wonder Why“ oder „Teenager in Love“, mit denen er, damals gerade mal 20 Jahre alt, zu einem der führenden Doo-Wop-Sänger wurde.

Brian Setzer, Van Morrison, Joe Bonamassa, Jeff Beck, Bruce Springsteen, Eric Clapton und Mark Knopfler jammten mit Dion

In einem Alter, in dem andere schon die Enkel-Bespaßung wieder aufgeben, weil sie sich nicht mehr rüstig genug fühlen, hat Dion noch einmal so richtig aufgedreht. Seine Alben „Blues With Friends” (2020) und „Stomping Ground” (2021) überzeugten schon mit knackigen Sounds und straighten Songs. Zumal die Gästelisten sich wie ein „Who is Who“ der Rockmusik lasen, von Brian Setzer, Van Morrison, Joe Bonamassa und Jeff Beck über Billy Gibbons, Paul Simon, Bruce Springsteen und Patti Scialfa bis Eric Clapton, Mark Knopfler, Peter Frampton und Rickie Lee Jones. Aber das neue „Girl Friends“ kommt mit einer Frische, mit ungeahnter Abwechslung und so viel Rasanz daher, dass man kaum anders kann als gut gelaunt aus dieser knapp 50minütigen Bluesrock-Dusche herauszuspringen. Rhythm‘n‘Blues, Country, Soul, Gospel und Rock sind hier so geschmeidig legiert, dass die einzelnen Zutaten schnurzegal werden.

Dion DiMucci 1963 in seinem New Yorker Heimatstadtteil Bronx.
Dion DiMucci 1963 in seinem New Yorker Heimatstadtteil Bronx. © Newsday RM via Getty Images | Newsday LLC

„Ich habe festgestellt, dass Männer eine andere Melodie spielen, wenn Frauen im Raum sind“, ist dem schlauen Dion irgendwann einmal aufgefallen, „es ist eine andere Art von Jam, wenn Frauen im Spiel sind. Ich weiß nicht, warum das so ist. Ich weiß nur, dass bessere Musik entsteht und wir alle davon profitieren.“ Und er selbst, das wird er vielleicht gar nicht unbedingt so merken, singt auch mit einem anderen Schmelz, wenn eine Frau im Spiel ist: In „I Got Wise“ lässt er sich nicht nur von Maggie Rose bereitwillig an die Wand singen, am Ende ringen hier zwei Riesen ihres Fachs miteinander und um Fassung, unterbrechen, überlagern einander, dass es einem die Tränen in die Augen treibt.

Mit Sue Foley singt Dion statt „Runaround Sue“ lieber „Hey Suzy“

Und wenn anschließend Sue Foley mit Dion in „Hey Suzy“ auf die Country-Schaukel steigt, die von einer Quetschkommode mächtig in Fahrt gehalten wird, könnte sich vielleicht auch die „Runaround Sue“ aus Dions Hit von ‘61 angesprochen fühlen – das Luder soll ja nicht identisch sein mit jener Susan, die unlängst Diamantene Hochzeit mit Dion gefeiert hat...

Mit „den Frauen, die meine Kopfhörer bewohnen“ und bei denen er das Radio lauter dreht, liefert Dion eines der besten Alben seiner Karriere ab. „An American Hero“ mit Carlene Carter ist ein bewegender Hilfeschrei einer gespaltenen Nation, die nach einem sehnt, der endlich mal für alle spricht. Und nach dem Hammer-Rausschmeißer mit Joanne Shaw Taylor, die sowohl an der Gitarre wie am Mikro den Ton angibt, werden es wohl nicht nur Fans schade finden, dass das Album schon zu Ende ist.