Berlin. Glutamat hat ein schlechtes Image als ungesunder Geschmacksverstärker. Eine Ernährungswissenschaftlerin klärt auf, ob das stimmt.
„Wir kochen ohne Glutamat und andere Geschmacksverstärker“ – das liest man immer wieder auf Schildern und Aufklebern von (meist asiatischen) Restaurants. Denn der Zusatzstoff, der fade Speisen in eine Geschmacksexplosion verwandeln soll, hat bei uns einen zweifelhaften Ruf. Doch warum eigentlich?
Geschmacksverstärker: Aus was besteht Glutamat?
Als Geschmacksverstärker wird Glutamat in Gastro-Kreisen auch oft als „Maria hilf“ bezeichnet. Ein Hinweis darauf, dass eine Prise Glutamat schon so manchem Koch geholfen hat, langweiligen Gerichten verlässlich einen herzhaft-würzigen Geschmack zu verleihen.
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Glutamat für die Küche wird als ein weißes Pulver verkauft. Hergestellt wird es industriell und in Zutatenlisten als „E621“ ausgewiesen. „Glutamat kommt aber auch ganz natürlich in unserem Körper vor“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Ursula Pabst. „Rein chemisch betrachtet ist Glutamat nichts anderes als das Salz einer Aminosäure, der Glutaminsäure. Aminosäuren sind wiederum die kleinsten Bestandteile von Proteinen, also Eiweiß.“
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Glutamat findet sich damit nicht nur in den Körpern von Menschen und Tieren, sondern auch in einer Vielzahl von Lebensmitteln, wie etwa in Fleisch, lang gereiftem Käse, Pilzen oder Tomaten. Selbst Muttermilch enthält Glutaminsäure.
Was macht Glutamat mit dem Körper?
Das Glutamat, das unser Körper selbst herstellt (endogenes Glutamat), beeinflusst etwa die Entwicklung des Nervensystems und dient als wichtige Energiequelle im Darm. Wenn von Glutamat in der Nahrung die Rede ist, ist jedoch meist das als Geschmacksverstärker bekannte Mononatriumglutamat, also exogenes Glutamat, gemeint, so die Expertin.
Ernährung: Soll man Glutamat vermeiden?
Ein Grund für das schlechte Image ist das sogenannte China-Restaurant-Syndrom. In den späten 1960er-Jahren beschrieb der US-amerikanische Mediziner Robert Ho Man Kwok ein Phänomen: Nach dem Genuss von asiatischem Essen in den USA fühlte er sich körperlich unwohl. Sein Mund wurde trocken, der Hals kratzte. Er klagte über Hitzewallungen, Taubheitsgefühle, Herzrasen und Übelkeit. Als Übeltäter identifizierte er neben chinesischem Kochwein und dem hohen Salzgehalt des Essens auch das in Restaurantküchen häufig verwendete Glutamat.
Medien wie die „New York Times“ verbreiteten die Geschichte, und schon bald berichteten weitere Menschen von ähnlichen Symptomen nach dem Besuch asiatischer Restaurants. Pabst: „Dass diese Probleme tatsächlich nur auf Glutamat oder Glutaminsäure zurückgeführt werden können, wurde aber nie wissenschaftlich bestätigt. Es gibt zwar Hinweise darauf, dass sehr hohe Mengen an Glutamat solche Beschwerden verursachen können – diese Mengen sind aber mit normalem Essen praktisch nicht zu erreichen.“
Rassismus schürt Angst vor Glutamat und chinesischen Restaurants
Dass es sich beim „China-Restaurant-Syndrom“ also nicht um eine real existierende Krankheit, sondern vielmehr um einen antiasiatischen, rassistischen und beleidigenden Begriff ohne wissenschaftliche Basis handelt, bestätigt auch der Historiker Richard Hemmer im Podcast „Geschichten aus der Geschichte“. Denn Glutamat wurde in den USA schon seit den 40er-Jahren als Geschmacksverstärker verwendet. Doch erst nach der Etablierung des Begriffs „China-Restaurant-Syndrom“ und der Verbindung zu chinesischen Restaurants begann sich der schlechte Ruf von Glutamat zu verfestigen. Man habe die chinesische Kultur damals in den USA sehr misstrauisch beäugt, so Hemmer. Sie galt als unsauber, Drogenmissbrauch und seltsame Sexualpraktiken wurden ihr nachgesagt.
Nebenwirkung von Glutamat? Das steckt dahinter
Gibt es noch andere Erklärungen für die beschriebenen Beschwerden des „China-Restaurant-Syndroms“? „Neben klassischen Allergien oder Unverträglichkeiten können auch eine hohe Salzmenge, scharfe Gewürze, viel Fett oder eine hohe Histaminzufuhr solche Beschwerden verursachen. Auch der übermäßige Genuss, also das klassische ‚Überessen‘, wie es in ,All you can eat‘-Restaurants und bei Buffet-Essen häufig vorkommt, kann dafür verantwortlich sein“, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Ursula Pabst.
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Glutamat: Welche Mengen unbedenklich sind
Pauschale Empfehlungen für unbedenkliche Verzehrmengen zu geben, sei schwierig, so die Expertin: „Man muss immer das Gesamtbild betrachten. Man kann keine isolierten Grenzwerte für einzelne Stoffe angeben, zumal man selten genau weiß, wie viel Glutamat in Speisen verwendet wurde. Wer einmal am Tag zu einem Fertiggericht greift oder im Restaurant isst, ansonsten auf frische Lebensmittel achtet und nicht alles mit Maggi und Vegeta würzt, sollte keine Probleme mit einer überhöhten Glutamat-Zufuhr haben. Frisch kochen zahlt sich gesundheitlich immer aus.“
Grundsätzlich sieht die Expertin die Verwendung von Glutamat gelassen: „Es sollte keine Panikmache betrieben werden. Glutamat ist ein zugelassener Zusatzstoff und hat laut den Studien, die der Zulassung zugrunde liegen, für die meisten Menschen keine gesundheitsschädlichen Auswirkungen – solange er nicht im Übermaß verwendet wird.“
Eine Empfehlung für den Einsatz in der heimischen Küche würde sie dennoch nicht aussprechen: „Es gibt bessere Möglichkeiten, schmackhaftes Essen zuzubereiten. Ich empfehle, mit Gewürzen, natürlich gebrauter Sojasauce, getrockneten Pilzen und Tomaten oder Parmesan zu experimentieren, um mehr Geschmack ins Essen zu bringen. Wer die Kunst des Würzens beherrscht, braucht kein Glutamat.“