Hamburg. Importhandel droht Desaster: Frachter der insolventen Hanjin darf Hamburg nicht anlaufen. Kaufleute fürchten um ihre Produkte.

Zwei Wochen nach Beantragung der Insolvenz durch die südkoreanische Reederei Hanjin Shipping treten in Hamburg erste Versorgungsprobleme auf. Einzelhändler warten auf Lebensmittel und Haushalts­waren. In einem Fall ist sogar ein Straßenbauprojekt von dem verzögerten Nachschub betroffen.

Weltweit haben viele der 142 Schiffe der Reederei den Betrieb eingestellt. Einige liegen in Häfen fest, weil sie keinen neuen Treibstoff bunkern können oder nicht mehr in der Lage sind, die Lotsen und Schlepper zu bezahlen. Andere wurden auf offener See gestoppt, weil ihr Zielhafen einen Anlauf verboten hat.

„Vessel not under command“, „Schiff ohne Befehl“ lautet beispielsweise der aktuelle Status der „Hanjin Harmony“. Der 366 Meter lange Containerfrachter dümpelt gerade mit 0,3 Knoten Geschwindigkeit im Golf von Biskaya. Bis vor Kurzem hatte die „Hanjin Harmony“ noch einen Befehl. Sie sollte Tausende Container aus Fernost nach Hamburg bringen. Doch nachdem hier bereits ein weiteres Hanjin-Schiff festliegt und zunächst unklar war, ob die „Hanjin Harmony“ das notwendige Geld für Schlepp- und Lotskosten sowie die Hafengebühren aufbringen kann, hatte die Hamburg Port Authority den Anlauf des Hamburger Hafens zunächst untersagt.

Außenhändler Wolf-Jürgen Wünsche wartet auf 55 Container mit Waren im Wert von 2,6 Millionen Euro, die an Bord der „Hanjin Harmony“ sind
Außenhändler Wolf-Jürgen Wünsche wartet auf 55 Container mit Waren im Wert von 2,6 Millionen Euro, die an Bord der „Hanjin Harmony“ sind © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig

„Dem gesamten Hamburger Importhandel droht hier ein Desaster“, sagt Wolf-Jürgen Wünsche, Seniorchef der Wünsche-Gruppe, einem bekannten Hamburger Außenhändler. Wünsche wartet auf 55 Container mit Waren im Wert von mehr als 2,9 Millionen Dollar (umgerechnet 2,6 Millionen Euro), die an Bord der „Hanjin Harmony“ sind. „Das ist Saisonware. Kommt diese nicht rechtzeitig nach Hamburg, können wir sie wegschmeißen“, so Wünsche. „Dann fällt das Weihnachtsgeschäft aus.“ Wünsche hat beispielsweise etliche Container mit Weihnachtskalendern geordert, die bereits in den kommenden Wochen an den Einzelhandel ausgeliefert werden müssen. Hinzu kommen Weihnachtsbeleuchtung, Mode, Wasserkocher, Toaster und weitere Haushaltsgeräte, die eigentlich längst die Lager fürs Weihnachtsgeschäft auffüllen sollen.

Es geht um Lebensmittel, die in absoluter Frische abzuliefern sind

Noch mehr drängt die Zeit bei anderen Händlern, von denen Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin des Waren-Vereins der Hamburger Börse, berichtet: Da geht es um Lebensmittel, die termingerecht und in absoluter Frische abzuliefern sind. „Wenn man jetzt hört, dass die Besatzungen auf den festsitzenden Schiffen die Klimaanlage abschalten, um Energie zu sparen, kann man sich vorstellen, was das für die Kühlkette bedeutet“, sagt Melnikov. Kommen die Waren nicht rechtzeitig und in der versprochenen Qualität an, könne es passieren, dass der Einzelhandel sich inzwischen anderweitig eindeckt und die Abnahme der Bestellung verweigert. „Zusätzlich droht den Importeuren dann auch noch eine Schadenersatzklage, weil sie vertragsbrüchig geworden sind“, so Melnikov.

In einigen Fällen springen Versicherungen ein, aber nicht in allen. „Jeder Händler sollte sich genau bei seiner Versicherung informieren“, sagt Hans-Fabian Kruse, Präsident des AGA-Unternehmensverbands.

Trotz intensiver Verhandlungen mit koreanischen Vertretern, erklärte die für die Aufsicht zuständige Hafenbehörde HPA auch am Donnerstag, dass die „Hanjin Harmony“ Hamburg vorerst nicht anlaufen dürfe. Und selbst, wenn sich daran etwas in den kommenden Tagen ändern sollte, ist Wolf-Jürgen Wünsche seine Sorgen nicht los: Denn da gibt es ja noch die „Hanjin Africa“, die vor dem Suezkanal liegt, und auf der der Importeur 28 Container mit Waren im Wert von 1,7 Millionen Dollar stehen hat – sowie die „Harmony Gold“, die noch in Singapur liegt. Hier wartet Wünsche auf 48 Container mit Waren im Wert von 1,9 Millionen Dollar.

Hamburger Landesbetrieb wartet auf Baumaterialien

Und auch der Hamburger Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer wartet dringend auf eine Ladung von Granitblöcken, um eine Kreuzung fertigzustellen: „Ein Auftragnehmer des LSBG wartet auf Baumaterialien, die auf einem Hanjin-Schiff vor Rotterdam liegen“ sagte der Sprecher der Verkehrsbehörde, Richard Lemloh.

Angesichts der Ausmaße fällt das Fazit von Wolf-Jürgen Wünsche entsprechend nüchtern aus: „Diese Schiffs-Pleite wird uns noch lange beschäftigen“, sagt er.

Zumindest ein Problem wird der Hamburger Hafen in Kürze los: Wie berichtet, darf das Containerschiff „Hanjin Europe“ Hamburg wieder verlassen. Es wird am Freitagnachmittag auslaufen. Wohin, ist nicht bekannt.