Berlin. Vegane Fleischalternativen sind in immer mehr Kühlschränken. Ein Mediziner hat untersucht, ob die Produkte überhaupt gut für uns sind.
Veggie-Salami auf der Pizza, vegane Burger beim Grillabend – deutsche Verbraucher greifen immer häufiger zu Fleischalternativen. Wie der repräsentative „Ernährungsreport 2023“ zeigt, nutzt inzwischen jeder Zehnte täglich solche Produkte. Zum Vergleich: Drei Jahre zuvor waren es nur fünf Prozent.
Besonders häufig im Einkaufswagen landen Produkte der Rügenwalder Mühle. Das Unternehmen gilt als Pionier in der Herstellung von Fleischersatzprodukten in Deutschland. Mittlerweile ist das Unternehmen auch der deutschlandweit bekannteste Hersteller.
Ernährungsmediziner sicher: „Mit Lebensmitteln hat das nichts zu tun“
Während die pflanzlich basierten Cordon bleus, Frikadellen oder der Schinkenspicker ihren tierischen Pendants geschmacklich oft verblüffend nahekommen, zeigt ein Blick auf Herstellungswege und Inhaltsstoffe jedoch deutliche Unterschiede. Ernährungsmediziner Matthias Riedl hat eine klare Meinung zu Fleischersatzprodukten: „Das ist reine Retortenchemie. Das hat mit Lebensmitteln nichts zu tun.“ In den Produkten seien zwar Bestandteile von Lebensmitteln enthalten, wie Erbsen oder Lupinen. Diese durchlaufen jedoch aufwendige Verarbeitungsprozesse, werden so zu hoch verarbeiteten Lebensmitteln.
Die Studienlage dazu ist laut Riedl eindeutig: „Viele hoch verarbeitete Lebensmittel der Nova-Klasse 4 erhöhen nachweislich die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit und auch die Krebswahrscheinlichkeit.“
Die Rügenwalder Mühle sei zwar offen für Kritik an ihren Produkten, doch das reiche aus Sicht des Experten nicht aus: „Sie verzichten auf Palmfett, verwenden Rapsöl, das ist löblich. Aber wenn ich mir die Salz- und Fettgehalte dieser Produkte anschaue, die künstlichen Aromen, haben wir ein Problem. Es fehlen Vitamine, es fehlen sekundäre Pflanzenstoffe, die zum Beispiel in Gemüse enthalten sind.”
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Rügenwalder Mühle: „Unsere Produkte sind nicht ungesund“
Patrick Bühr, Head of Research and Development bei der Rügenwalder Mühle, nimmt dazu Stellung: „Natürlich lassen sich vegane oder vegetarische Fleischalternativen nicht mit Gemüse vergleichen – genauso wenig wie man ein Fleischprodukt damit vergleichen kann. Vergleichen wir aber unsere Alternativen mit Fleischprodukten, haben all unsere pflanzlichen Produkte sogar weniger Fett, weniger Salz und weniger gesättigte Fettsäuren. Dafür enthalten sie deutlich mehr Ballaststoffe als die tierischen Pendants. Im direkten Vergleich mit Fleischprodukten sehen wir, dass es sich um keine ungesunden Produkte handelt.“
Belegt werde dies etwa durch eine aktuelle Studie aus dem „Lancet Regional Health“-Journal. Darin wurden in einer Langzeitstudie über 18 Jahre die Einflüsse verschiedener hoch verarbeiteter Lebensmittel und deren Auswirkungen auf Krankheiten wie Diabetes, koronare Herzkrankheiten und Krebs untersucht. Für vegane Fleischersatzprodukte konnte kein Zusammenhang festgestellt werden.
Riedl ist von der Aussagekraft der Studie aber nicht überzeugt: „Die von Rügenwalder genannte Studie zeigt lediglich kurzfristige Auswirkungen solcher Lebensmittel auf Diabetes und Co. im Vergleich zum Fleischkonsum. Es werden auch keine Aussagen zu beigefügten Chemikalien getroffen. Insofern greift die Argumentation von Rügenwalder nicht. Das Grundproblem ist, dass die Wirkungen dieser Chemikalien von der Dosis, der Wirkdauer und der Empfindlichkeit der jeweiligen Person abhängig sind.“
Beim Einkauf: Blick auf die Zutatenliste hilft
Was bei der Betrachtung der Fülle verschiedener Fleischersatzprodukte klar wird: Es handelt sich nicht um eine einheitliche Lebensmittelgruppe. Die Zutatenlisten variieren von Produkt zu Produkt stark. Das macht einen Vergleich vor allem für Laien schwierig.
Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) erklärt: „Wie gesund oder ungesund ein einzelnes Produkt ist, kann man anhand der enthaltenen Zutaten überprüfen.“ Vermeiden sollte man Produkte mit vielen Konservierungsstoffen, künstlichen Zusatzstoffen oder Aromen. Je kürzer die Zutatenliste, desto besser. Im Rahmen einer vollwertigen Ernährung müsse man durch das gelegentliche Verspeisen von Fleischersatzprodukten keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit befürchten, meint die Expertin.
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Gesunde Ernährung: Die Deutschen essen zu viele hoch verarbeitete Lebensmittel
Das gilt genauso für tierische hoch verarbeitete Produkte. Auch sie können ab und zu einen vollwertigen Speiseplan ergänzen, aber nicht ersetzen. „Das Problem ist: Die Deutschen ernähren sich bereits zur Hälfte von hoch verarbeiteten Produkten. Das ist keine vollwertige Ernährung. Wenn dann noch weitere verarbeitete Produkte in Form von etwa Fleischersatzprodukten dazukommen, fördert das Zivilisationskrankheiten”, erklärt Riedl.
Natürlich sei auch eine klassische Salami aus Fleisch per se kein besonders gesundes Lebensmittel. „Wenn wir uns aber viele Fleischersatzprodukte ansehen – das ist reine Chemie, kaum Protein, dafür viel Fett und Kohlenhydrate. Da kann man auch Chips essen.“
Unternehmen forscht an natürlicheren Produkten
Rügenwalder Mühle ist die Problematik bewusst: „Wir arbeiten kontinuierlich daran, unsere Produkte so natürlich wie möglich herzustellen. Auch für die Verwendung von Zusatzstoffen in unseren Produkten gilt für uns der Grundsatz ,So viel wie nötig und so wenig wie möglich.‘ Kurze Zutatenlisten sind für jeden Entwickler bei der Mühle das Ziel. Wir verzichten grundsätzlich auf Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker“, so Patrick Bühr.
Generell sei die Intention des Unternehmens auch nicht gewesen, mit Fleischersatzprodukten den Verzehr von gesunden und unverarbeiteten Lebensmitteln zu ersetzen: „Wir wollten für all diejenigen, die keine oder weniger tierische Lebensmittel essen möchten, eine Alternative schaffen.“ Das ist dem Unternehmen gelungen: Rügenwalder macht seit 2022 mehr Umsatz mit veganen und vegetarischen Produkten als mit Fleisch und Wurst.