Ruhrgebiet. Was Schüler und Schülerinnen von den Reformplänen für die Bundeswehr halten. Kann man sich überhaupt vorbereiten auf einen Krieg?
Der Verteidigungsminister will nicht nur die Besten, sondern auch die Motiviertesten. Für seinen „Auswahlwehrdienst“ will Boris Pistorius jene jungen Menschen gewinnen, die sich freiwillig für eine Grundausbildung melden. Aber wollen die Jugendlichen von heute zur Bundeswehr?
„Habt ihr Bock?“, wirft der Hauptmann in die Runde, und etwas förmlicher formuliert will bald auch der Minister die jungen Menschen fragen. Diesen hier könnte der Brief schon in zwei, drei Jahren ins Haus flattern, wenn sie erst 18 sind: Sie sitzen in der zehnten Klasse eines Essener Gymnasiums oder in der Unterstufe eines Duisburger Berufskollegs, mit dem Jugendoffizier Jos Meinköhn ist die Bundeswehr zu Besuch im Unterricht. Wehrpflicht, ja oder nein, der Soldat möchte das aus Interesse wissen, nicht konkret wegen einer Wehrreform.
„Es würde uns gut tun, man lernt etwas“
Zuletzt haben die Schülerinnen und Schüler ihn immer häufiger danach gefragt. Ob sie bald auch wieder zur Bundeswehr müssten? Die Frage, sagt Meinköhn, sorge sie. Der „russische Angriffskrieg auf die Ukraine“, wie der Hauptmann das stets sauber ausdrückt, beschäftigt sie. Viele wissen genau, welche Partei in Sachen Wehrpflicht was fordert. Jahrelang hatten sie eher solche Fragen gestellt: Wie ist das bei der Bundeswehr, wird man da immer noch angeschrien? Müssen die Haare ab? Wann müssen Sie aufstehen? Wie oft dürfen Sie nach Hause?
Jetzt fragt einer in Duisburg, ob es im Falle des Falles so kommen könnte wie in der Ukraine: dass alle Männer eingezogen würden außer den alten und jenen, die viele Kinder haben? „Kann das hier auch passieren? Dass ich dann mitmachen muss?“ Dem Jungen macht die Vorstellung Angst, ein anderer versucht zu beruhigen: Dafür ausgebildet zu werden, sei „gar nichts Schlimmes. Es würde uns gut tun, man lernt was“. Der dritte spricht von „guter Lebensschulung“; es sei „wichtig für alle, zu wissen, was zu tun ist“. Das Wort „Krieg“ sprechen sie nicht aus.
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In Essen schon. Wenn wieder mehr junge Leute Soldaten werden, überlegt Julius, „wird es dadurch nicht wahrscheinlicher, dass der Krieg kommt“. Aber eine stärkere Armee könnte „abschreckende Wirkung“ haben, vermutet der 16-Jährige. Golda traut sich kaum, ihre Gedanken zu äußern. Ob das „doof“ ist, so zu denken, naiv? „Ohne Soldaten“, bringt sie schließlich heraus, also wenn es die gar nicht gäbe – „gäbe es vielleicht auch keinen Krieg“? Niemand lacht, sie sei nicht die Erste, sagt der Hauptmann, die so denkt.
„Ist das fair, nur Männer und keine Frauen?“
Also, sagt Julius, wenn es wirklich zu Krieg käme in Deutschland, dann „schadet es nicht, vorbereitet zu sein“. Das findet auch Sarah: „Falls es Krieg gibt in der EU, dann müsste man ja auch...“, wie soll sie das ausdrücken, „...beitreten können.“ Mit einer Bundeswehr, die stark genug ist. Da muss allerdings Pauline widersprechen. „Man kann Krieg nicht vorbereiten.“
Hauptmann Meinköhn hört geduldig zu, „es gibt kein Richtig oder Falsch“, sagt er schließlich. Und „keine Gedankenverbote“. Es gehe um Geld, aber auch um die Frage, wer eingezogen werden soll; wollen sie nicht alle eine gendergerechte Welt, müsste man also nicht auch Mädchen...? „Ist das fair, nur Männer und keine Frauen?“ Drucksen in der Klasse, keine Antwort auf diese Frage. Der Offizier gibt zu bedenken, dass es bei einer Reform um ihre Ziele gehen müsse: „Wir müssen uns verteidigen können.“ So steht das im Grundgesetz. Und: „Werden wir überhaupt besser, wenn es die Wehrpflicht wieder gibt?“