Hamburg. Hamburger Unternehmen Melosch muss Terminalbetreiber hohen Betrag bezahlen, um 17 Altpapier-Container wiederzubekommen.
Auftrag ausgeführt. Als vor zwei Wochen 17 Container mit Altpapier nach Asien den Hof der Melosch Export GmbH in Altona verließen, betrachtete Geschäftsführer Andreas Otto die Order als erledigt. Es sah aus wie ein ganz gewöhnliches Geschäft: Etwa 24.000 Standardcontainer mit Altpapier liefert Melosch jährlich als Rohstoff der Papierindustrie nach Asien. Die Fracht wird im Hamburger Hafen verladen und in China, Korea, Malaysia und Indonesien zu Herstellung von Kartons oder neuen Papierbögen verwandt. Doch dieser Auftrag war alles andere als erledigt, und das sollte Geschäftsführer Otto noch am selben Tag erfahren.
Opfer der plötzlichen Pleite
Die Melosch GmbH ist nämlich eines von Tausenden Unternehmen, die Opfer der plötzlichen Pleite der südkoreanischen Reederei Hanjin Shipping geworden sind. „Dieses Geschäft mit den 17 Containern Altpapier hat uns Mehrkosten von rund 30.000 Euro beschert“, sagt Geschäftsführer Otto und gibt vor allem dem Containerterminal Eurogate die Schuld daran.
Kaum waren die Container nämlich bei dem Terminal zur Verladung an die Reederei Hanjin abgeliefert worden, kam der Insolvenzantrag, und aus dem ganz normalen Geschäft wurde ein teures Verwirrspiel.
Normalerweise hat auch auf See alles seine Ordnung, und so hängt an jedem Container ein bestimmter Transportauftrag, mit einem bestimmten Schiff, zu einer bestimmten Zeit. Schnell war klar: Hanjin ist zahlungsunfähig und fährt nicht mehr. Die Container mit dem Altpapier wurden also nicht verladen. „Wir versuchten natürlich sofort, die Ladung mit einem anderen Anbieter nach Asien zu schaffen“, sagt Otto. Doch dazu musste Melosch erst einmal die bereits deklarierten Container zurückbekommen.
Schuldanerkenntnis unterschrieben
Hanjin sollte dazu eine Freistellung erteilen. Die kostete 150 Euro. Dann war Eurogate nicht bereit, die Exportboxen einfach so wieder herauszurücken: Der Terminalbetreiber wollte auch auf seine Kosten kommen. Zur Rückgabe der Container musste Melosch ein Schuldanerkenntnis unterschreiben. Damit sollte der Altpapierhändler alle Kosten für die 17 Container am Terminal übernehmen, die eigentlich Hanjin zu tragen hätte. Nach acht Tagen Lagerung beliefen sich diese Kosten auf rund 21.000 Euro.
Hinzu kam, dass Eurogate für die Container ein Deposit, also ein Pfand, in Höhe von knapp 58.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer verlangte. Das Pfandgeld soll Melosch aber nach der Rückgabe der Container zurückerhalten. „Insgesamt belief sich die Eurogate-Rechnung mit Gebühren auf 99.581 Euro. Die Überweisungsbestätigung mussten die Lkw-Fahrer bei der Abholung der Container bei Eurogate vorlegen“, sagt Melosch-Geschäftsführer Otto.
Er ist wütend: „Wir haben mit Eurogate keinerlei Vertragsbeziehung, sondern mit Hanjin. Und jetzt müssen wir dieses Schuldanerkenntnis unterzeichnen und eine irrsinnige Summe zahlen, nur um an unsere Ware zu kommen. Das ist Nötigung“, sagt Otto. Er prüft jetzt rechtliche Schritte.
Zumal das „ganz normale Geschäft“ inzwischen aus dem Ruder läuft. Noch mal der Ablauf: Melosch hat erst leere Container bei Eurogate abgeholt und bepackt. Dann wieder dorthin geliefert. Weil sie nicht verladen wurden, hat das Unternehmen nach Zahlung des Geldes die Stahlboxen wieder abgeholt und zusätzlich andere geordert. Dann wurde die Ware in die neuen Container umgepackt und wieder zum Hafen gefahren, wo sie dann mit einer anderen Reederei abtransportiert wurden. „Das kann doch alles nicht sein“, sagt Otto.
„Kann es doch“, meint Thomas Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Vereins Hamburger Spediteure. „Wir haben in der ersten Woche 100 Anrufe von Mitgliedern gehabt, die sich darüber beschwerten, dass Eurogate seine Hanjin-Container nur gegen extrem hohe Bargeldzahlungen herausrückt. Inzwischen hat der Terminalbetreiber reagiert und verlangt kein Deposit mehr“, sagt Schröder.
Lagerkosten zweimal bezahlen
Das ändere aber nichts daran, dass die Spediteure Lager- und Verladungskosten zweimal bezahlen mussten: „Einmal im Voraus an Hanjin – das Geld ist durch die Insolvenz weg – und einmal an den Terminalbetreiber“, sagt Schröder. Das gelte weltweit. Allein für die Hamburger Spediteure seien somit Zusatzkosten im zweistelligen Millionenbereich entstanden.
Auch der Außenhandelsverband AGA beklagt Störungen: „Für die betroffenen Firmen ist die Insolvenz ärgerlich und mit zusätzlichem Aufwand verbunden“, sagt AGA-Präsident Hans Fabian Kruse. „Konkret bedeutet das, dass sich Container zwischen einer und fünf Wochen verzögern können und zusätzliche Kosten anfallen.“
Bei Eurogate kann man den Ärger verstehen: „Wir haben Verständnis für den Unmut der Kunden. Nicht nur sie, auch Eurogate ist als Dienstleister der Reederei von deren Zahlungsunfähigkeit betroffen“, sagte eine Sprecherin. Den Vorwurf der Nötigung weist sie aber zurück: „Unsere Vorgehensweise ist gesetzlich geregelt und somit legitim. Wir berufen uns auf das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht des Handelsgesetzbuches.“ Übermäßige Preise würden auch nicht eingefordert: „Es werden den Kunden ganz sicher nur die Leistungen in Rechnung gestellt, die von Eurogate erbracht worden sind“, so die Unternehmenssprecherin.
Unterdessen wurde bekannt, dass die „Hanjin Europa“, die seit zwei Wochen im Hamburger Hafen festliegt, am Freitag wieder ausfahren darf – Ladung wird sie wohl kaum haben.