Die Europäische Zentralbank (EZB) will den rasant steigenden Preisen Einhalt gebieten. Experten rechnen mit weiteren Zinserhöhungen.
Die rasant steigenden Preise in der Euro-Zone lassen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) die Alarmsirenen schrillen. „Der Inflationsdruck bietet jetzt Grund zur Sorge“, sagte EZB-Vizepräsident Vitor Constancio am Freitag - gut eine Woche nach der ersten Zinserhöhung seit fast drei Jahren.
Experten erwarten wegen der anziehenden Inflation weitere Schritte. Die Verbraucherpreise sind im März auf Jahressicht um 2,7 Prozent in die Höhe geschnellt, wie das Statistikamt Eurostat nach endgültigen Berechnungen mitteilte. Einen kräftigeren Anstieg hatte es zuletzt im Oktober 2008 mit 3,2 Prozent gegeben. Besonders die höheren Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise heizen die Teuerung kräftig an.
Es gebe zwar keine „starken Anzeichen“ dafür, dass die gestiegenen Rohstoffkosten auch andere Verbraucherpreise nach oben trieben, sagte Constancio der Agentur MNI. Doch bestehe zumindest die Gefahr, dass es dazu komme, warnte der portugiesische Stellvertreter von EZB-Chef Jean-Claude Trichet.
In einer ersten Schätzung hatte Eurostat die Teuerung für März noch auf 2,6 Prozent veranschlagt. Obwohl die Revision relativ geringfügig anmutet, bedeutet sie für die EZB doch ein Alarmzeichen. Denn nunmehr steuert die Inflation auf die Drei-Prozentmarke zu.
Die Zentralbank sieht mittelfristig stabile Preise jedoch bei einer Jahresteuerung von nur knapp zwei Prozent gewährleistet. Sorgen bereitet auch der kräftige Anstieg der Preise gegenüber Februar, der mit 1,4 Prozent noch etwas höher als zunächst angenommen ausfiel.
Die EZB hat vorige Woche mit ihrer Zinserhöhung bereits auf die rasch anziehenden Lebenshaltungskosten reagiert, die sich in Deutschland binnen Jahresfrist um 2,3 Prozent erhöht haben. Experten erwarten ein Leitzinsniveau von 1,75 Prozent Ende 2011.
EZB-Ratsmitglied Marko Kranjec hat im Reuters-Interview bereits deutlich gemacht, dass der Inflationsdruck erst zum Jahresende nachlassen wird. Der slowenische Notenbankchef hält die derzeitige Geldpolitik für „sehr konjunkturstimulierend“, womit Spielraum für weitere Zinserhöhungen da sein dürfte.
Die Hüter des Euro wollen unbedingt vermeiden, dass der Inflationsdruck eine Lohn-Preis-Spirale auslöst. „Die aktuellen Daten zeigen, dass diese Zweitrundeneffekte nicht außer Reichweite liegen. Zwei oder gar mehr Zinsschritte sind für 2011 wohl ausgemachte Sache“, meint Ökonom Peter Vanden Houte von ING. Auch Heinrich Bayer von der Postbank sieht Handlungsbedarf: „Wir sehen ein sehr großes Risiko, dass sich die Inflation für längere Zeit über der Zwei-Prozentmarke festsetzt.“
Die Zentralbank kann bei ihrer Zinspolitik keine Rücksicht auf besondere wirtschaftliche Probleme der schuldenbeladenen Randstaaten der Euro-Zone nehmen, wie Trichet betont. Der entschlossene Kampf gegen die Teuerung ist dabei auch im ureigensten Interesse dieser Länder: In Griechenland sind die Preise mittlerweile um 4,3 Prozent höher als im Vorjahr, in Portugal um 3,9 Prozent. Den mit Abstand höchsten Inflationsdruck verspürt allerdings das jüngste Eurozonen-Mitglied Estland mit 5,1 Prozent.