Berlin. Durch Kinderwunschbehandlungen steigt in Deutschland die Zahl der Ü-40-Mütter stetig an. Eine Ärztin klärt über Chancen & Risiken auf.

Das mit dem richtigen Zeitpunkt im Leben ist so eine Sache. Was die einen passend finden, erscheint anderen falsch. So ist es auch, wenn Frauen sich dafür entscheiden, jenseits der 40 ein Kind zu bekommen, oft mit medizinischer Hilfe. Laut Statistischem Bundesamt hat sich die Zahl der Ü-40-Mütter in Deutschland seit 1990 fast vervierfacht. Parallel dazu ist die Zahl der Paare gestiegen, die eines der mehr als 130 Kinderwunschzentren hierzulande aufsuchen.

Im europäischen Ranking landete Deutschland zuletzt mit über 99.000 künstlichen Befruchtungen hinter Spanien, Frankreich und Russland auf Platz vier. Was es sonst noch über späte Schwangerschaften und Behandlungsansätze in Kinderwunschpraxen zu wissen gibt – ein Überblick.

Wie wahrscheinlich ist es, mit über 40 schwanger zu werden?

Die Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, liegt bei Frauen über 40 pro Zyklus im Schnitt bei zehn Prozent. Mit 45 sinkt sie auf ein bis drei Prozent. Ist man dann tatsächlich schwanger, kommt die Fehlgeburtsrate hinzu, sagt Dr. Anette Siemann, Reproduktionsmedizinerin aus Berlin. Bei einer 40-Jährigen betrage das Risiko rund 30 Prozent.

Statistik hin oder her, entscheidend sind vor allem individuelle Faktoren, wenn es klappen soll: ein stabiler Zyklus, kaum oder keine gynäkologischen Vorerkrankungen und Fehlgeburten. Wichtig ist auch der Status der Fruchtbarkeitshormone, etwa des Anti-Müller-Hormons. Nur wenn dieser Spiegel hoch ist, ruhen in den Eierstöcken genug Follikel, aus denen befruchtbare Eizellen heranreifen.

Welche Rolle spielen Kinderwunschbehandlungen bei einer späten Schwangerschaft?

Das lässt sich schwer sagen. Bekannt ist: Von den Frauen, die sich Samen übertragen lassen (Insemination), werden nur vier Prozent überhaupt schwanger. Bei künstlichen Befruchtungen lag die Rate im Jahr 2017 bei einer 41-Jährigen im Schnitt bei 25,8 Prozent. Ohne die Reproduktionsmedizin würde es also weniger Ü-40-Schwangerschaften geben.

Ein Spermiogramm kann Auskunft über die Spermienqualität des Mannes geben.
Ein Spermiogramm kann Auskunft über die Spermienqualität des Mannes geben. © New Africa - stock.adobe.com | stock.adobe.com

Entscheidend ist, dass die Frauen rechtzeitig einen Arzt aufsuchen. „Bei Frauen über 40 rate ich zum Check, wenn es nach einem halben Jahr mit ungeschütztem Sex nicht zur Schwangerschaft kommt“, sagt Experte Frank Nawroth. Ob und was dem Kinderwunsch entgegensteht, können Ärzte dann durch Zyklusmonitoring, Bluttests zum Bestimmen des Hormonstatus, Spermiogramm, Ultraschall von Eileiter und Gebärmutter und Bauchspiegelung feststellen. Erst danach kann man über weitere Schritte nachdenken.

Schwanger mit über 40: Das mindert die Chancen

Jein. „Ausgewogene Ernährung und ein gesunder Lifestyle können nicht verhindern, dass die Eizellen altern“, sagt Professor Frank Nawroth. Aber: Übergewicht und vor allem Rauchen scheinen die sowieso geringere Chance auf eine Schwangerschaft weiter zu reduzieren.

In einer israelischen Studie mit 146 Patientinnen zwischen 41 und 43 Jahren, die sich einer künstlichen Befruchtung unterzogen haben, erwies sich Rauchen (neben dem Alter) als größtes Hindernis: Das Nikotin verringerte die Wahrscheinlichkeit, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, um 80 Prozent.

Was genau passiert bei der Kinderwunschbehandlung?

Das kommt auf das Verfahren an. Ist die Frau gesund und die Spermienqualität des Mannes nur leicht eingeschränkt, kommt eine Insemination infrage: Dabei wird das aufbereitete Sperma per Katheter in die Gebärmutterhöhle gegeben. Um die Erfolgschancen zu erhöhen, kann die Eibläschenreifung bei der Frau vorher durch Medikamente angeregt werden.

Anders als die Insemination findet eine künstliche Befruchtung außerhalb des Körpers statt. Durch Hormone wird erst die weibliche Follikelbildung angeregt, die gereiften Eizellen werden später in Vollnarkose vaginal abgesaugt. Danach kann man auf zwei Arten vorgehen. Entweder man wählt die In-vitro-Fertilisation: Eizellen werden in einer Petrischale mit den aufbereiteten Samenzellen zusammengebracht und müssen wie bei der natürlichen Befruchtung zusammenfinden. Die befruchtete Eizelle – der Embryo – wird nach zwei bis fünf Tagen in die Gebärmutter eingesetzt.

