Hamburg profitiert vom anhaltenden Kreuzfahrtboom: Immer mehr Unternehmen der Branche zieht es in die Hansestadt. Ein neues Steuerungszentrum soll des Geschäft mit den Luxuslinern weiter vorantreiben.
Es war eine erfreuliche Meldung. Das Kreuzfahrtunternehmen Costa Crociere (Costa, Aida) gab in dieser Woche Umstrukturierungen bekannt. Neben personellen Veränderungen gehört dazu der Aufbau eines Marine Operation Center in Hamburg für den Betrieb der Kreuzfahrtflotte von derzeit 25 Schiffen, 160 Arbeitsplätze könnten in der Hansestadt entstehen. In erster Linie handelt es sich bei der Maßnahme allerdings um eine Restrukturierung. Im Gegenzug werden bei Aida in Rostock und bei Costa in Genua Stellen gestrichen. Dennoch ist die Entscheidung für Hamburg Ausdruck dafür, welch hohe Bedeutung die Stadt im internationalen Kreuzfahrtgeschäft inzwischen hat.
Was Mitte der 90er-Jahre als Idee einer Handvoll begeisterter Seefahrer begann, hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig in der Stadt entwickelt, mit mehr als 1500 Arbeitsplätzen und einer Wertschöpfung von rund 270 Millionen Euro im Jahr. Dieser Bedeutung versucht die Hansestadt nun gerecht zu werden, indem sie das Kreuzfahrtgeschäft neu ordnet.
Am morgigen Montag bekommt Hamburg so etwas wie eine oberste Kreuzfahrtdirektorin. Sacha Rougier, gebürtige Holländerin und internationale Branchenexpertin, nimmt dann ihre Arbeit als Geschäftsführerin der Cruise Gate Hamburg (CGH) auf. Aufgabe dieser Gesellschaft ist künftig der Betrieb wie auch die Liegeplatzvergabe an allen Kreuzfahrtterminals in der Stadt. Die neue Gesellschaft wird die zentrale Anlaufstelle für alle Kreuzfahrtreedereien sein, und Rougier soll das Geschäft mit den Luxuslinern vorantreiben. Zudem hat Hamburg eine Kreuzschifffahrt-Initiative als übergeordnetes Steuerungsgremium gegründet, deren Kuratorium mit Persönlichkeiten aus der Branche sowie der Stadt am Donnerstag zum ersten Mal tagte.
Nummer eins in Deutschland: 590.000 Passagiere im Jahr 2014
Lange hat es gedauert, bis die Stadt bei den Kreuzfahrtunternehmen als Destination auf der Landkarte erschien: Dass Kreuzfahrten nicht nur unter Palmen und bei 30 Grad im Schatten starten müssen, hatte Rostock als Hauptsitz des deutschen Unternehmens Aida bereits vorgemacht. Doch Hamburgs Hafen galt als teuer und die lange Anfahrt über die Elbe als zu lang. Nicht einmal ein Dutzend Kreuzfahrtschiffe pro Jahr verirrten sich anfangs in die Hansestadt. Abgefertigt wurden sie mitten im Hafen am O’Swaldkai, zwischen Autoverladung und dem Fruchtumschlag. Taxifahrer wussten gar nicht, wo sie ihre Tagesgäste abholen sollten.
Heute verfügt die Stadt über zwei Kreuzfahrtterminals in exponierten Lagen in der Hafencity und in Altona. Ein drittes wird noch in diesem Sommer in Steinwerder seinen Betrieb aufnehmen mit zwei riesigen Hallen, welche die größten im europäischen Markt fahrenden Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 4000 Passagieren bedienen können. Während im östlichen Gebäude Gäste ankommen, können gleichzeitig über das westliche Gebäude neue Passagiere an Bord gehen. Insgesamt sollen so pro Schiffsanlauf 8000 Kreuzfahrtgäste gleichzeitig abgefertigt werden. Wenn ab 2016 die „Aida PRIMA“ wöchentlich ab Hamburg in See sticht, wird der Kreuzfahrtstandort einen weiteren Schub bekommen.
