Am 15. September vor einem Jahr zwang die Finanzkrise die Investmentbank Lehman Brothers in die Knie. Die weltweiten Folgen waren katastrophal.
Hamburg/New York. Der Zusammenbruch der traditionsreichen Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 markiert einen Wendepunkt. Aus einem bereits schwelenden Brand im Gebälk des internationalen Finanzsystems wurde offenes Feuer, als die US-Regierung Lehman fallen ließ, nachdem sie zuvor – und auch wieder danach – andere Geldhäuser mit Milliarden von Steuerdollars aus ähnlicher Bedrängnis herausgehauen hatte.
Die Lehman-Pleite sandte Schockwellen zunächst in die Finanzbranche und dann auch in die Weltwirtschaft. Im ersten Schock stürzten die Börsen weltweit ab, Anleger verloren Milliardenwerte. Der Dow-Jones-Index sackt schon am 15. September um 4,4 Prozent durch, der Deutsche Aktienindex DAX kommt mit einem Minus von 2,7 Prozent zunächst glimpflicher davon. Doch in den nächsten Wochen heißt die Richtung der Aktienmärkte vorwiegend abwärts. Im ersten Monat nach Lehman verliert der Dow gut 25 Prozent auf 8.577 Zähler. Der DAX gibt mehr als 21 Prozent ab und steht am 15. Oktober knapp unter 4900 Punkten.
Weitere Schreckensnachrichten verstärkten die aufkommende Panik. Der US-Versicherungsgigant AIG, viel größer und viel verflochtener als Lehman, steht vor dem Aus. Die Regierung kommt nun wieder zu Hilfe; die Notkredite steigen letztlich auf über 180 Milliarden Dollar. In Deutschland wankt die Hypo Real Estate (HRE). Der Immobilien- und Staatsfinanzierer wird von seiner in Irland ansässigen Tochter Depfa in die Tiefe gezogen.
Banken verlieren das Vertrauen
Die Banken hatten nach Einschätzung der Marktbeobachter das Vertrauen untereinander verloren. Niemand wusste, was der andere noch an „Giftpapieren“ – faulen Krediten, wertlos gewordenen „Finanzinnovationen“ – im Keller hatte. Als Folge kam der Interbankenhandel, der zur Abwicklung der täglichen Geschäfte übliche und nötige kurzfristige Geldverleih der Institute untereinander, praktisch zum Erliegen.
Spätestens ab diesem Punkt war auch die Realwirtschaft betroffen, die Autohersteller, die Maschinenbauer, die Flugzeughersteller ebenso wie kleine Gewerbetreibende. Denn die Banken wurden knausrig mit der Kreditvergabe. Großfirmen ebenso wie Mittelstand und Handwerk klagten zunehmend, dass Kredite teurer würden und die Banken höhere Sicherheiten forderten. Und die Kleinanleger und Sparer fragten sich, ob ihr Geld noch sicher ist.
Inzwischen zeigt sich die Politik auch in Europa zunehmend alarmiert. Die US-Regierung kündigt ein Bankenrettungspaket im Umfang von 700 Milliarden Dollar an. Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündet eine Staatsgarantie für alle Spareinlagen. Die EU folgt mit Garantiererklärungen für europäische Banken.
Am 8. Oktober senken die wichtigsten Notenbanken der Welt in einer konzertierten Aktion die Leitzinsen herab, das erste gemeinsame Vorgehen dieser Art seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Weitere Leitzinssenkungen sollten folgen. Dazu noch pumpen die Notenbanken weltweit Hunderte von Milliarden billiges Geld in die Märkte, um die Kreditvergabe wieder anzukurbeln. Ein schneller Erfolg bleibt freilich aus.
Teilverstaatlichungen von Geldhäusern
Wenige Tage später einigen sich die sieben führenden Industriestaaten (G-7) auf einen Fünf-Punkte-Plan gegen die Kreditklemme. Am 12. Oktober vereinbaren die 15 Staaten der Eurogruppe einen „Instrumentenkasten“ zur Rettung angeschlagener Banken. Er erlaubt unter anderem direkte Kapitalspitzen für Finanzinstitute sowie umfangreiche staatliche Bürgschaften.
Tags darauf beschließt die Bundesregierung ein Rettungspaket für die Banken im Volumen bis zu 500 Milliarden Euro, den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin). Ausgerechnet in den Mutterländern des Kapitalismus, Großbritannien und den USA, werden gut einen Monat nach der Lehman-Pleite erste Banken teilverstaatlicht. Und noch hat die Krise ihren Höhepunkt nicht erreicht.