50 000 Profis arbeiten in Hamburg in 8000 Firmen. Der IT-Mittelstand hat sich in der Stadt etabliert. Die Firmen entwickeln Speziallösungen. Dafür suchen sie Experten.
"Ich kenne kein Unternehmen in unserer Fachgruppe, das Arbeitsplätze abbaut", sagt Achim Quinke. Er ist Leiter des Netzwerks gamecity:Hamburg, einem Projekt unter dem Dach der Initiative Hamburg@work. Als eine Art Interessenvertretung steht gamecity:Hamburg für 180 Unternehmen und 1500 Beschäftigte der Games-Branche in Hamburg. Diese prosperiert offensichtlich trotz Krise. An der Schnittstelle von IT und Kreativbranche erweist sich die Spieleentwicklung als echter Jobmotor. Seit 2004 kommen jedes Jahr 15 Prozent neue Arbeitsplätze hinzu. Quinke rechnet damit, dass sich der Trend auch in diesem Jahr fortsetzt.
Geht die Krise an der IT-Branche spurlos vorüber? Sicher nicht. Die CeBIT als wichtigste Messe und Stimmungsindikator verzeichnet 25 Prozent weniger Aussteller. 20 Prozent der Fläche sind nicht belegt. Maurice Shahd vom Branchenverband Bitkom zeichnet zwar auch ein gemischtes Bild, bleibt aber für die Beschäftigungssituation optimistisch: "In der Telekommunikation und bei der Hardware verlieren wir Jobs, bei Software und Services werden welche geschaffen." Für die Gesamtbranche rechnet Shahd mit einer ausgeglichenen Jobbilanz für das angebrochene Jahr. Das gilt auch für Hamburg. Mit 50 000 IT-Profis in mehr als 8000 Betrieben gehört die Stadt zu den wichtigen Standorten der Branche in Deutschland. Während München mit den Deutschlandzentralen großer US-Unternehmen wie Microsoft, Oracle, Apple und Adobe glänzt, reüssiert die Branche hier eher hinter den Kulissen. Thematisch docken die vielen Mittelständler oft bei den traditionell starken Wirtschaftszweigen wie Logistik, Verlagswesen und Kreativwirtschaft an. Im Vordergrund stehen hoch spezialisierte Lösungen. Und dort werden nach wie vor Fachleute gesucht.
Ein Beispiel ist Harald Neidhardt. Mit seiner Firma Smaato bringt er Werbung ins mobile Internet. Er sucht Produktmanager, Entwickler und Vertriebsmitarbeiter. Ähnlich sieht es bei Nord Events aus. Die Veranstaltungsprofis organisieren mit mehr als 200 Mitarbeitern etwa 3000 Events pro Jahr in Norddeutschland. Geschäftsführer Hans-Christoph Klaiber würde lieber heute als morgen Softwareentwickler und Systemadministratoren für die Onlinevermarktung an Bord nehmen.
"Überall da, wo IT eine wichtige Rolle in der Wertschöpfungskette spielt, sehen wir auch im Moment kaum Arbeitsplatzverluste", sagt Uwe Jens Neumann. Als ehemaliger IBM-Manager und Chef der Brancheninitiative Hamburg@work kennt er die Situation wie kein zweiter.
Diese Einschätzung wirft auch ein Schlaglicht auf die Entwicklung des Berufsbildes. Galt vor Jahren noch der introvertierte und wenig kommunikative Spezialist als typisch, hat sich das Bild grundlegend gewandelt. Betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, interkulturelle Kompetenz sowie Methodenkenntnis und Projektmanagement gehören heute zu den essenziellen Zusatzqualifikationen.
Auch bei Thomas Mührke, Leiter des Adobe-Entwicklungslabors in Hamburg mit 120 Softwareentwicklern, steht die Teamfähigkeit eines Bewerbers hoch im Kurs. Neue Mitarbeiter sind willkommen: "Wir sind immer auf der Suche nach außerordentlichen Talenten", sagt er. "Kooperationen mit Hochschulen und Universitäten helfen uns, sie zu finden."
Absolventen aus Deutschland profitieren vom guten Ruf ihrer Ausbildung und den oft schon während des Studiums erworbenen praktischen Erfahrungen. Deutsche IT-Profis gelten international als leicht integrierbar, kritisch nachfragend und systematisch denkend. "Auf der anderen Seite hindert uns unsere gründliche Ingenieur-Kultur am schnellen ersten Wurf. Da gelten wir dann nicht als besonders risikofreudig", reflektiert Thomas Mührke mit einem Augenzwinkern die deutsche Rolle im globalen Ensemble des amerikanischen Weltmarktführers.
Doch neben gefragten Spitzenkräften gibt es auch den arbeitslosen IT-Fachmann über 50. Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel gleichzeitig vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung - dieses Horrorszenario treibt viele deutsche Arbeitsmarktexperten um. Die IT-Branche ist besonders anfällig. Denn nirgends sind die Innovationszyklen so kurz, der technologische Wandel so rapide. Lebenslanges Lernen ist die einzige realistische Lösung. Der Branchenverband Bitkom will in einer gemeinsamen Initiative mit der IG Metall das Problem in den Griff bekommen. "IT 50plus" heißt der Ansatz (s. Kasten).
Die IT-Branche vermittelt auch im Krisenjahr 2009 insbesondere in Hamburg einen robusten Gesamteindruck. Die etwa 50 000 Fachkräfte sind aus wirtschaftlicher Sicht einer der wichtigsten Standortfaktoren der Stadt. Leistungsfähige IT-Lösungen bringen Wettbewerbsvorteile in jedem Wirtschaftszweig und sichern so Arbeitsplätze. Leider wird Hamburg seine Rolle als wichtigster IT-Standort Norddeutschlands auf der diesjährigen CeBIT nicht ausfüllen. Nach großen Erfolgen in den letzten Jahren wird es keinen Gemeinschaftsstand geben. Das bedauern insbesondere viele kleine Unternehmen. Die zahlreichen Veranstaltungen wie der letztjährige "Recruiting Day" galten als voller Erfolg. Halfen sie doch, Talente anzuziehen und ganz praktisch an Hamburger Unternehmen zu binden. Nachdem die politische Zuständigkeit für die IT-Branche im letzten Jahr von der Wirtschaftsbehörde zur Kulturbehörde wanderte, fehlte letztlich der städtische Zuschuss für den Messestand.
Studenten und Absolventen fahren kostenlos zur CeBIT Vom 3. bis 8. März öffnet die CeBIT in Hannover ihre Pforten. Steria Mummert Consulting biete Studenten und Absolventen der Wirtschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften, der Informatik und Mathematik einen Job-Shuttle an. Für die kostenlose Tour am 7. März kann man sich bis 2. März online anmelden. www.people.steria-mummert.de