Die zweite und weniger bekannte Variante der künstlichen Befruchtung ist die intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Sie kommt bei schlechter Spermienqualität zum Einsatz. Ein besonders fittes Spermium wird dabei unter dem Mikroskop direkt in die Eizelle injiziert. Der Rest läuft wie bei der IVF ab. Um risikoreiche Mehrlingsschwangerschaften zu vermeiden, setzen viele Reproduktionsmediziner der Frau nur einen Embryo ein, seltener zwei. Übrige befruchtete Eizellen können eingefroren und für weitere Zyklen verwendet werden. Der Vorteil für die Frau: Sie muss nicht noch mal stimulierende Medikamente nehmen und spart sich eine weitere Eizellentnahme unter Narkose.

Warum gehen Ü-40-Frauen mit Babywunsch ins Ausland?

Weil die sogenannte Eizellspende in Deutschland laut Embryonenschutzgesetz verboten ist – und ebendieses Verfahren die Wahrscheinlichkeit für ein Baby nach dem 40. Lebensjahr deutlich erhöht: Die Schwangerschaftsrate liegt für eine Frau zwischen 40 und 50 Jahren bei 50 bis 60 Prozent.

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In Österreich, Großbritannien, Spanien, Belgien, Tschechien und Polen ist die Methode legal. Seriöse Praxen behandeln dort Frauen maximal bis zum 50. Lebensjahr. Dabei stammen die Eizellen von einer jungen, anonymisierten Spenderin. Wie bei der IVF-Methode werden die Zellen mit dem männlichen Samen befruchtet. Der daraus entstandene Embryo wird dann in die Gebärmutter der Frau mit Kinderwunsch eingesetzt.

Warum ist Schwangerwerden jenseits der 40 schwierig?

Zig erfolglose Versuche – und dann das Baby einfach im Urlaub gezeugt: Das kommt vor und erklärt Sprüche wie „Ihr müsst den Druck rausnehmen, dann klappt es.“ Aber, sagt Reproduktionsexpertin Anette Siemann: „Man kann sich nicht so stressen, dass man nicht schwanger wird.“ Stress bringt den Zyklus durcheinander, der Eisprung verzögert sich, schwanger werden kann man trotzdem. Klappt es nicht, hat das andere Gründe.

Schwangerschaftstest
Ob die Krankenkassen die Kinderwunschbehandlung übernehmen, hängt unter anderem vom Alter und Familienstand der Patienten ab. © DPA Images | Hendrik Schmidt

Bei der Geburt ist die Eizellreserve im Körper eines Mädchens angelegt. Wie viele Eibläschen dort ruhen, ist von Frau zu Frau verschieden. Mit den Jahren schrumpft dieser Vorrat. „Vor allem nimmt die Qualität ab einem bestimmten Alter drastisch ab, das ist der wichtigste Grund für die sinkende Fruchtbarkeit“, erklärt Professor Frank Nawroth, Endokrinologe und Kinderwunschexperte aus Hamburg. Denn befruchtbar sind nur intakte Eizellen, und davon sind mit 40 weniger übrig. Verklebte Eileiter, Gebärmuttermyome, Endometriose und Hormonstörungen wie das polyzystische Ovarsyndrom senken die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, zusätzlich. In jedem dritten Fall reicht wiederum die Qualität der männlichen Spermien nicht.

Folgen auf mehr Ü-40-Mütter bald mehr Ü-50-Mütter?

Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Auch Insemination, IVF und ICSI können ab einem gewissen Alter keine Wunder vollbringen. Sogar bei den künstlichen Befruchtungen, die immerhin in einem Viertel der Fälle zur Schwangerschaft führen, beträgt die Geburtenrate am Ende nur 15 Prozent. Und je älter die Frau, desto geringer ist ihre tatsächliche Chance auf ein Baby. Für eine Frau mit 46 liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft bei nur noch fünf und die Geburtenrate bei unter zwei Prozent.

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Reproduktionsmedizinerin Anette Siemann fasst es so zusammen: „Selbst bei sehr guter Eizellreserve liegt das Risiko einer Fehlgeburt wegen der schlechten Eizellqualität ab 45 Jahren bei 60 bis 70 Prozent.“ Wie selten das späte Babyglück ist, zeigt auch diese Zahl: 2017 brachten in Deutschland gerade mal zwölf Frauen über 45 Jahre durch IVF ein Kind zur Welt, das aus einer eigenen Eizelle entstand.

Wie viel kostet eine Kinderwunschbehandlung?

Die Krankenkassen übernehmen meist die Hälfte der Kosten für Insemination und künstliche Befruchtung – aber nur bei verheirateten Paaren, bei denen die Frau maximal 40 Jahre und der Mann höchstens 50 ist. Wer älter, nicht verheiratet oder Singlefrau ist, trägt alle Ausgaben allein. Bei einer Insemination ohne hormonelle Stimulation sind das circa 300 Euro, mit Hormonen etwa 1000 Euro. IVF und ICSI kosten pro Versuch 5000 bis 8000 Euro. Für eine Eizellspende muss man je nach Land mit 8000 bis 12.000 Euro rechnen.

Dieser Text erschien zuerst in der Zeitschrift „Donna“, die wie diese Redaktion zur FUNKE Mediengruppe gehört.

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