Bei den komplizierten Regeln des Riester-Sparens verlieren die Verbraucher schnell den Überblick. Tipps zur privaten Altersvorsorge.
Hamburg. "Ihre Frau muss auch nichts dazuzahlen und bekommt dennoch alle staatlichen Zulagen." Mit einem solchen Satz des Versicherungsvertreters lassen sich Riester-Verträge für die Altersvorsorge leicht verkaufen. Denn auch Ehegatten ohne Beschäftigung haben Anspruch auf die Riester-Rente, wenn ihr Partner Arbeitnehmer oder Beamter ist. Auf diese Weise kann die Ehefrau jährlich 154 Euro Grundzulage für sich kassieren - ohne eigene Beiträge zu zahlen.
Allerdings funktioniert dies nur, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Ändert sich nur ein Kriterium, werden zu viel gezahlte staatliche Zulagen schnell zurückgebucht, wie jetzt rund 1,5 Millionen Sparer erfahren müssen. Die günstigen Konstellationen, mit denen Vertreter werben, erweisen sich somit als Falle. Insgesamt wurden von Riester-Konten durch den Bund eine halbe Milliarde Euro wegen unberechtigter Ansprüche wieder eingezogen.
Große Anbieter wie Union Investment, der Marktführer bei Fondssparplänen, bestätigen das Vorgehen. "Für 2010 hat der Bund bei uns einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag zurückgefordert", sagt Markus Temme von Union Investment. Die Zulagenstelle überweist die Fördermittel an die Anbieter, doch die Überprüfung des Anspruchs erfolgt erst viel später.
Bei den komplizierten Regeln verlieren die Verbraucher schnell den Überblick. "Riester-Sparen ist kein Vorgang, den man abschließt und dann dem Selbstlauf überlassen kann", sagt Temme. So kann sich im eingangs erwähnten Beispiel die Situation schnell ändern, wenn ein Kind geboren wird. "Dann muss die Frau den Mindestbeitrag von jährlich 60 Euro entrichten, sonst verliert sie den Anspruch auf die Förderung", sagt Theodor Pischke von der Stiftung Warentest.
Denn durch die Geburt des Kindes werde sie auch ohne Beschäftigung rentenversicherungspflichtig. Für drei Jahre zahlt der Staat für sie Beiträge in die Rentenkasse ein. "So wird die Frau von einem mittelbar zu einem unmittelbar Zulagenberechtigten, was eigene Einzahlungen erfordert", sagt Pischke. Auch ohne Kind kann sich der Status der Frau schnell ändern. Wenn sie sich bei der Arbeitsagentur als arbeitssuchend meldet, muss sie fortan den Mindestbeitrag von 60 Euro entrichten. "Aber über diese Probleme werden die Verbraucher von ihren Vermittlern nicht aufgeklärt. Ihnen kommt es nur auf den schnellen Abschluss an."
Es gibt viele Gründe, warum die Zulagenstelle annehmen kann, dass ein Sparer nicht mehr förderberechtigt ist. Da reicht es schon, dass sich die Kindergeldnummer ändert, die Berechtigung zum Kindergeld entfällt oder der Sparer eine neue Anschrift hat. "Über all diese Umstände muss der Sparer seinen Riester-Anbieter informieren", sagt Pischke.
So gibt es die volle Zulage nur, wenn vier Prozent des sozialversicherungspflichtigen Bruttoeinkommens des Vorjahres eingezahlt werden. Davon können die Zulagen abgezogen werden. Beispiel: Bei einem Verdienst von 35 000 Euro wären das 1061 Euro oder 88,42 Euro im Monat. Denn von 1400 Euro (vier Prozent von 35 000 Euro) können noch die Zulagen abgezogen werden, in diesem Beispiel 154 Euro Grundzulage und 185 Euro Kinderzulage. Die Berechnung des erforderlichen Beitrages ist also nicht ganz einfach.
So müssen Arbeitslose oft mehr als 60 Euro im Jahr entrichten, weil sich ihr Beitrag nach dem Vorjahreseinkommen richtet. Wer das ignoriert, verliert einen Teil seiner Zulagen, die dann nur anteilig fließen. Nach einer Studie von Union Investment wurden im Jahr 2007 im Bundesdurchschnitt etwa 40 Prozent der beantragten Zulagen nur in gekürzter Form gewährt. "Die Produkte wie die Regeln für die staatlichen Zulagen sind zu kompliziert", kritisiert Manfred Westphal vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Zurückgebuchte Zulagen können Verbraucher im Kontoauszug und weiteren Bescheinigungen des Riester-Anbieters erkennen. "Doch vielfach werden diese Bescheide nur abgeheftet", sagt Pischke. Dabei können sich die Sparer mit einem Festsetzungsantrag gegen zurückgebuchte Zulagen wehren. Die Behörde prüft dann noch einmal, ob die Fördermittel tatsächlich zu Unrecht gezahlt wurden oder ob beim Abgleich der Daten etwas schiefgegangen ist. Ein solcher Antrag muss beim Anbieter der Riester-Rente gestellt werden, der ihn dann an die Behörde weiterleitet.
Union Investment sieht das größte Problem allerdings darin, "dass viele Riester-Sparer ihre Zulage gar nicht beantragen". Rund 25 Prozent der Sparer haben das 2007 bundesweit nicht getan. Sie verzichteten damit auf Zulagen in Höhe von knapp 700 Millionen Euro.