Essen. Neue Alben der Bluesrock-Riesen Joe Bonamassa („Blues Deluxe Vol. 2“) und Kenny Wayne Shepherd („Dirt on my Diamonds“) – mit nur einem Reinfall.

Unter den legitimen Erben des viel zu früh in die ewigen Bluesrock-Jagdgründe gewechselten Stevie Ray Vaughan (1954-1990) war Joe Bonamassa vielleicht derjenige, der mit seinem „Blues Deluxe“-Album dem Gitarrengott aus Texas am nächsten kam. Der produktivste war Bonamassa (46) seither allemal. Gerade erst hat er mit seinem jüngsten Album „Blues Deluxe 2“ mal ausgemessen, wie sehr er sich in den 20 Jahren seit dem ersten „Deluxe“-Album mit Cover-Versionen weiterlegentwickelt hat.

So gut wie jedes Jahr ein neues Solo-Album, dazu noch jede Menge Gemeinschafts-Alben, vor allem mit der umwerfenden Sängerin Beth Hart, erhöhten den Output noch einmal deutlich. Der Sänger Joe Bonamassa hat sich vielleicht das eine oder andere bei ihr abgeschaut, er ist im Laufe der Jahre tatsächlich um Längen besser geworden, im Ausdruck fast so souverän variabel wie auf den sechs Saiten. Hier allerdings ist seine Virtuosität auch noch einmal gewachsen, vor allem die Kunst, Fingerfertigkeit im Zweifelsfall zurückzustecken zugunsten der Stimmigkeit.

Anklänge an Gary Moore bei Bonamassa, volle Breitseite von Kenny Wayne Shepherd

Zu hören ist das vor allem im besten Song des neuen Albums, den er sich für den Schluss aufgehoben hat: „Is it safe to go Home“ vom fast gleichaltrigen Kollegen Josh Smith, eine herzenstraurige, epische Tränen-Ballade mit leichten Anklängen an Gary Moore, aber doppelt so viel Intensität. Ansonsten fährt Joe Bonamassa reichlich Streicher und eine sechsköpfige Bläser-Wand auf, die den Sound merklich Richtung Rhythm & Blues und Jazz schiebt; hier und da drängt sogar eine Spur Funk nach vorn.

Joe Bonamassa in seinem Standard-Outfit in der Royal Albert Hall, London.
Joe Bonamassa in seinem Standard-Outfit in der Royal Albert Hall, London. © Redferns | Gus Stewart

Fast orchestral, jedenfalls fett war der Sound des anderen Vaughan-Erben Kenny Wayne Shepherd, ebenfalls Jahrgang ‘77, immer. Und auch auf dem neuen Album fällt die Titelnummer „Dirt on my Diamonds“ gleich mit der Tür ins Haus wie sein Mega-Hit „Blue on Black“ – volle Breitseite raumfüllende Gitarren auf den stampfenden Rollen der Rhythmusabteilung, die im Takt immer voll auf die 1 geht. Der Song feiert im Klang wie im Text die Unebenheiten und Kanten des Lebens als Salz in der Suppe.

Shepherds Cover von Elton Johns „Saturday Night’s alright“ ist ein Reinfall

Das wechselt hier und da mit lässig genossenen Shuffle-Rhythmen, und einmal serviert Shepherd glatt eine Pop-Ballade, die sich aus den Gefilden des Schmuse-Schäfers John Mayer in die legendären Fame-Studios in Muscle Shoals, Alabama, verirrt zu haben scheint – aber auch dieses Genre meistert Shepherd. Was aber im Gegensatz zu Bonamassa bei ihm zum Ausfall gerät, ist eine Cover-Version: Dem Elton-John-Klassiker „Saturday Night’s alright“ vermag Shepherd nichts Neues abzugewinnen, der Song ist einfach nur runtergespielt, ihm fehlt sogar der Thrill, den die verrückte Nudel Elton John ihm auch live zu geben versteht.