Essen/Oberhausen. Mussten zwei Nachwuchs-Basketballer sterben, nur weil sie Ukrainer waren? Das Landgericht Essen verhandelt über noch mehr Straftaten.
Sie waren nach Deutschland gekommen, weil sie auf Frieden und Sicherheit hofften. Doch im Februar wurden zwei ukrainische Nachwuchs-Basketballer in Oberhausen brutal getötet. Jetzt hat vor dem Essener Landgericht der Prozess begonnen.
Die Staatsanwaltschaft wirft den vier inzwischen 14 bis 16 Jahre alten Angeklagten heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Der brisante Verdacht: Die Jugendlichen sollen die jungen Basketballer nur deshalb getötet haben, weil sie Ukrainer waren.
Prozess findet ohne Zuhörer statt
Als ein Wachtmeister den Beginn der Verhandlung offiziell aufruft, bleibt die Tür für Zuschauer verschlossen. Wegen des jugendlichen Alters der Angeklagten findet der komplette Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Die Hinterbliebenen der beiden getöteten Jugendlichen dürfen aber natürlich in den Saal. Es werde ihren Mandanten sicher schwerfallen, den Angeklagten in die Augen zu sehen, sagt Nebenklage-Anwältin Alice Scaglione vor Beginn der Verhandlung.
Medikamente helfen durch den Tag
Scaglione betreut die Eltern der beiden Getöteten schon seit vielen Wochen und Monaten. „Sie sind schwer traumatisiert“, sagt sie. Manche Tage könnten sie nur mit Hilfe von Medikamenten überstehen.
Dass zumindest drei der vier Angeklagten schon lange polizeibekannt sein sollen und immer wieder mit zum Teil schweren Straftaten aufgefallen sein sollen, haben die Anwältin und die Eltern auch zur Kenntnis genommen. „Das muss aufgeklärt werden“, sagt Scaglione. Die Frage, ob die Bluttat möglicherweise hätte verhindert werden können, indem die Justiz früher härter durchgegriffen hätte, stehe natürlich im Raum.t
Schlagstock bereits im Ärmel versteckt
Die Bluttat hatte im Februar für viel Aufsehen und Entsetzen gesorgt. Die beiden ukrainischen Nachwuchs-Basketballer waren auf dem Weg nach Düsseldorf. Im Bus zum Oberhausener Hauptbahnhof trafen sie dann aber auf die vier Angeklagten.
Diese sollen sofort beschlossen haben, die beiden jungen Sportler anzugreifen, sobald sie den Bus verlassen hätten. Einer der Angeklagten soll auf seinen Schlagstock gezeigt und die Waffe in seinem Ärmel verborgen haben. Ein anderer fragte die beiden ahnungslosen jungen Männer offenbar noch nach deren Herkunft. Als dann klar war, dass es sich um Ukrainer handelte, soll die Tat endgültig beschlossen worden sein. Von den Angeklagten besitzen zwei die deutsche und zwei die syrische Staatsangehörigkeit.
Bluttat: Zeugen alarmieren Rettungskräfte
Am Hauptbahnhof Oberhausen ging dann alles ganz schnell: Die beiden Ukrainer wurden laut Anklage voneinander getrennt und sofort mit Schlägen attackiert. Mindestens zwei der Angeklagten sollen auch ein Messer gezogen und damit immer wieder zugestochen haben. In der hektischen und unübersichtlichen Situation wurden offenbar auch zwei der Angreifer selbst durch Messerklingen verletzt – allerdings nur oberflächlich und keinesfalls lebensgefährlich.
Nachdem Zeugen die Polizei und Rettungskräfte alarmiert hatten, wurden die beiden Ukrainer umgehend ins Krankenhaus gebracht. Trotz aller ärztlicher Bemühungen war ihr Leben aber nicht mehr zu retten.
Tod zweier Ukrainer: Verein hilft mit Spenden
Der 17-Jährige starb noch am selben Abend im Rahmen einer Notoperation. Das Messer hatte seinen Darm durchstochen und eine Vene schwer beschädigt, sodass es zu einem erheblichen Blutverlust kam. Sein ein Jahr älterer Freund erlitt nach der Bluttat ein septisches Multiorganversagen und starb zehn Tage später ebenfalls im Krankenhaus.
Die Hinterbliebenen sind froh, dass sich der Düsseldorfer Basketballverein ART Giants aufopferungsvoll um sie kümmert. Spenden hätten es ermöglicht, dass die Leichname in die Ukraine überführt und dort bestattet werden konnten, sagt Opfer-Anwältin Scaglione. „Dafür sind wir sehr dankbar.“
Weitere Vorwürfe: Überfälle, Drohungen, Körperverletzung
Das Essener Landgericht muss neben der tödlichen Messerattacke noch über eine ganze Reihe weiterer Straftaten verhandeln. Die Angeklagten sollen unter anderem auch in Köln und Essen Menschen überfallen, bestohlen, bedroht und verletzt haben.
Vor Gericht wird deshalb eine ganze Reihe von Zeugen aussagen müssen. Schon jetzt sind Verhandlungstage bis zum 21. November terminiert. Ob sich die Angeklagten zu den Vorwürfen äußern werden, ist nicht bekannt. Und selbst wenn, dann würde auch davon vorerst nichts nach außen dringen. An jedem einzelnen Sitzungstag wird ein großes Schild mit der Aufschrift „nicht öffentlich“ an der Saaltür hängen. Und die Plätze für Zuschauer und Zuhörer werden leer bleiben. mvb