Moyland. Jeder Mensch ist ein Musiker - das kann er oder sie auf Schloss Moyland nachfühlen. Bloß die Glöckchen im Treppenhaus darf man nicht läuten.

Die Versuchung ist groß: Im Treppenhaus des Museums Schloss Moylands hängen Dutzende kleiner Glöckchen über den Treppenstufen. Man könnte sie im Hinauf- oder Hinabgehen streifen und zum Schwingen und Klingen bringen. Allerdings mahnen – leider – Schilder, das Kunstwerk von David Horvitz nicht zu berühren.

Zur Beruhigung: Es gibt andere Möglichkeiten, Dinge zum Klingen zu bringen in dieser „Musik Zone West“, die die tönende Seite der Kunstbewegung Fluxus beleuchtet. Im Park unter der Trauerweide locken die Klangstäbe des „Lullaby for a landscape“ samt Stöcken, so dass ein jeder die Landschaft in den Schlaf spielen kann.

Wer mag, hat den Hut auf: Klänge von Papierwürfeln

Im Schloss kann jeder den Hut aufhaben, den die 94-jährige Takako Saito mit Papierwürfeln unterschiedlicher Größe gefüllt hat und deren Sturz auf den Marmorboden eine Klangkaskade – „Head Music“ – auslöst. Saito übrigens wird noch bis zum 20. August im Kunstmuseum Bochum gewürdigt, vor etlichen Jahren war sie mal in Moers zu Gast.

Auf Moyland hat sich Kuratorin Judith Waldmann jedoch vor allem im reichen Archiv des Hauses bedient – allein in Moyland schlummern 2500 Arbeiten zur Fluxus-Bewegung – und sie mit einigen neueren Exponaten kombiniert.

Fluxus hat Tradition in der Region. Davon zeugen Ute Klophaus’ Fotografien der 24-Stunden-Performance 1965 in der Wuppertaler Galeria Parnass. Bis hin zum „Piano Drop“ von Beck Hansen, bei dem in Moyland im Jahr 2000 das Instrument in den Innenhof purzelte, lässt sich die musikalische Fluxus-Geschichte in der Region verfolgen.

Ein eigener Raum ist den Werken von Kraftwerk gewidmet – deren Verbindung zu Fluxus im Wesentlichen über die Kunsthochschule Düsseldorf im Allgemeinen und den Club „Creamcheese“ in Düsseldorf im Speziellen bestand.

Lullaby for a landscape - das Schlaflied für eine Landschaft - darf jeder zum Klingen bringen. Kuratorin Judith Waldmann macht es vor.
Lullaby for a landscape - das Schlaflied für eine Landschaft - darf jeder zum Klingen bringen. Kuratorin Judith Waldmann macht es vor. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Musikalisch herausfordernder ist da schon die Dauerberieselung mit dem Beuys-Song „Sonne statt Reagan“ im dritten Saal. Dort sind von Fluxus beeinflusste Plattencover und zerstörte „Goldene Schallplatten“ (Milan Knížák) zu bestaunen. Ein in Holz verpacktes Klavier samt angehängtem Hammer und hinter Glas gehaltener Brechstange lockt, ebenfalls eher zerstörerisch kreativ zu werden. Indes: Man darf es nur, wenn man sich einsam fühlt.

Und beim nächsten Glockenschlag gibt es ein Museumsverbot … die Glocken des Kunstwerkes von David Horvitz „Let us keep our own noon“ werden nur im Rahmen einer Performance geläutet.
Und beim nächsten Glockenschlag gibt es ein Museumsverbot … die Glocken des Kunstwerkes von David Horvitz „Let us keep our own noon“ werden nur im Rahmen einer Performance geläutet. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Der Startschuss zur „Fluxus Musikzone West“ fiel übrigens schon 1963 an der Kunsthochschule Düsseldorf. Dort startete das „Festum fluxorum“ mit dem Gründer der Bewegung George Maciunas, Beuys, John Cage, Nam June Paik, Wolf Vostell, Alison Knowles, und vielen anderen – heutigen – Promis. Und im vollbesetzen Saal lernten die Menschen die wichtigsten Lektionen: Jedes Geräusch, jeder Klang kann Musik sein – und sei es der eigene Atem: Jeder ist ein Musiker, niemand geht sang- und klanglos durchs Leben. Selbst, wenn er oder sie die Finger von den lockenden Glöckchen im Treppenhaus lässt.

Und so geht es los - und weiter:

Eröffnung: Sonntag, 13.8. 11.30 Uhr mit einem Gespräch zwischen der Kuratorin Judith Waldmann und demDirektor des Archivio Conz in Berlin, Hubertus von Amelunxen und mit der Performance „Das Flüstern der Vögel“, bei der hunderte Papierwürfel auf Musiker herabstürzen (die tragen Sturzhelm und Schutzkleidung).

Am 17.9. erklingt das Kunstwerk „Let us keep our own noon“ von David Horvitz. Es handelt sich um ein FLUXUS-Konzert, das die Besucher:innen mit Hilfe der goldenen Glöckchen selbst aktivieren.Ausgehend vom Treppenaufgang werden während der Performance sowohldas Schloss als auch der Park und die Gärten auf neuartige Weise erkundet.mit den Glöckchen im Treppenhaus (Anmelden bitte: besucherservice@moyland.de).

Konzert und mehr: Emil Schult (Ex-Kraftwerk) spricht über Charlotte Moorman, Nam June Paik, Joseph Beuysund ihren Beitrag zur Musikgeschichte. Im Anschluss wird bei einem Konzertdie Uraufführung von Flux Stream und Art is Live gefeiert. In beide Songsvon Manteuffel und Schult sind weg- und zukunftsweisende Zitate von Joseph Beuys und Charlotte Moorman eingeflossen.

Weiter wird Update theFuture gespielt. Das Konzert ist eine Multimediaaufführung mit Sound undprojizierten Visuals.Im Rahmen des Konzerts wird außerdem ein Plattenrelease gefeiert:Zur Ausstellung erscheint eine limitierte, signierte und in Einzelherstellungproduzierte Vinylplatte mit den beiden Songs Flux Stream und Art is Live als Künstleredition von „Transhuman Art Critics“.

Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 7 .Januar 2024, jeweils dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, Sa/So ab 10. 7 Euro. Ab OKtober schließt das Haus bereits um 17 Uhr seine Pforten. Infos: moyland.de.