Hamburg. Bei Blohm+Voss wurde die „Europa 2“ komplett überholt. Für die Traditionswerft sind solche Aufträge mehr als ein Nebengeschäft.
Michael Rauhe (Fotos)
Die Eistruhe ist wohl das kleinste Problem an Bord. In einem der Restaurants auf der „Europa 2“ wurde sie dieser Tage neu installiert. Für die Darbietung der bordeigenen Kreationen in Form schön geschwungener Speiseeisberge benötigt man ein Aggregat mit Umluftkühlung, wie sich auf den zurückliegenden Reisen zeigte. Auch die „Sansibar“ ein Deck darunter wurde komplett neu gestaltet, und im Gang vor der Bar hängt nun ein sieben Meter breites Panoramafoto des berühmten Sylter Dünenrestaurants. Gastronom Herbert Seckler, dessen Original-Sansibar für den Namen und die Innenausstattung Modell stand, kam zur Begutachtung persönlich auf das Schiff. „Er war begeistert“, sagt Julian Pfitzner, 38, Produktmanager für die „Europa 2“ der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten.
Die „Europa 2“ ist das luxuriöseste Kreuzfahrtschiff der Welt
Fast auf die Stunde genau zwei Wochen lang liegt die „Europa 2“ zur Rundumüberholung bei Blohm+Voss. Rund 4500 Quadratmeter Teppich und etliche Möbel werden in dieser Zeit ausgetauscht, der weiße Außenanstrich ebenso erneuert wie der rote Schutz des Unterwasserschiffes. Die dieselelektrischen Antriebe des Schiffes werden inspiziert und die Schiffsklasse erneuert – nur zwei Jahre nach der Indienststellung der „Europa 2“, obwohl das Schiff nur alle fünf Jahre zum „Schiffs-TÜV“ müsste. „Die ‚Europa 2’ ist das beste Schiff der Welt“, sagt Pfitzner über den Kreuzfahrer, der 226 Meter lang ist, maximal rund 500 Passagiere beherbergt und der fünf Sterne trägt. „Wir machen das nicht nur, um das Schiff technisch auf dem neuesten Stand zu halten, sondern auch, um in kurzen Abständen Innovationen einzubauen.“ So wurden Zimmer der Familienappartements mit kindertauglicheren Möbeln nachgerüstet.
Alles in allem ist das eine sehr hamburgische Veranstaltung, das wissen auch die Geschäftspartner. Zwar gehört Hapag-Lloyd Kreuzfahrten zum Touristikkonzern TUI in Hannover, aber der legendäre Hapag-Chef Albert Ballin hat die Kreuzfahrt am Ende des 19. Jahrhunderts erfunden. Seit jener Zeit werden Schiffe der Hapag und später von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten bei Hamburgs heutzutage letzter Großwerft überholt. „Für beide Seiten ist das prestigeträchtig“, sagt Jan Kees Pilaar, 57, Chef der Reparatursparte bei Blohm+Voss. „Die Reederei kann sich auf unsere Präzision und Pünktlichkeit verlassen. Und wir zeigen, dass wir auch das luxuriöseste Kreuzfahrtschiff der Welt exakt so fertig stellen, wie es unser Kunde erwartet.“
Die Wartung und Reparatur von Kreuzfahrtschiffen boomt bei Blohm+Voss. Das liegt einerseits daran, dass sich Hamburg innerhalb weniger Jahre zum wichtigsten deutschen Kreuzfahrthafen entwickelt hat. Als die „Queen Mary 2“ Ende 2005 zum ersten Mal bei Blohm+Voss eindockte, standen Zehntausend Menschen an den Landungsbrücken und verfolgten das Spektakel. Damals begann in der Hansestadt der Aufschwung der Vergnügungsreisen per Schiff, der bis heute anhält. Rund 600.000 Passagiere bei 189 Schiffsanläufen kamen 2014 nach Hamburg. Im Sommer eröffnet auf Steinwerder das dritte Hamburger Kreuzfahrtterminal. Blohm+Voss wiederum sicherte sich im vergangenen Jahr einen Rahmenvertrag mit dem weltgrößten Kreuzfahrtkonzern Carnival Corporation, zu dem unter anderem die „Queen Mary 2“-Reederei Cunard Line gehört, Deutschlands größte Kreuzfahrtreederei Aida Cruises oder auch das italienische Unternehmen Costa Crociere. Hinzu kommen Aufträge von Reedereien wie Hapag-Lloyd Kreuzfahrten. „Durchschnittlich docken wir acht bis zehn Kreuzfahrtschiffe im Jahr ein, dieses Jahr dürften es einige mehr werden“, sagt Pilaar. „Die ,AIDAdiva’, die wir bis Anfang Mai überholen, ist in diesem Jahr bereits das sechste Kreuzfahrtschiff.“
Die Erneuerung eines Kreuzfahrtschiffes ist vor allem eine logistische Meisterleistung. Rund ein halbes Jahr wird der Termin im Dock vorbereitet, sagt Pilaar.