Inzwischen ist Hamburg Nummer eins in Deutschland. Denn aus den einst sporadischen Besuchen der Kreuzfahrtschiffe haben sich feste Fahrpläne entwickelt, nach denen die Schiffe kommen und gehen. 189 Mal machten die schwimmenden Unterhaltungsburgen im vergangenen Jahr in Hamburg fest. Das Passagiervolumen lag bei 590.000. Die bisherige Nummer eins, Rostock, fertigte 378.000 Passagiere ab, in Kiel waren es 354.050 Passagiere.
CGH soll für Gleichberechtigung zwischen Reedereien sorgen
Das bedarf einer professionellen Steuerung, und genau darin besteht die Aufgabe der CGH. Sie soll allen Anbietern einen diskriminierungsfreien Zugang zu den drei Anlegern in der Stadt garantieren, nachdem sich im vergangenen Jahr der eine oder andere Reeder benachteiligt gefühlt und sich darüber beim zuständigen Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) beschwert hat. Der reagierte, beauftragte die Hamburg Port Authority (HPA) mit der Abwicklung, düpierte aber die Hamburger Hafen und Logistik AG. Die HHLA war bisher für den Betrieb der Kreuzfahrtterminals zuständig.
Deren Container-Vorstand Stefan Behn gehört zu den Pionieren der Kreuzfahrt in Hamburg, seine Expertise ist unbestritten. Aber für die HHLA war der Kreuzfahrttourismus nur ein Nebengeschäft. Um daraus ein Hauptgeschäft zu machen und zudem den diskriminierungsfreien Zugang zu sichern, wurde deshalb die CGH unter dem Dach der Stadt aufgebaut. Eigentümer sind mit der HPA und dem Flughafen zwei städtische Gesellschaften.
CGH ist der neue Ansprechpartner für alle Reedereien. Cunard hat seine Deutschlandzentrale in Hamburg, ebenso TUI Cruises und Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten. Aida betreibt in der Hansestadt eine eigene Theaterbühne, auf der das Bordunterhaltungsprogramm für die ganze Flotte produziert wird. Hinzu kommen etliche Ausrüster, Zulieferer und sonstige Dienstleister, wie Fidelio Cruises, Anbieter von elektronischer Bordunterhaltung, die Gebrüder Heinemann als Ausrüster der On-Board-Shops sowie die ehemalige Gärtnerei Dauerflora, die heute weltweit führender Anbieter von Grünanlagen auf Schiffen ist.
„Hamburg ist attraktiv und lebenswert“
„Allein am Standort Hamburg sind knapp 400 Unternehmen eng mit dem Kreuzfahrtgeschäft verbunden“, sagt Nadine Palatz, Geschäftsführerin des Vereins Hamburg Cruise Center (HCC). Sie bezieht sich auf eine neue Studie, welche die Relevanz der Branche für Hamburg beleuchtet. „Kreuzfahrt ist nicht nur Hafen und nicht nur Tourismus, sondern eine Kombination daraus.“
Für Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) spielt auch das maritime Umfeld eine Rolle. „Hamburg ist nicht nur ein attraktives Ziel für Kreuzfahrtschiffe, sondern auch ein bedeutender maritimer und industrieller Standort. Die Reedereien nutzen bereits seit geraumer Zeit unser Werften-Know-how“, sagt er unter Anspielung auf seinen ehemaligen Arbeitgeber Blohm + Voss. Die Traditionswerft hat mit der Carnival Gruppe einen Vertrag unterzeichnet, wonach die Costa- und Aida-Schiffe nur noch in Hamburg gewartet werden.
Dieses enge Netzwerk einer Branche an einem Ort führt zudem dazu, dass die Unternehmen genügend Fachkräfte für den Personalaufbau vorfinden. „Der Standort Hamburg bietet uns ausgezeichneten Zugang zu Technologie und Fachwissen im maritimen Bereich“, sagte Michael Thamm, Vorstandschef der Costa-Gruppe, als er in dieser Woche die Verlagerung der Schiffssteuerungszentrale nach Hamburg bekannt gab.
Tatsächlich soll in dem Fachkräftemangel ein Hauptgrund dafür liegen, warum Costa Hamburg für den Aufbau seines Marine Operations Centers auswählte. Laut Wirtschaftssenator Horch hat die Stadt im Wettbewerb um Fachkräfte einen guten Stand. „Hamburg ist attraktiv und lebenswert“, sagte er. „Auch das ist ein wesentlicher und oft entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Ansiedlungspolitik.“