Die Werft wirkt dabei als Generalunternehmer, der nicht nur seine eigenen Mitarbeiter punktgenau einsetzen, sondern auch etliche Subunternehmer koordinieren muss – vom Gerüstbauer über die Innenausstatter bis zum Sicherheitspersonal. Obendrein kommuniziert die Werft ständig mit der Reederei. Insgesamt bis zu 3000 Arbeiter waren im April bei Blohm+Voss an drei Kreuzfahrtschiffen parallel beschäftigt. Rund 800 Menschen bewegen sich zeitgleich auf der „Europa 2“, darunter rund 350 Crewmitglieder, fast die komplette Besatzung des Schiffes inklusive des Kapitäns und der Offiziere. Alle Gänge, Wände, Türrahmen sind abgedeckt, verpackt, verklebt, damit die Inneneinrichtung nicht beschädigt wird. Einige Gewerke arbeiten im Dreischichtbetrieb rund um die Uhr. An der Sicherheitsschleuse am Bordeingang herrscht ein reges Kommen und Gehen. Die Planung umfasst einfache Abstimmungen wie etwa die, wo zuerst gestrichen und dann Teppich verlegt werden soll bis hin zu der Frage, wie große Bau- oder Ersatzteile mit Hilfe der Werftkräne überhaupt ins Schiff kommen.
Blohm+Voss geizt mit Zahlen zu Umsatz und Gewinn. Seit 2012 gehört die Werft zum britischen Finanzinvestor Star Capital Partners. Offenkundig ist aber, dass es nicht so rund läuft wie erhofft. Im Februar musste der langjährige und in der Branche hoch angesehene Blohm+Voss-Chef Herbert Aly gehen. Vermutlich auch deshalb, weil es ihm längere Zeit nicht gelungen war, einen Neubauauftrag für eine Großyacht zu akquirieren. Den Neubau von vier Fregatten des Typs F125 für die Deutsche Marine erledigt Blohm+Voss noch bis 2020 im Auftrag eines Konsortiums, das aus ThyssenKrupp besteht – dem früheren Eigner der Werft – und der Bremer Werftengruppe Lürssen. Danach steigt Blohm+Voss aus dem Marineschiffbau aus. Beim Umbau von Schiffen für die Offshore-Ölwirtschaft mangelt es derzeit an Aufträgen, weil der Ölpreis seit dem vergangenen Jahr stark gefallen ist.
2016 könnte die „Queen Mary 2“ wieder zu Blohm+Voss kommen
Kreuzfahrtschiffe und Luxusyachten halten den Reparaturbetrieb in Schwung. Von den insgesamt rund 1100 Blohm+Voss-Mitarbeitern gehören 420 zur Sparte Umbau und Reparatur. Der Wettbewerb im Reparaturgeschäft ist ebenso hart wie beim Neubau von Schiffen. Zwar hat Blohm+Voss im Kreuzfahrthafen Hamburg einen Standortvorteil und zudem einen ausgezeichneten Ruf bei den Reedereien. Die Schifffahrtsunternehmen aber kalkulieren hart. „Wir bereiten jetzt schon einen möglichen Werftaufenthalt für die ,Queen Mary 2’ im Jahr 2016 vor, müssen uns aber – trotz des Rahmenvertrages mit der Carnival Corporation – in einer regulären Ausschreibung darum bewerben“, sagt Pilaar.
Die Überholung der „Europa 2“ ist auch deshalb eine hervorragende Referenz. Auf dem Schiff kann man wählen: von 5000 Euro in der Woche für ein 28 Quadratmeter großes Appartement plus Balkon bis zur 99 Quadratmeter großen Suite mit Butlerservice, Whirlpool und weißem Teppich für 15.000 bis 20.000 Euro in der Woche. Was die Überholung der „Europa 2“ kostet, verraten Pilaar und Pfitzner nicht. Nur so viel: „Der eine sagt, es sei zu teuer, der andere meint, es sei zu billig.“